25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.01 BdV-Präsidentin Steinbach (CDU) zum Tag der Heimat 2001

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. September 2001


»Alle Vertreibungen ächten«
BdV-Präsidentin Steinbach (CDU) zum Tag der Heimat 2001
Der Tag der Heimat 2001 richtet einen Appell an alle Menschen, Vertreibung weltweit zu ächten. (...) / Der alljährliche Tag der Heimat ist zum einen Erinnerung an die Heimat. / Dieser Tag ist zugleich aber Mahnung an die Völker, Vertreibung zu ächten!

Dieser Tag ist Appell an die Politik, Menschenrechte mit dem Recht auf die Heimat einzufordern und umzusetzen. Dieser Tag ist Appell an unsere Nachbarvölker, unter die Vergangenheit keinen Schlußstrich zu ziehen, sondern sich ihrer Verantwortung für die Heilung des Vertreibungsunrechtes zu stellen.

Dieser Tag ist aber auch eindringlicher Appell an andere Vertriebene und Vertreiber, den Teufelskreis von Gewalt und im- merwährender Gegengewalt aufzubrechen. Aktuell heute insbesondere auf dem Balkan und im Nahen Osten. (...)

Der Nationalsozialismus hat mit seiner Unmenschlichkeit die Türen aufgestoßen für rassistische und nationalistische Exzesse anderer Dimension. Deren geistige Wurzeln gab es schon zuvor - das belegt die Geschichte der Tschechoslowakei und Polens ab 1918 mit den massiven Diskriminierungen der Deutschen in diesen Ländern leider nur zu gut. (...) Der moralische und zutiefst unchristliche Kahlschlag an elementarsten Menschenrechten, mit millionenfacher Entwürdigung von Menschen durch Hitler und Stalin, aber auch durch Benesch, Tito oder die polnischen Nationalisten im 20. Jahrhundert hat tiefe Spuren quer durch Europa hinterlassen. (...) Wie kann man aus einer solchen Hölle des Grauens ein friedliches und fruchtbares Miteinander für Gegenwart und Zukunft dauerhaft gestalten? Die Völker Europas müssen sich alle ihrer Vergangenheit stellen, der guten und der tragischen. (...) Ein Weiteres füge ich an, weil es unabdingbar hinzugehört: Der Wille zu vergeben und damit der Wille, die Vokabeln Rache und Vergeltung durch die Werte Recht und Gerechtigkeit zu ersetzen. (...)

Die deutschen Opfer von Vertreibung, von Zwangsarbeit und Deportation, von denen mehr als 2,5 Millionen Frauen, Kinder und Männer dieses Schicksal nicht überlebten, haben sich sehr früh, in Selbstüberwindung für den Weg der Gewaltlosigkeit entschieden. (...) Unsere „Charta“ vom 5. August 1950 ist für Deutschland und Europa von unschätzbarer Bedeutung. Ohne diesen 5. August 1950 sähe Deutschland heute anders aus. (...)

In Kontinuität zu dieser Friedens-Charta steht die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ der deutschen Heimatvertriebenen, die es seit dem 6. September 2000 gibt. Über unser eigenes Schicksal hinaus will diese Stiftung über die Vertreibung der Deutschen und einer Vielzahl anderer Völker informieren. Sie will mahnen und sensibilisieren und dazu beitragen, daß Vertreibung als Mittel der Politik weltweit geächtet wird. Wir wollen damit das Leichentuch des Schweigens von den Vertreibungsopfern des 20. Jahrhunderts ziehen. (...) Wir freuen uns sehr, daß bereits mehr als 200 deutsche Gemeinden in den letzten Wochen mit einem Groschen pro Einwohner Paten des Zentrums gegen Vertreibungen geworden sind. (...)

Wichtig für Deutschlands Zukunft in Europa ist die Kenntnis der eigenen Vergangenheit. Das gelingt nur, wenn bereits im Schulunterricht alle Facetten des 20. Jahrhunderts objektiv aufgearbeitet werden. Dazu gehören natürlich Geschichte und Schicksal der Deutschen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Dazu gehört aber auch das vielfältige kulturelle Erbe aus den unterschiedlichsten Heimatgebieten der Vertriebenen. Es ist Bestandteil unseres gesamtdeutschen Kulturgutes. Die Bundesregierung ist aufgerufen, den Kahlschlag der letzten Jahre zu beenden und insbesondere wieder eine auch grenzüberschreitende kulturelle Breitenarbeit der Heimatvertriebenen zu fördern. Was an Volkskultur zusammenbricht, ist unwiderruflich als Erbe verloren.

