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25.08.01 Tschechen und Deutsche - eine Haßliebe

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. August 2001


Tschechen und Deutsche - eine Haßliebe:
Dresdner Geschichtskonstrukte
Neuauflage der Wanderausstellung der „Brücke/Most-Stiftung“
von Martin Schmidt

Wenn es in der Selbstdarstellung der Stiftung „Brücke/Most“ heißt, man wolle „ein offenes Forum für alle bieten, die ohne Vorbehalte und Vorbedingungen die interkulturelle Begegnung zwischen Deutschen und Tschechen suchen“, so ist der Seitenhieb gegen die Sudetendeutsche Landsmannschaft unübersehbar. Diese beharrt bekanntlich auf einer Aufhebung der Benesch-Dekrete als Vorbedingung eines Beitritts Tschechiens in die Politik- und Rechts-Gemeinschaft der Europäischen Union.

Die Absicht der 1997 vom Politologen Dr. Helmut Köser in Dresden gegründeten Stiftung, daran mitzuarbeiten, daß das Herzland Böhmen durch die Eingliederung in die EU die jahrzehntelange Abkopplung vom westlichen Europa überwindet, ist ehrenwert. Gleiches gilt für den Stiftungszweck, die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der Tschechischen Republik und den anderen ostmitteleuropäischen Ländern zu fördern.

Doch muß man deshalb das Gemeinsame beider Völker und den Europa-Enthusiasmus so sehr in den Vordergrund stellen, daß bestimmte trennende Konflikte speziell des 20. Jahrhunderts unaufgearbeitet bleiben? Sicherlich: Die Deutschen sind den Tschechen ethnisch-kulturell so ähnlich, wie vielleicht keinem anderen Nachbarvolk. Ja, die im Brücke-Ausstellungskatalog „Kde domov muj ... - Wo ist meine Heimat ...“ beschworene „Symbiose“ beider Völker wird dem Grad der Verwandtschaft noch nicht einmal gerecht.

Schließlich beschreibt dieses Bild das Zusammenleben ungleicher Lebewesen zu gegenseitigem Nutzen. Besser sollte man jedoch vom Zusammenwirken sehr ähnlicher und psychologisch gesehen wohl deshalb um größtmögliche Abgrenzung bemühter ethnischer Gemeinschaften sprechen. Auch der Begriff der Haßliebe wäre passend.

Jedenfalls ist es ein Unding, wenn im besagten Katalog mit dem Untertitel „Spuren tschechisch-deutscher Gemeinsamkeiten im 19. und 20. Jahrhundert“ die über drei Millionen „Sudetendeutschen“ in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien vor allem als Negativfaktor auftauchen, ausgenommen natürlich jüdische Schriftsteller wie Franz Kafka und Max Brod oder weniger bekannte „Grenzgänger mit transnationalen Identitäten“.

So wird an einer Stelle geäußert, daß das „republikanische Denken“ in der neugegründeten Tschechoslowakei insbesondere bei den Deutschen unterentwickelt gewesen sei. Und die sudetendeutsche Turnbewegung erscheint in ebenso schlechtem Licht wie der kulturpolitische Bund der Deutschen.

Die grundsätzliche Fehlkonstruktion der Tschechoslowakei als - laut Verfassung von 1920 - Staat der Tschechen und Slowaken, in dem die zweitgrößte Volksgruppe der Deutschen nur als anfangs repressierte und dann mehr schlecht als recht geduldete Minderheit leben konnte, ist kein Thema. Dagegen beschäftigt sich die von jüngeren bundesdeutschen und tschechischen Wissenschaftlern zusammengestellte Ausstellung samt opulentem Katalog ausführlich mit der Person Konrad Henleins und dem KZ Theresienstadt.

Daß dort nach dem Krieg auch deutsche Inhaftierte den Tod fanden, ist wiederum keine Zeile wert. Von den 60 Ausstellungstafeln zu den Themenfeldern Politik, Wirtschaft, Literatur, Wissenschaft, Musik und Malerei widmet sich eine einzige dem Thema Vertreibung. Man erfährt dort in knapper Form von angeblich „30 000 Opfern“ (hier wird jene Zahl aufgegriffen, die die deutsch-tschechische Historikerkommission in die Welt gesetzt hat), obwohl viel darauf hindeutet, daß weit über hunderttausend Menschen umkamen.

Während es für die tschechische Politik und Öffentlichkeit geboten erscheint, endlich mit einem symbolträchtigen Schritt auf die Sudetendeutschen zuzugehen und diese als unverzichtbares Bindeglied beider Staaten zu begreifen, - ähnlich wie dies die slowakische Regierung mit den Karpatendeutschen oder zunehmend auch die polnische mit den heimatvertriebenen Ostdeutschen tut -, sollte sich auch eine „unabhängige“ und „überparteiliche“ Einrichtung wie die Brücke-Stiftung von den offensichtlich vorhandenen ideologischen Scheuklappen gegenüber den Vertriebenen befreien.

Andernfalls würde das wichtige Engagement bei der Durchführung verschiedenster Veranstaltungen und Forschungsvorhaben, der Bereitstellung von Stipendien, der Organisation von Schüler- und Studententreffen, der Erarbeitung von Grundlagenmaterialien für Lehr- und Lernmittel oder der Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Tschechischen Gymnasium in Pirna mit dem Vorwurf slawophiler Einseitigkeit belastet.

Wer sich selbst ein Bild über die vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds geförderte Wanderausstellung der Brücke-Stiftung machen möchte, bekommt jetzt wieder die Gelegenheit dazu. Nach bisherigen Stationen in Prag, Dresden und Freiburg wird sie vom 24. August bis 20. September im Foyer des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln gezeigt. Danach ist die Ausstellung vom 23. September bis 11. November im Bukowina-Institut Augsburg zu sehen.

Weitere Möglichkeiten, die Arbeit der Stiftung kennenzulernen, bieten sich vom 7. bis 9. September an deren Stand auf dem „Tag der Sachsen“ in Zittau oder unmittelbar auf einem Seminar in der prachtvollen stiftungseigenen Villa in Dresden bzw. in der Außenstelle im badischen Freiburg.

Weitere Auskünfte: Studienhaus Brücke/Most-Stiftung, Reinhold-Becker-Str. 5, 01277 Dresden-Blasewitz, Tel.: 0351-433140, Fax: 4331433, Internet: www.bruecke-most-stiftung.de