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15.09.01 Fremdsprachenunterricht: Esperanto der Slawen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. September 2001


Fremdsprachenunterricht:
Esperanto der Slawen
Spezialschulen und die Rolle des Deutschen im Ausland
von Petra Schirren

Zu den besonders wertvollen Pflänzchen der Fremdsprachenkultur in Deutschland zählen Schulen, in denen das Erlernen ostmitteleuropäischer Sprachen einen Schwerpunkt bildet.

ÄltereAusbildungsstätten wie das 1953 als Emigrantenschule gegründete Litauische Gymnasium in Lampertheim oder das Ungarische Gymnasium Kastl in Bayern stehen hier neben solchen, die nach dem Umbruch von 1989 aufgebaut wurden - etwa der deutsch-polnischen Goerdeler-Grundschule in Berlin, der deutsch-polnischen Europaschule Marie und Pierre Curie in Guben, der grenzüberschreitenden Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder oder dem Deutsch-Tschechischen Gymna-sium im sächsischen Pirna.

Im Umland von Pirna wird an einigen Schulen sogar bereits ab der dritten Klasse Tschechisch als sogenannte „Begegnungssprache“ angeboten, während auf der anderen Seite der Grenze tschechisch-deutsche Gymnasien in Reichenberg und Prag bestehen und in Tetschen und Aussig seit Jahren verstärkter Deutschunterricht möglich ist.

Sonst konzentrieren sich die von Bund und Ländern vorangetriebenen, unter Pädagogen aber nach wie vor umstrittenen Bemühungen um frühzeitigen Fremdsprachenunterricht vor allem aufs Englische.

Daneben soll im Südwesten Französisch eine gewisse Bedeutung bekommen: Ab dem nächsten Jahr will man entlang des Rheins an 400 badischen Grundschulen Französischunterricht einführen.

Dies allerdings unter dem irreführenden Leitsatz „Lerne die Sprache des Nachbarn!“, also des Elsaß, in dem jedoch ebenfalls Alemannen leben, die ihrerseits gegen den Pariser Zentralismus um die Bewahrung ihres deutschen Dialekts kämpfen müssen (nur etwa 8000 elässische Kinder, das sind vier Prozent, lernen gegenwärtig in bilingualen französisch-deutschen Grundschulklassen).

Die von der Stuttgarter Landesregierung und dem im Juni 1998 gegründeten „Sprachenrat Südlicher Oberrhein“ erdachten Pläne für Französisch an Grundschulen sind insbesondere bei Eltern umstritten (viele würden einen frühen Englischunterricht bevorzugen).

Auf mehr Zustimmung stoßen die 17 in Baden-Württemberg bislang angebotenen zweisprachigen Gymnasialklassen mit Englisch bzw. sieben bilingualen Klassen mit Französisch. Dort erfolgt der Unterricht auch in Fächern wie Geschichte, Erdkunde oder Biologie teilweise in der Fremdsprache.

Wenngleich es bei den Bemühungen um eine „bilinguale Zone“ am Oberrhein auch westlich der Grenze Fortschritte gibt und der Französisierung des Elsaß ein kleiner Kontrapunkt entgegengesetzt wird, ist das Interesse am Deutschen in In-nerfrankreich bezeichnenderweise stark rückläufig. Als erste Fremdsprache sackte es zwischen 1976 und 1996 an den Schulen von 16 auf elf Prozent ab, als zweite Fremdsprache von 36 auf 27 Prozent.

Ähnlich sieht es in den Vereinigten Staaten aus. Umfragen belegen allein für die Zeit von 1990 bis 1995 an 2772 Universitäten einen Rückgang um 28 Prozent, während gleichzeitig die Nachfrage nach Spanisch um 14 Prozent, nach Arabisch um 28 Prozent und nach Chinesisch um 36 Prozent zunahm. Nur das Russische hatte mit einem Rückgang um 45 Prozent noch ein größeres Minus als Deutsch.

Ganz anders steht es um Bedeutung und Ansehen der deutschen Sprache im östlichen Europa. Zwar ist die Vorkriegsfunktion als lingua franca verloren gegangen, aber eine gewisse Berechtigung hat die Rede des polnischen Schriftstellers Andrzej Szczypiorski von Deutsch als dem „Esperanto der slawischen Völker“ auch heute noch. Immerhin leben von weltweit rund 20 Millionen Menschen, die neben ihrer Muttersprache Deutsch lernen, zwei Drittel in Ostmittel- und Osteuropa sowie den GUS-Staaten.

Jeder zweite oder dritte Schüler in Polen, Tschechien, Ungarn und Georgien lernt Deutsch. In Ungarn und Tschechien ist die Bedeutung sogar größer als die des Englischen; und auch in Ländern wie Rumänien, Bulgarien, Kroatien oder Mazedonien genießt das Deutsche einen hohen Stellenwert.

Gewichtige politische, kulturelle und wirtschaftliche Gründe sprechen dafür, daß Deutsch seine starke Stellung als führende Fremsprache nach Englisch oder zusammen mit diesem im Osten des Kontinents auch langfristig behaupten kann.