Erinnern will ich heute besonders daran, daß in diesen Tagen vor 60 Jahren die Deportationen der Deutschen in der Sowjetunion in die asiatischen Teile bis nach Sibirien begannen. 1941 wurden nach dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion mit den Stalin-Dekreten gleichsam über Nacht alle sowjetischen Bürger deutscher Volkszugehörigkeit und deutsche Staatsangehörige zu Staatsfeinden erklärt, entrechtet und verschleppt. Zwangsarbeit war an der Tagesordnung. (...) Deshalb ist es unsere solidarische Pflicht, ihnen den Weg nach Deutschland nicht noch beschwerlicher zu gestalten, als er ohnehin bereits ist.

Der Bund der Vertriebenen ist überparteilich, aber er ist nicht unpolitisch. In unserem Verband haben sich Menschen zusammengefunden, die Opfer von un- menschlicher Politik geworden sind. Mit allen demokratischen Kräften stehen wir beständig im Dialog. Das geistige Klima für diesen Teil deutscher Geschichte hat sich deutlich entspannt. Über fast drei Jahrzehnte hin war das anders. Wir Opfer waren der politischen Linken lästig. Revanchismus war nicht nur eine kommunistische Propagandaformel, sondern diese Vokabel hatte ihren festen Platz in der innerdeutschen Diskussion des linken Spektrums, wenn es um Heimatvertriebene ging, allerdings nur um deutsche Heimatvertriebene.

Mit Häme, Herablassung, Arroganz oder mitleidlosem Desinter-esse wurden die Opfer über viele Jahre hinweg aus dieser politischen Richtung zu oft konfrontiert. Das hat Spuren hinterlassen, die sich erst allmählich abschleifen können.

Diese ungleiche Betrachtung von Menschenrechtsverletzungen ist inzwischen aufgebrochen. (...)“

Indes verhöhnten selbst heute noch Medien die Opfer der Vertreibung, wie jüngst erst eine große deutsche Tageszeitung, in unerträglicher Weise, wie Erika Steinbach MdB feststellen mußte. Dem hielt die Präsidentin des BdV ihr leidenschaftliches Bekenntnis entgegen:

„Menschenwürde, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind Fundamente Deutschlands und Europas. Menschenrechte sind unteilbar. Zweierlei Maß entwertet sie. (...) Vertreibung darf sich nicht lohnen. Deshalb ist es unabdingbar erforderlich, daß menschenrechtswidrige Gesetze in den Beitrittsstaaten zur Europäischen Union noch vor der EU-Erweiterung abgeschafft werden. (...) Die EU wird Schaden nehmen, wenn die Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete Polens, der Tschechischen Republik und Sloweniens sozusagen als Morgengabe importiert werden. Diese Gesetze kollidieren mit der Werteordnung der Europäischen Union. (...)

Mehr als alle anderen Deutschen nehmen Vertriebene Anteil an dem, was in Polen, in Tschechien und der Slowakei, in den Baltischen Staaten, in Rumänien, in Ungarn und in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjet-union, in Kroatien, Slowenien oder Serbien geschieht (...).

Und warum nehmen wir Anteil? Weil die emotionale Bindung an die Heimat da ist. Daß daraus ein fruchtbares Miteinander der europäischen Völker erwachsen kann, machen viele kleine Mosaiksteine deutlich. (...) So wurde erst vor wenigen Tagen ein Präsidialmitglied des BdV Ehrenbürger seiner ostpreußischen Heimatstadt Preußisch Holland. Darüber hinaus besiegelte ein Partnerschaftsvertrag dieser heute polnischen Stadt mit der hiesigen Heimatkreisgemeinschaft der Landsmannschaft Ostpreußen die freundschaftlichen Kontakte. Dieser Vertrag ist etwas völlig Neues im Umgang miteinander. (...)“