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15.09.01 „Europäischer Tag der Sprachen“: Gefahren des „Denglischen“

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. September 2001


„Europäischer Tag der Sprachen“:
Gefahren des „Denglischen“
Sterbende Sprachen, Anglizismen und die deutsche Fremdsprachenkultur
von Martin Schmidt

Der 26. September ist der „Europäische Tag der Sprachen“. Mit diesem Datum findet das von EU und Europarat ausgerufene „Jahr der Sprachen 2001“ seinen Höhepunkt. Das Bewußtsein für das vielfältige sprachliche Kulturerbe Europas soll geschärft und der Sinn des Erlernens von Fremdsprachen verdeutlicht werden.

Im Zuge des Sprachenjahres werden aus Brüssel 185 Projekte mit insgesamt fast sechs Millionen Euro gefördert. Die 24 bundesdeutschen Vorhaben reichen von einem „Euro-Sprachmobil“, das monatelang durch die Lande fährt, bis zu einer am 26. September an der deutsch-dänischen Grenze stattfindenden Kür der „sprachenfreundlichsten Gemeinde“.

Im Rahmen der 14. Internationalen Messe für Sprachen und Kulturen (Expolingua) in Berlin vom 16. bis 18. November will man schließlich auf einer Konferenz Bilanz ziehen, und im Russischen Haus in der Friedrichstraße ist dann eine Podiumsdiskussion geplant, die neugierig macht: „Europäische Vielfalt contra englischsprachige Einfalt?“

Das Sprachenjahr weckt Emotionen und regt zu verschiedenen, nicht immer erfreulichen Überlegungen an. Da ist zunächst die Sorge um die kleinen, im Extremfall vom Aussterben bedrohten Idiome unter den rund hundert verschiedenen europäischen Sprachen.

Ob es das nur noch von wenigen hundert Menschen gesprochene Livisch in Lettland ist, das praktisch verschwundene Manx auf der Isle of Man, das zunehmend gefährdete Sorbisch, das sich langsam erholende Bretonisch oder auch bedrohte Dialekte wie das Elsässerdeutsch, Schlesisch, Pommersch und Ostpreußisch, jede dieser Sprachen bzw. Mundarten spiegelt eine bestimmteWeltsicht. Denn Denken und Sprechen hängen nun einmal untrennbar miteinander zusammen.

Mit dem Sterben von Sprachen, deren Vereinheitlichung oder der Übermacht einer einzigen Sprache schwinden diese unterschiedlichen Bedeutungsstrukturen. Die Welt wird gleichförmiger - und langweiliger. Der von Wissenschaftlern für das 21. Jahrhundert vorhergesagte 50prozentige Rückgang der zur Zeit rund um den Globus gesprochenen 3000 bis 10 000 Sprachen ist äußerst alarmierend.

Alarmierend ist auch der besonders in Europa immer stärker zu beobachtende Einfluß des Englischen oder besser gesagt des amerikanischen Englisch. Gerade Deutschland ist seit über einem Jahrzehnt dem raschen Vordringen von Anglizismen in fast alle Lebensbereiche ausgesetzt. Diese gelten als modern, sind „in“. Organisationen wie der „Verein Deutsche Sprache“ reden bereits vom Aufkommen einer neuen Mischsprache, dem „Denglischen“.

Tatsächlich gibt es für das Ausmaß dieser sprachlichen Entfremdung, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, in unserem Raum keine historischen Beispiele. Die deutsche Sprache wird vor allem in der Werbung, der Unterhaltungsmusik, den Naturwissenschaften und im Sport massiv verdrängt; in einzelnen Bereichen wie der Computer- (Rechner-) Technik spielt sie gar keine Rolle.

