28.03.2024

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28.07.01 Materialband des Georg-Eckert-Instituts erschienen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juli 2001


Neue Unterrichtshilfen:
Gut bis mangelhaft
Materialband des Georg-Eckert-Instituts erschienen
von Martin Schmidt

Stellt man eine x-beliebige bundesdeutsche Schulklasse vor die Wahl einer Klassenfahrt nach Polen – sagen wir Krakau oder Lodsch – oder nach Großbritannien bzw. Frankreich – etwa nach Bristol oder Lille – so steht das Ergebnis fest. Mit 99prozentiger Sicherheit wird gegen Polen entschieden.

Zwar hat man sich längst an die im heutigen Deutschland tief verinnerlichte Westorientierung gewöhnt, doch normal und rational nachvollziehbar ist sie nicht. Denn, um bei den Beispielen zu bleiben, Krakau ist sicherlich schöner als Bristol.

Erst eigene Reiseerfahrungen im Osten vermögen die Vorstellungen von einem uninteressanten, unterentwickelten und von Autodieben bevölkerten Land durch positive Assoziationen zu ersetzen oder zumindest zu erweitern. Da hierzu aber die Bereitschaft fehlt, bleibt man, zugespitzt formuliert, in einem Teufelskreis aus Unkenntnis und Vorurteilen stecken.

Einen anderen, mühsamen Weg der deutsch-polnischen Annäherung hat das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung beschritten, indem es für den Geschichtsunterreicht den umfangreichen Band "Deutschland und Polen im zwanzigsten Jahrhundert. Analyen – Quellen – didaktische Hinweise" veröffentlichte.

Diese chronologisch bewußt ungeordnete Aneinanderreihung von 205 – meist sehr aufschlußreichen – Textdokumenten, Fotos und Abbildungen wird um qualitativ unterschiedliche Einführungstexte ergänzt. Der Leser muß sich zum Beispiel gleich am Anfang darüber ärgern, daß Klaus Zernack das zählebige Klischee vom polnischen "Opferlamm" bemüht.

So heißt es bei dem seit 1987 als Vorsitzender der deutschen Abordnung der gemischten Schulbuchkommission amtierenden Historiker über die Auseinandersetzungen mit Deutschland und der Sowjetunion kurz nach dem Ersten Weltkrieg: Die Polen seien "sogleich in zahlreiche bewaffnete Konflikte um die Ausgestaltung und die Sicherung ihres Stataatsgebietes hineingezogen" worden. Tatsächlich handelte die Regierung in Warschau jedoch sowohl in Posen und Oberschlesien als auch bei der Eroberung der weißrussischen und ukrainischen Gebiete des sogenannten "Ostpolens" als Aggressor.

Neben solchen Unzulänglichkeiten und überflüssigen Kapiteln wie dem ideologietriefenden Abschnitt über "Frauenrollen, Frauenrechte, Frauenbewegungen" finden sich gute historische Zusammenfassungen und brauchbare didaktische Empfehlungen. Hervorzuheben ist das Kapitel "Migrationen: Arbeitswanderung, Emigration, Vertreibung, Umsiedlung" von Wlodzimierz Borodziej und Hans Lemberg. An diesem stört nur eine sprachliche Fehlleistung im Schlußabschnitt, wo in bezug auf die Massenaussiedlung von Deutschen aus Oberschlesien, Masuren,

Hinterpommern u. a. in die Bundesrepublik zwischen 1975 und 1990 – wohl als Folge eines Übersetzungsfehlers – von einer "Migrationswelle von Polen nach Westdeutschland" die Rede ist.

Annehmbar sind auch die Ausführungen Piotr Madajczyks über "Die deutsche Minderheit in Polen und die polnische Minderheit in Deutschland" oder das von Jan M. Piskorski verfaßte Kapitel "Erbfeindschaften. Antipolonismus, Preußen- und Deutschlandhaß, deutsche Ostforschung und polnischer Westgedanke".

Als Diskussionsanreiz schließt ein Ausblick von Hans Henning Hahn mit dem Titel "Europäische Einigung und nationale Identität" den Rahmenteil ab. Er bietet anstelle der üblichen Euroduselei bedenkenswerte Überlegungen und erfrischende Feststellungen wie die folgenden: "(...) die Europäische Union ist nicht das Telos der Geschichte (...)". Jedenfalls ist sie "nicht identisch mit Europa – die Gesellschaften, die heute außerhalb der EU stehen, sind darum nicht weniger europäisch.

Deshalb entbehrt der Slogan ‚Zurück nach Europa‘ jeden wirklichen Sinngehalts – Polen, Tschechien, Rußland und andere Länder (...) sind immer ein Teil Europas gewesen, auch, als sie unter kommunistischer Diktatur leben mußten."

Unterm Strich ist die lange erwartete und in beiden Sprachen herausgegebene Materialsammlung, vor allem was den Quellenteil anbelangt, eine brauchbare Arbeitshilfe für Lehrer und eine anregende Lektüre für alle, die sich für die wechselvolle deutsch-polnische Nachbarschaftsgeschichte interessieren.

Die vor kurzem erschienene Lehrerhandreichung des Georg-Eckert-Instituts (Celler Straße 3, 38114 Braunschweig, Tel.: 0531-590990, Fax: 5909999, Internet: www.gei.de ) ist zum Preis von 18,- Mark über den Buchhandel erhältlich.