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15.09.01 Von der Schlichtheit ostpreußischer Gutshäuser (Teil III/Schluß)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. September 2001


Der Vorzug des Zeitlosen
Von der Schlichtheit ostpreußischer Gutshäuser (Teil III/Schluß)
von Wulf Wagner

Friedrich der Große hat selber nicht für sich in Ostpreußen gebaut, so daß für die folgenden Jahrzehnte Ostpreußen nahezu unbeeinflußt von den königlichen Bauvorhaben blieb und das Rokoko in Ostpreußen so gut wie keine Verwendung gefunden hat. Nur wenige Bauten mit kleinen Dekorationen, die aber nirgends an zeitgenössische brandenburgische Beispiele heranreichen, sind bekannt, so zum Beispiel das Lehndorffsche Gutshaus in Statzen, ein eingeschossiger, neunachsiger Bau mit Mansarddach, Oberstube mit Schleppdach und gebogenen zierlichen Fensterüberdachungen sowie Rokokostukkaturen im Inneren. Aus dem Rokoko sind ansonsten Innendekorationen beispielsweise in Schloß Friedrichstein und Schlobitten überliefert. Ein wichtiger Neubau war das um 1760/66 errichtete, im Dachbereich nicht vollendete Schloß Metgethen bei Königsberg, das eine für ostpreußische Verhältnisse überaus reiche Rokoko-Innenausstattung aufwies.

Erst mit Arklitten (1783) wurde dann wieder ein größeres Schloß gebaut, nun schon im Stil des Frühklassizismus. Am Ende des 18. Jahrhunderts entstehen Ripkeim und Willkamm, das eine Haus ein zweigeschossiger klassizistischer Bau mit Walmdach, in der Grundform also die überlieferte Form, jedoch im Detail, so der eingezogenen Loggia der Gartenseite und den halbrunden Fenstern der Mittelrisalite neu, das andere, ein langgestreckter eingeschossiger Bau mit Mansarddach, war gerade wegen des Fehlens jeglichen Schmucks, auch ohne Oberstube und Giebel, ein in seiner Bescheidenheit wunderbares Beispiel des ostpreußischen Barocks. Der Klassizismus, wie wir ihn in Ripkeim sehen, blieb Ausnahme, vielleicht weil in Ostpreußen keine Rückkehr zur „Funktion“, zur Schmucklosigkeit, „notwendig“ war, hier hatte es so gut wie nie etwas anderes gegeben.

Nur geringfügig veränderten sich die Grundrisse in den folgenden Jahrzehnten bis hin zu jenen des 20. Jahrhunderts - sie blieben vor allem da dem sich wandelnden Leben anpaßbar, wo sie die Grundformen nicht überschritten, im Gegensatz zu den Bauten des späteren 19. Jahrhunderts, die Neues, sich bald Überlebendes einführten.

In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts herrschte dann wieder - wie zu Beginn des 18. Jahrhunderts - weitgehend jener eingeschossige Typ mit Knüppelwalmdach vor, siehe Bärwalde, Balga, Barronowen - nur hier und da durch kleine Verzierungen des Klassizismus verfeinert, so in Klein Kuglack. Diese Schlichtheit geht dann kurz in der Stilvielfalt des 19. Jahrhunderts auf, bis man im 20. Jahrhundert wieder zu jenen Formen zurückfindet.

Kehren wir zu den beiden Grundformen zurück. Sie wurden also in nur minimal abgewandelter Form zumindest seit dem 17. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert hinein und dann wieder im 20. Jahrhundert angewandt. Sie waren Ausdruck preußischen Wesens - hier preußisch verstanden als ostpreußisch. Während die Burgen des Deutschen Ordens noch in der großartigen Tradition der Gotik manche orientalischen Formen aufnahmen und in ihrer höchsten Vollendung einen schlichten, monumentalen, geschlossenen Baukörper schufen, fand das ostpreußische Gutshaus, das erst nach dem Ende der Ordenszeit sich langsam herausformte, zu einer ebenso geschlossenen Form, deren Ausdruck Sachlichkeit, Schlichtheit und Maß war. Selbst die großen Schlösser, die unmittelbar nach der Krönung errichtet wurden, sind trotz ihrer reichen Gestaltung niemals ins überschwenglich Verschwenderische gesteigert, sondern weisen immer wieder Elemente auf, die ihre Pracht zurücknehmen, so zum Beispiel bei Schlodien die Haustür ohne große Treppenanlage davor, bei Schlobitten der bewußte Kompromiß, den alten Bau mit zwei Eingängen statt einem großartig gestalteten in der Mittelachse beizubehalten, bei Friedrichstein, das so an die Kante eines Geländes gestellt wurde, daß zwar die Gartenseite eine gewaltige Front bildete, die Hofseite jedoch niedriger und damit weit weniger Pracht entfaltend gestaltet war. Diese für ihre Zeit riesigen Bauten wurden umgeben von jenen kleinen Häusern des Landadels, der auch durch das 19. Jahrhundert hindurch, als sich vor allem das aufstrebende, Güter kaufende Bürgertum manch großes Herrenhaus errichtete, in diesen Häusern wohnen blieb, wie Willkamm und Schettnienen. Am Ende birgt das ostpreußische Gutshaus das Einfache - und dies „verwahrt das Rätsel des Bleibenden und des Großen [...] Im Unscheinbaren des immer Selben verbirgt es seinen Segen.“