Von Goethe stammt die Feststellung, daß die Seele des Volkes in seiner Sprache lebt, und der frühere Berliner Innensenator Eckart Werthebach warnte zu Recht: „Ein Land, das Begriffe, Modernität und Zukunftsorientierung nicht mehr mit der Landessprache bildet, gefährdet (...) seine Zukunft.“

Werthebach, der im Sinne Goethes die Sprache den „Schlüssel für das Selbstverständnis und das Selbstwertgefühl eines Volkes“ nannte, tritt deshalb - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Massenzuwanderung nach Deutschland - für ein Sprachschutzgesetz ein. Schließlich gebe es in der Bundesrepublik, so sagt er, bisher schon derartige Gesetze für das Sorbische oder Friesische, nur nicht für die deutsche Staatssprache.

Doch während man in Polen, Lettland, Finnland, Rußland und insbesondere Frankreich gesetzliche Maßnahmen gegen die Amerikanisierung der Muttersprachen beschlossen hat und selbst in England von sprachlicher „Überfremdung“ die Rede ist, beherrschen hierzulande Verharmloser und Beschwichtiger das Bild.

Noch finden die Hinweise des VDS oder kleinerer im „Netzwerk Deutsche Sprache“ zusammengeschlossener Vereine auf die Erfolge der französischen Sprachschutzgesetze von 1975 und 1994 - etwa die nachweisbare Stärkung des französischsprachigen Schlagers oder die Aneignung der Computersprache (gut 80 Prozent aller angloamerikanischen Fachausdrücke wurden übersetzt) - offiziell kaum Gehör.

Immerhin gehören dem VDS mittlerweile über 12 000 Mitglieder an, die empört sind über den Qualitätsverlust des Deutschen (hierzu zählt für viele auch die mißlungene Rechtschreibreform), seine stark abnehmende Ausstrahlungskraft und die bisherige Untätigkeit der Politik. Rund um den „Europäischen Tag der Sprachen“ will man in allen Landesteilen durch Infostände, Vorträge, Zeitungsanzeigen usw. auf die Gefahren für die Muttersprache hinweisen.

Am 26. September wird außerdem der neue „Kulturpreis Deutsche Sprache“ verliehen. Den weniger ehrenvollen Titel „Sprachpanscher des Jahres 2001“ hat der VDS bereits Ende August vergeben, und zwar an Wolfgang H. Zocher, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Zocher ist mitverantwortlich dafür, daß es seit letzten Dezember in Deutschland den Ausbildungsberuf des „Funeral masters“ gibt.

Außer über das Sprachensterben in Europa und anderswo sowie die Amerikanisierung der Sprachkulturen mit den Auswüchsen des „Denglischen“ veranlaßt das Europäische Sprachenjahr zum Nachdenken über den Stand der hiesigen Fremdsprachenausbildung.

Kurz gesagt geht es in der Bundesrepublik um die einseitige Konzentration auf das Englische, die zum Beispiel mit einem erheblichen Verlust an Russisch-Kenntnissen (vor allem in Mitteldeutschland), der Unbeliebtheit von Nachbarsprachen wie Polnisch oder Tschechisch oder auch der unzureichenden Nutzung der Sprachpotentiale von Aussiedlern einhergeht.

Dabei kann Deutschland nur Vorteile davon haben, wenn es auch über möglichst viele gute Russisch-, Polnisch-, Französisch-, Spanisch-, Tschechisch-, Ukrainisch-, Ungarisch oder Rumänisch-Sprecher verfügt.

Denn nicht zuletzt in der Exportwirtschaft weiß man, daß das Englische als internationale Verständigungssprache häufig eine unzureichende „Krücke“ ist. Wer sich mit Handelspartnern in deren Muttersprache unterhalten kann, genießt nicht zu unterschätzende Wettbewerbsvorteile.

Deutschland als Land der Mitte, in dem das Erlernen anderer Sprachen traditionell große Bedeutung hat und in das seit Jahrzehnten Landsleute aus allen Teilen des Kontinents aussiedeln, hat für diesen Wettbewerb eigentlich beste Voraussetzungen. Nur sollte man sie auch zu nutzen wissen.

Kontakt: Verein Deutsche Sprache, PF 104128, 44041 Dortmund, Tel.: 0231-7948520, Fax: 948521, Internetz: www.vds-ev.de