29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.08.01 Zu Besuch in Rheinsberg – Gegenwart und Vergangenheit einer preußischen Stätte

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. August 2001


Flötenmusik und Trommelschlag
Zu Besuch in Rheinsberg – Gegenwart und Vergangenheit einer preußischen Stätte
von Caroline v. Gottberg

Rheinsberg, wir erreichen Rheinsberg". Glücklich der kleinen Regionalbahn entronnen (man fragt sich zwischendurch, ob man jemals ankommt), stehe ich vor dem Bahnhofsgebäude. Sonnenschein liegt über dem Städtchen, das im nördlichen Brandenburg etwa 100 Kilometer von Berlin liegt – eingebettet in eine Wälder- und Seenlandschaft.

Rheinsberg: Hier verlebte Friedrich der Große in seinem malerischen Schlößchen am Grienericksee glückliche und unbeschwerte Jahre – bis zu seiner Thronbesteigung 1740. Theodor Fontane, der Wanderer durch die Mark Brandenburg, und Kurt Tucholsky mit seinem Roman "Rheinsberg – Ein Bilderbuch für Verliebte" setzten dem idyllischen Ort ein literarisches Denkmal. So steht der Name Rheinsberg für Natur und Kunst, Geist und Liebe.

Läuft man vom Bahnhof in Richtung Schloß, dann meint man wirklich, nach Preußen gekommen zu sein. Links und rechts der "Schloßstraße" laden kleine Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Und sie können gar nicht anders heißen als "Café Voltaire", "Zum alten Fritz" und "Zum jungen Fritz". In der kleinen Buchhandlung liegen Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" und "Der Stechlin" aus, Biographien über preußische Herrscher fallen ins Auge. Gegenwärtige Vergangenheit.

Weiß schimmernd taucht die Schloßanlage auf. Und vor dem schmiedeeisernen Tor wartet der Schloßherr "persönlich": Kronprinz Friedrich. Ist es nicht, als würde leise Flötenmusik in der Luft liegen und weit über den See bis hinüber zum Obelisken schwingen? Hier verlebte der kunstliebende Kronprinz nach eigenen Worten die glücklichsten Tage seines Lebens. Denn hier durfte er für kurze vier Jahre seinen innersten Interessen nachgehen: musizieren, komponieren, geistreiche Gespräche führen, mit Malern, Musikern und Philosophen verkehren. Der Prinz schuf sich einen Gegenpol zum nüchternen Hof des Vaters in Berlin und Potsdam.

Das Schloß, einst von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699 bis 1753) – unter Einwirkung Friedrichs des Großen – ausgestaltet, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Diabetikersanatorium genutzt. Schritt für Schritt werden die Spuren dieser Zeit der Verwahrlosung und des Desinteresses getilgt. Viel wurde und wird noch restauriert, ständig wird gebaut und gearbeitet. Ein Großteil der Zimmer ist bereits wieder hergestellt. Bei einer Schloßführung werden Charme und Atmosphäre der historischen Räume wieder spürbar.

Scharen von Besuchern und Spaziergängern genießen das Sommerwetter, sitzen auf Parkbänken oder auf den Grünflächen, picknicken, lassen die Füße im Wasser baumeln. Wer kann an so einem warmen Sommertag der Erfrischung widerstehen? Rechter Hand liegt das Schlößchen, vor mir das spiegelnde Wasser mit unzähligen Seerosen. Paddelboote gleiten über den See. Auf einmal ertönt Musik. Hinter mir, aus dem Park, erklingen Arien – leise und lockend. Nein, tatsächlich keine Einbildung.

