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25.08.01 Das historische Kalenderblatt: 23. August 1958 - Stapellauf des Segelschulschiffs »Gorch Fock«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. August 2001


Das historische Kalenderblatt: 23. August 1958 - Stapellauf des Segelschulschiffs »Gorch Fock«
»Ick däup die up den Nom …«
von Manuel Ruoff

Die Tradition der Nachwuchsausbildung auf Segelschulschiffen reicht in den deutschen Seestreitkräften bis weit in das 19. Jahrhundert zurück. So schulte die Flotte des Deutschen Bundes ihren Nachwuchs auf der Segelfregatte „Deutschland“. Die kaiserliche Marine bediente sich zur Seekadetten- und Schiffsjungenausbildung der fünf gedeckten Korvetten „Moltke“, „Stosch“, „Stein“, „Gneisenau“ und „Charlotte“, etwa 82 Meter lange Vollschiffe mit gut 2000 Quadratmetern Segelfläche, die bereits regelmäßig Auslandsausbildungsreisen unternahmen. Der zunehmende Bedeu- tungsverlust des Antriebs durch Segel bei der Kriegs- und Handelsflotte ließ die kaiserliche Flotte ab 1908 aber auf die Segelschulschiffausbildung verzichten.

In der Bewährungsprobe des Weltkrieges kam die Führung der deutschen Streitkräfte zur See allerdings zu der Überzeugung, daß sich die jüngeren Offiziersjahrgänge insbesondere auf den kleineren Einheiten und Hilfsschiffen in vielerlei Hinsicht als suboptimal ausgebildet erwiesen, und so kehrte die Reichsmarine der Weimarer Republik 1921 zur Segelschiffausbildung zurück. Erstrebt wurde und wird mit dieser antagonistisch scheinenden Ausbildungsform - um es mit den Worten des „Gorch Fock“-Kommandanten von 1978 bis 1982, Horst Helmut Wind, zu formulieren -, daß „die jungen Soldaten an Bord“ „mit der See, mit Wind und Wetter vertraut gemacht werden“, „die Grundlagen der Seemannschaft und der Navigation erlernen“, „während einer Ausbildungsreise die Möglichkeit erhalten, fremde Länder und Völker kennenzulernen und dabei“ ihr Land „zu repräsentieren, und Charaktereigenschaften sowie Gemeinschaftssinn entwickeln und festigen“.

Hierfür wurde das Vollschiff „Niobe“ nach dem Ersten Weltkrieg zur Bark umgebaut. Nachdem das Segelschiff 1932 im Fehmarnbelt in einer Gewitterbö verlorengegangen war, trat an seine Stelle die 1933 vom Stapel gelaufene und in Dienst gestellte „Gorch Fock“ (I). Im Zuge der in diesen Jahren einsetzenden deutschen Nachrüstung wurden auch die Ausbildungskapazitäten erweitert. Die „Gorch Fock“ erhielt Schwestern, 1936 die „Horst Wessel“ und 1938 die „Albert Leo Schlageter“. Alle drei wurden Beute der Sieger des Zweiten Weltkrieges und fahren heute unter fremder Flagge.

Eine sogenannte halbe Schwester war die kriegsbedingt nur halb fertiggestellte „Herbert Norkus“. Sie fiel ebenfalls in die Hände der Kriegssieger und wurde 1947 beladen mit Giftmunition im Skagerrak versenkt. Ihre Takelage aber war noch nicht geriggt worden und konnte so teilweise für das Segelschulschiff der Bundesmarine verwandt werden.

Letzteres, die „Gorch Fock“ (II), ist im Grunde ein Nachbau der „Albert Leo Schlageter“, die über zwei Jahrzehnte das modernste Segelschiff war, und kann insofern als die jüngste Einheit der „Gorch Fock“ (I)-Klasse betrachtet werden. Ihr Rumpf hat eine Länge von 81,25 Metern ohne und 89,32 Metern mit Bugspriet, eine Breite von zwölf Metern, einen mittleren Tiefgang von 5,25 Metern sowie eine Verdrängung von 1760 Tonnen. Die Höhen des Fock- und Großmastes der Bark betragen je etwa 45,3 Meter, die des Basabmastes liegt bei 40 Metern über der Wasserlinie. Die größte Rahlänge beträgt 24 Meter.

Nachdem in der jungen Bundesmarine unter dem maßgeblichen Einfluß ihres ersten Inspekteurs Vizeadmiral Friedrich Ruge die Grundentscheidung für die Fortsetzung der Segelschulschiffausbildung gefallen war, wurde am 6. März 1958 bei Blohm & Voss die erste Sektion auf die Helling gesetzt. Gute fünf Monate später, am 23. August, lief das Schiff vom Stapel, um am 17. Dezember jenes Jahres in Dienst zu stellen.

Die in niederdeutscher Mundart gehaltene Taufrede hielt Gorch Focks Bruder Rudolf Kinau. Den eigentlichen Taufakt vollzog dann dessen Tochter Ulli Kinau, die nach den Worten „Boben dat Leben steiht de Dood. Ober boben den Dood steiht wedder dat Leben! Ick däup die up den Nom ,Gorch Fock‘!“ die Sektflasche am Bug des stählernen Schiffskörpers zerspringen ließ.