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18.08.01 Wegen angeblicher Ausländerfeindlichkeit diffamierter Lehrer wurde rehabiltiert

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. August 2001


Justiz:
Urteil jenseits des Zeitgeistes
Wegen angeblicher Ausländerfeindlichkeit diffamierter Lehrer wurde rehabiltiert

Verdienstausgleich in Höhe von 160.000 Mark müssen fünf Eltern von Schülern einer Flensburger Grundschule einem Lehrer zahlen, weil sie ihn vor zehn Jahren öffentlich der Fremdenfeindlichkeit, rassistischer Äußerungen und Verbreitung rechtsradikalen Gedankengutes geziehen und damit in Krankheit und Arbeitsunfähigkeit getrieben haben. Das entschied soeben in einem „Betragsverfahren“, gegen das kein Rechtsmittel mehr möglich ist, das Oberlandesgericht Schleswig (AZ 216/99). Damit dürfte zum ersten Mal eine üble Schikane gegen Lehrer mit der Falschbehauptung, sie hätten sich im Unterricht rassistisch oder sonst politisch unkorrekt geäußert, auf die Urheber zurückgefallen sein.

Dem Urteil zu Grunde liegen Vorkommnisse in der Flensburger Ramsharder Grundschule im Spätsommer 1991 (siehe OB 5/1999). Damals hatte ein Lehrer, der bereits zwanzig Jahre lang seinen Beruf ausgeübt hatte, die 4. Klasse im Heimat- und Sachkundeunterricht übernommen. Kurze Zeit darauf wandten sich einige Eltern an die Zeitung der dänischen Minderheit „Flensborg Avis“ und behaupteten, der Lehrer habe türkische Schüler schikaniert und sich rassistisch geäußert. So habe er einen Türkenjungen vor die Tür geschickt. Die Zeitung übernahm offenbar ungeprüft die Beschuldigungen und machte daraus sogar eine knallige Hauptüberschrift. Wie üblich veranlaßte der zuständige Schulrat sofort, daß der Pädagoge versetzt wurde, wohl damit er selbst zunächst aus der Schußlinie ist, ein Verfahren, wie es in unseren Tagen nicht unüblich ist.

Flensburger Zeitungen, dann Zeitungen aus dem ganzen Bundesgebiet und sogar das Fernsehen griffen die Affäre auf. Da konnte man von den bösen Taten des Lehrers lesen und hören, etwa daß er an neunjährige Schüler den Text des Deutschland-Liedes mit allen drei Strophen verteilt und angeblich ausländische Kinder angeschrieen und geschubst habe. Diesmal ging jedoch der Schuß nach hinten los. Viele Eltern solidarisierten sich mit dem angegriffenen Lehrer, ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen. Sie verfaßten eine Brief, unterschrieben von der Personalrätin der Schule, in dem sie dem Schulrat wie der Presse ins Stammbuch schrieben: „Gut wäre es gewesen, vor der öffentlichen Diskussion den Ausgang der Untersuchungen abzuwarten...“

Unter den von einigen Eltern auslösten Angriffen der Medien brach der Lehrer zusammen. Er erkrankte so schwer, daß er dienstunfähig wurde und neun Monate nach den angeblichen Vorkommnissen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden mußte. Noch heute leidet er an Herzrhythmusstörungen, Depressionen, Schlafstörungen und Angstzuständen. In der Untersuchung stellte sich heraus, daß es, so der Schulrat, „keinerlei Bestätigung für irgendeine Form ausländerfeindlichen Verhaltens“ gebe. Tatsächlich traten Erziehungsprobleme mit einem der „größten Störenfriede der Klasse“ auf, einem zehnjährigen türkischen Jungen aus einem Heim.

Der in den vorzeitigen Ruhestand geschickte Lehrer mußte mit einer gekürzten Pension auskommen, ließ sich aber nicht entmutigen, sondern führte zehn Jahre lang eine Rechtsstreit. Bereits im Sommer 1998 entschied das Oberlandesgericht in Schleswig grundsätzlich, daß Schadensansprüche gegen die Urheber der Hexenjagd rechtens sind. Es urteilte weiter, daß die Eltern dem Lehrer 10.000 DM Schmerzensgeld sowie 3.777,12 DM Kosten der ärztlichen Behandlung zu zahlen hätten. Jetzt hat ihm das Oberlandesgericht 160.000 DM Verdienstausgleich zugesprochen. Das müssen die beiden Elternpaare und ein einzelner Pflegevater aufbringen, doch dabei dürfte es nicht bleiben. Der 1. Zivilsenat hat nämlich lediglich jene Einkommenseinbußen vergütet, die der Kläger für den Zeitraum von August 1993, dem Zeitpunkt seiner einstweiligen Versetzung in den Ruhestand, bis Oktober 1999 geltend gemacht hat. Über spätere Zeiträume muß gesondert prozessiert werden. Die verurteilten Eltern haben sich nunmehr an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gewandt. Jonny Düsternbrook