Seit einigen Jahren befindet sich in einem Nebenflügel des Schlosses eine Musikakademie. Der ostpreußische Komponist Siegfried Matthus (s. Interview) gründete 1990 die Kammeroper Schloß Rheinsberg. Bereits im Sommer 1991 fand das erste Festival statt. Könnte es wohl einen passenderen Ort geben? Nicht nur Friedrich der Große, sondern auch dessen Bruder Heinrich, dem er das Schloß 1744 schenkte, widmete sich hier den schönen Künsten. Er pflegte einen echten Musenhof, liebte er doch die Oper und das Schauspiel. 1758 ließ Prinz Heinrich das Heckentheater im Park bauen, 16 Jahre später das Schloßtheater. Außerdem errichtete er den barocken Landschaftspark und den weithin sichtbaren Obelisken, sorgte für zahlreiche Umbauten und Ausgestaltungen. Mit den Festspielen, die seit 1991 jeden Sommer stattfinden, sind die Musen nach Rheinsberg zurückgekehrt: Opernaufführungen im Schloßpark, im Hecken- und im Schloßtheater ziehen jährlich 20 000 Besucher an.

Die Kammeroper Schloß Rheinsberg ist eine künstlerische Institution zur Förderung junger Opernsänger. Namhafte und erfahrene Dirigenten, Regisseure und Gesangspädagogen erarbeiten während der vierwöchigen Proben mit den jungen Sängern die Opern. Aus vielen Ländern bewerben sich Künstler, um sich beim Internationalen Gesangswettbewerb der Kammeroper zu empfehlen und einen der begehrten Plätze zu gewinnen. Das Opernfestival hat sich etabliert und besitzt heute großes internationales Renommee. Neben Arien- und Liederabenden werden in diesem Jahr u. a. die Opern "Werther" (Jules Massenet), "Caesar und Cleopatra" (Carl Heinrich Graun) und "Petite Messe Solennelle" (Rossini) gegeben.

Das durch Kriegseinwirkungen zerstörte Schloßtheater wurde 1997 hauptsächlich mit EU-Geldern wieder aufgebaut. 1999 konnte es wiedereröffnet werden. Zu diesem Anlaß hatte Siegfried Matthus sich eines historischen Stoffs angenommen und die Oper "Kronprinz Friedrich" komponiert.

Auch an diesem Abend steht "Kronprinz Friedrich" auf dem Programm: Es ist die Nacht zum 6. November 1730 in Küstrin. Am Morgen soll Leutnant Katte, Freund und Vertrauter des Kronprinzen Friedrich, hingerichtet werden. So lautet das Urteil des Vaters, König Friedrich Wilhelm I. Die beiden jungen Offiziere waren desertiert, da sich vor allem der Kronprinz nicht mehr dem harten Militärdienst beugen wollte. Die Oper spiegelt die Nacht vor der Hinrichtung des Freundes Katte wider – ein Trauma. Mit aller Härte fordert der Vater Disziplin, Ordnung und Gehorsam von dem zarten, den Musen zugewandten Sohn. Doch dahinter steckt keine reine Willkür, sondern die Sorge um die Zukunft des Landes. Deutlich werden die Qualen, die Vater und Sohn leiden. Das durch Darstellung und Musik herausgearbeitete Leid und die Tragik dieses Vater-Sohn-Konfliktes packen einen auch heute noch.

Nach dem Konzert und dem Kunstgenuß kann man sich an der Abendruhe erfreuen. Den warmen Sommerabend genießend, spazieren viele Konzertgäste durch den Park, noch erfüllt von den Eindrücken der Oper. Ich sitze auf den Stufen der Schloßtreppe und blicke auf den See hinaus, über dem leuchtendes Abendrot steht. Es beginnt zu dämmern. Traumhafte Wirklichkeit.

Wer in Rheinsberg war, versteht, warum Friedrich der Große sagte: "Ich bin glücklich, diese Stätte zu besitzen, wo man nur Ruhe kennt, die Blumen des Lebens pflückt und die kurze Zeit genießt, die uns auf Erden geschenkt ist."

Kunst und Natur: Die harmonische Verbindung zwischen Landschaft und Architektur schafft den besonderen Charme Rheinsbergs – einstmals Residenz des Kronprinzen Friedrich

Blick über den See: Auch Theodor Fontane sprach von einem "Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit"