18.04.2024

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08.09.01 Musik am Hofe Friedrichs des Großen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. September 2001


Preußens Glanz
Musik am Hofe Friedrichs des Großen

Preußen wird von seinen Gegnern stets gern als Hort des Militarismus gescholten. Daß man sich dort auch den Musen, den Schönen Künsten widmete, wird oft und gern vergessen. Bei dem Stichwort „Musik“ fallen denn auch nur hämische Nebenbemerkungen, daß es dort doch allenfalls Marschmusik gegeben haben könne. Kenner verweisen dann allerdings auf Friedrich den Großen, der selbst begeistert musiziert und nicht zuletzt auch Komponisten gefördert habe. - Unvergessen der alte deutsche Spielfilm „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ mit Otto Gebühr als Friedrich II. Der Ufa-Film wird übrigens aus Anlaß des Preußen-Jahres im Film-Museum Potsdam, Schloßstraße 1 (Marstall), am 29. September, 18 Uhr, wieder einmal vorgeführt.

Wer sich näher mit der Musik am Hofe Friedrichs des Großen beschäftigen möchte, dem sei eine CD ans Herz gelegt, die Flötenmusik am Berliner Hof darbietet (Accent 20140). Frank Theuns an der Querflöte und Ewald Demeyere am Cembalo spielen Kompositionen von Franz Benda (1709-1786), Johann Joachim Quantz (1697-1773), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), Johann Philipp Kirnberger (1721-1783) und Johann Gottlieb Graun (1703-1771). Namen, die sich mit Leben erfüllen, liest man in dem Buch von Dietrich Fischer-Dieskau „Weil nicht alle Blütenträume reiften“ (DVA, 1992), in dem der Sänger und Autor an Johann Friedrich Reichardt erinnert, den Hofkapellmeister dreier Preußenkönige.

Reichardt war 1775 aus Königsberg nach Potsdam gekommen. Über seine erste Begegnung in Begleitung von Franz Benda (übrigens seinem späteren Schwiegervater) mit dem Preußenkönig schrieb er in seinen Erinnerungen (zitiert nach Fischer-Dieskau): „Indem der König mich mit seinen großen, herrlichen blauen Augen stark fixierte, sagte er: ‚Wo seid Ihr her?‘ - ‚Aus Königsberg in Preußen.‘ - ‚Wo habt Ihr Musik studiert?‘ - ‚In Berlin und Dresden.‘ - ‚Seid Ihr in Italien gewesen?‘ - ‚Nein, Ew. Majestät; aber - (im Begriff, ihn zu bitten, mich recht bald hinzuschicken, fiel er mir eifrig ins Wort; die hohe, weiche Stimme stark erhebend und uns Beide fast zugleich ansehend, rief er:) ‚Das ist sein Glück! Hüt’ er sich für die neuern Italiener: so’n Kerl schreibt ihm wie ne Sau.‘ Obwohl ich auf das schlechte deutsch des Königs schon vorbereitet war, so kostete es mich jetzt doch Mühe das Lachen zu verbeißen ...“

„Der König sprach viel und lange über Musik überhaupt“, erinnerte sich Reichardt, „ließ sich in sehr kleine Details, die Composition betreffend, ein, und man erkannte leicht das Bestreben, seine Kenntnisse darin zeigen zu wollen. Wiederholt kam er darauf zurück, daß bei ihm allein noch die wahre Musik, wie sie zur schönsten Zeit in Italien geblüht habe, ein Asyl fände, die Italiener jetzt ganz ausgeartet wären und allerwärts an andern Orten nur das modische italienische Geklingle und Gelyere beliebt und betrieben werde ...

Von dem Zustande seines Orchesters gab er mir eben nicht den besten Begriff, doch war sein Urteil richtig und er schloß damit: ‚Nu geh er nur nach Berlin, hör’ er noch einige Opern und exerzier’ er die alten Musikanten recht tüchtig.’ Eben im Begriffe, das gewöhnliche Zeichen zum Abschiede mit Lüftung des Hutes zu geben sagte er noch: ‚Wie heißt er doch?‘ - ‚Reichardt.‘ - ,Ja, sehe er man, da kann er nun komponieren, was und wie er will, von dem deutschen Namen wird’s doch keiner glauben, daß was rechtes daran ist; er kann sich ja Ricciardetto oder Ricciardini nennen, das klingt gleich ganz anders.‘ Ich erwiderte aber sogleich: ‚Ew. Majestät, ich bin zu stolz darauf, ein Deutscher und Ihr Untertan zu sein, als daß ich meinen Namen gern italienisierte.‘ - ‚Na, na!‘ - sagte der König mit verbissenem Lächeln zu Benda gewendet - ‚das hat eben auch keine Eile!‘“

