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29.09.01 Kollaboration, »Nazi-Gold« und andere Verleumdungen: Wann setzt ein Friedensvertrag dem ein Ende?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. September 2001


Zweiter Weltkrieg:
In der Endlosschleife
Kollaboration, »Nazi-Gold« und andere Verleumdungen: Wann setzt ein Friedensvertrag dem ein Ende?
von Fritjof Berg

In seinem Artikel „Der Schuß auf Tell“ (Das Ostpreußenblatt vom 9. Juni 2001, Seite 3) schildert R. G. Kerschhofer die dem Arsenal der psychologischen Kriegsführung entlehnten Methoden, mit denen einflußreiche Interessenvertretungen in den USA die Schweiz respektive Schweizer Banken wegen ihrer Handels-, Wirtschafts- und Devisengeschäfte mit Deutschland und der vorgeblich dadurch bewirkten Kriegsverlängerung zu „Entschädigungszahlungen“ in Höhe von 1,25 Milliarden US-Dollar gepreßt haben, die nun zur Verteilung kommen sollen.

Er deutet dabei an, daß nach diesen und den weiteren Vorläufermodellen Deutschland und Österreich alsbald auch andere Länder wie beispielsweise Spanien, Portugal und Schweden wegen gleichartiger Handelsbeziehungen, wie sie fünfzig Jahre „danach“ der Schweiz zum Verhängnis wurden, mit Ablaßzahlungen an der Reihe sein könnten. In der Tat enthielt der von der US-Regierung (!) in Auftrag gegebene, unter der Federführung des Staatsekretärs im US-Handelsministerium Eizenstat erstellte und Anfang Mai 1997 veröffentlichte Bericht über die Schweiz als „Hauptbankier des Nazi-Regimes“ die gleichgerichtete Anklage, auch andere ehemals neutrale Staaten, darunter Portugal, Schweden, Spanien und die Türkei, hätten durch ihre Kooperation mit Deutschland „hübsch profitiert“. Derselbe Eizenstat sollte bald darauf auch im Mittelpunkt der von der Bundesrepublik Deutschland verlangten milliardenschweren Zahlungen zugunsten von NS-Zwangsarbeitern stehen ...

Kerschhofer erwähnt die zentrale Rolle der (Schweizer) Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Gold- und Devisenhandel des Dritten Reiches und dabei die Tatsache, daß diese bis 1942 (!) von einem Amerikaner geleitet wurde, daß sie bis 1941 dem Handel zwischen Deutschland und den USA diente und Deutschland via BIZ über das in London gelagerte Gold der Tschechoslowakei verfügen konnte.

Hier eröffnet sich für „Vergangenheitsbewältiger“ wie aber auch für eine seriöse Geschichtsforschung ein schier endloses Feld, das bislang noch weitestgehend unerforscht geblieben ist und - auch im übertragenen Sinne! - im finstersten Dunkel liegt. Mit Blick hierauf und im zeitlichen Zusammenhang mit dem Eizenstat-Bericht spricht die angesehene „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in einem mit „Wissenskrieg“ überschriebenen Artikel vom 21. Mai 1997 von namentlich nicht genannten Briten, die „sogar zu den Profiteuren und Mittätern im von Hitler beherrschten Europa gehörten“, wie „jüngste Berichte über Nazigoldbestände in der Bank of England vermuten ließen“. „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der Komplizenschaft“, urteilt die Zeitung über hier „schemenhaft“ sichtbar werdende Konturen einer „unheimlichen Vereini- gung“ Europas „Im Schatten Hitlers“. Wurden auf bislang verheimlichten Katakombenwegen auch solche Merkwürdigkeiten finanziert und abgewickelt wie etwa die Übergabe einer ganzen Ladung Marinestoffe von Bord eines englischen Zerstörers in einen Hafen des nach 1940 zunächst nicht besetzten südlichen Teils von Frankreich an eine Abordnung deutscher Marineoffiziere in Zivil?