Über die musikalische Begabung des Königs schrieb Reichardt, von dem bekannt ist, daß er kein Blatt vor den Mund nahm, in seinem neunten „Brief eines aufmerksamen Reisenden“ (Frankfurt, Leipzig 1774-1776): „Nun soll ich auch noch wohl sagen, wie mir der große Friedrich als Virtuose auf der Flöte gefallen hat? Im Adagio vollkommen gut, im Allegro gar nicht. Ersteres spielt er mit sehr viel Empfindung und starkem Aus­drucke; das Tragen des Tones, die Feinheit im Gebrauche der Stärke und Schwäche, Manieren und Kadenzen, die im Adagio vollkommen angemessen sind, Alles dies verdient die häufigen Bravo und Bravissimos der ihn akkompagnierenden Künstler. Das Allegro aber spielt er ohne Feuer, die geschwinden Noten trägt er matt und schleppend vor, di langsamen ohne den gehörigen Nachdruck, durch den die beiden Tempo sich auch unterscheiden müssen ...“

Carl Philipp Emanuel Bach, den zweiten Sohn des Thomaskantors, lernte Reichardt in Hamburg kennen, wohin Bach 1767 gezogen war: „Er sah mich oft und gerne bei sich und spielte mir jedesmal mehrere seiner schönen, zum teil damals noch nicht gedruckten Sonaten, Phantasien und Rondeaus vor; über alles ging mir aber sein freies Phantasieren, worin er ganz einzig und unerschöpflich war ...“

Auch über Franz Benda und seine Familie erfährt man einiges in den Erinnerungen Reichardts: „An dem Hause des trefflichen, alten Konzertmeisters Benda in Potsdam machte der Reisende eine höchst erfreuliche Bekanntschaft. Die ganze Familie nahm ihn sehr liebevoll auf und ließ ihn so manches hören, was seine Liebe und Achtung für die große Bendasche Schule noch verstärkte. Franz Benda spielte damals nur selten noch Violine; er wirkte regelmäßig nur in den Kammerkonzerten des Königs und zuweilen noch in der großen italienischen Oper mit. Reichardt hatte indessen das Glück, ihn einige Male auf der Violine phantasieren und einige seiner Capriccios spielen zu hören. Nie sollte der Eindruck, den der volle Ton, die vollkommen reine Intonation, die überaus deutliche Pronunziation jedes Ausdrucks, jedes Vorschlags und der seelenvolle, rührende Vortrag auf ihn machte, aus seiner Seele verschwinden ...“ Im Hause Benda lernt der Königsberger auch Tochter Juliane kennen, die ihn durch ihren Gesang, ihr Klavierspiel, aber auch durch ihre Kompositionen begeistert. 1777 heiraten sie; der Ehe entstammen ein Sohn und zwei Töchter.

Die Begegnung mit Johann Philipp Kirnberger war weniger erfreulich. Der Musiktheoretiker hatte nur hämische Kritik übrig für eine von Reichardt komponierte Klaviersonate. Reichardt erinnerte sich: „Unter den Tonkünstlern Berlins war Kirnberger die merkwürdigste Erscheinung. Sein großer Eifer, sich junger Talente anzunehmen, den er damals an Schulz ... eben so rühmlich bewies, ließ ihn auch gleich anfangs sehr freundlich gegen mich sein. Er spielte mir gern die Meisterwerke Joh. Seb. Bachs auf seinem überaus rein gestimmten Klavier und trug sie mit einer seltenen Deutlichkeit und Präzision vor, unerachtet er an der rechten Hand einen steifen Finger hatte. Er nahm meine Bitte, von ihm den ersten Unterricht in der Komposition zu erhalten, freundlich auf und sprach mir im Vertrauen von der Notwendigkeit, beim Unterricht fleißig zu schreiben und jede Aufgabe vielfach mit der Feder zu üben. Seine Lehre vom Grundakkorde, aus dem die übrigen alle abgeleitet werden, und vom Grundbasse war jedoch so verworren, daß die größte Aufmerksamkeit dazu gehörte, eines vom andern zu scheiden, und der lernende Zuhörer nur immer darauf bedacht sein mußte, sich das Gehörte deutlich zu machen und besser zu ordnen als es vorgetragen wurde.“ Als der Königsberger schließlich zum Kapellmeister des Königs avancierte, hatte Kirnberger nur Kritik übrig. 1779 schrieb er in einem Brief an Johann Nikolaus Forkel, den „Vater der Musikgeschichte“, daß Reichardt „... im Grunde nichts mehr weiß, als nur viel zu reden und dumm von der Musik zu räsonnieren, aber mit Noten schlechter als der ärgste Dorfmusiker umzugehen weiß“. Er nannte ihn gar einen „Schandfleck für das ehemalige berühmte musikalische Berlin bis in undenkliche Zeiten“. Forkel selbst sollte später (1783) im „Musikalischen Almanach“ über eine Klavierkomposition Reichardts urteilen, sie „wird Schauspielern und Musikern Freude bereiten“.

Preußen - ein Staat, in dem auch die Musik eine nicht unwesentliche Rolle spielte, davon konnte (und kann) man sich nicht zuletzt auch auf den unzähligen Konzerten und Festspielen überzeugen, die aus Anlaß des Preußen- Jahres in Berlin und Brandenburg gegeben wurden. Silke Osman