Tatsache ist jedenfalls, daß beispielsweise Großbritannien und Frankreich bei Kriegsbeginn Neutralitätsgarantien für die Schweiz abgegeben haben, gegen die die Schweiz allerdings Verwahrung einlegte, weil sie derlei „Garantien“ durch eine Kriegspartei als schädlich für ihre Unabhängigkeit ansah. Neutralitätsgarantien im übrigen, die die westlichen Alliierten nicht am Überfliegen von Schweizer Hoheitsgebiet hinderten, wenn dies dem Schutz ihrer Deutschland angreifenden Bomberverbände diente, bis hin zu den von Kerschhofer erwähnten Bombardierungen der nördlichen Schweiz. Bezweckten die westlichen Garantien etwa nur den ungestörten Bezug von Schweizer Käse und Uhren, oder galten sie nicht eher der Erhaltung der Schweiz als funktionsfähige Drehscheibe, nicht nur für die Vermittlung in humanitären Angelegenheiten zwischen den kriegführenden Staaten, sondern auch für Austauschmöglichkeiten zwischen ihnen in einem viel weitergehenden Sinne? Und für welchen ausschließlich eigenen Bedarf soll denn die Schweiz im November 1939 für die Dauer des Krieges 15 Schiffe mit einer damals beachtlichen Gesamttonnage von 115.000 Tonnen angemietet haben, deren Menge ganz offensichtlich weit über ihren überseeischen Güteraustausch vor Kriegsbeginn hinausging?

Nochmals: Hat es damals allein Geld-, Devisen- und Wirtschaftsgeschäfte zwischen „Neutralen“ wie der Schweiz oder Schweden und den kriegführenden Parteien gegeben, oder haben diese „Neutralen“ eventuell gar den Austausch von Waren und Gütern zwischen den Kriegführenden vermittelt, die sie - auch zur Kriegsführung gegeneinander! - voneinander erlangen konnten?

Als Göttinger Student hatte ich zu Beginn der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts das große Glück, in den Semesterferien als Werkstudent den mehr als kärglichen Lebensunterhalt für das jeweils nachfolgende Semester in einer me- tallverarbeitenden württembergischen Fabrik zu verdienen, die (bis 1945 gemeinsam mit ihrem Schwesterwerk in Chemnitz) auf dem Sektor der Maschinennadeln Weltspitzenprodukte für die gesamte Textilindustrie herstellte (und die sicherlich auch in ihrer sozialpolitischen Einstellung betrieblich wie außerbetrieblich Weltmaßstäbe vorzeigen konnte). Im August 1952, also in den Ferien nach dem Sommersemester 1952, feierte dieses Unternehmen sein 100jähriges Bestehen, das nach Kriegsschäden und umfangreichen Demontagen durch die Schaffenskraft seiner Mitarbeiter seine frühere Weltgeltung wiedererlangt hatte. In der zu diesem Ereignis herausgegebenen Jubiläumsschrift heißt es auf Seite 46: „Die Strick- und Wirkwarenindustrien der überseeischen Abnehmerländer kamen durch das plötzliche Ausbleiben der deutschen Qualitätsnadeln in eine verzweifelte Lage. Auf dem Wege über die Schweiz gelang es noch eine Zeitlang, die spanischen Kunden zu beliefern. Mit England wurden, trotz des Kriegszustandes, deutsche Strickmaschinennadeln gegen das kriegswichtige Kupfer getauscht. Sogar dem Handels-U-Boot des Kapitäns König wurden deutsche Nadeln für die damals noch neutralen Vereinigten Staaten anvertraut, die allerdings niemals ihr Ziel erreichten. Als aber der Ring um Deutschland sich enger schloß, hörten alle diese Wege auf.“

Die Jubiläumsschrift bezieht diese Aussage ausdrücklich nur auf die Zeit des Ersten Weltkrieges, in ihr lassen sich keine vergleichbaren Hinweise für den Zweiten Weltkrieg finden. Am Sitz der Maschinennadelfabrik gab es noch andere metallverarbeitende Betriebe, die Stahlerzeugnisse mit dem begehrten schwäbischen Gütezeichen herstellten. Damals, zu Beginn der 50er Jahre, als die Erinnerung an den Krieg und die soeben zu Ende gegangene französische Besatzungszeit noch hellwach waren, wurde im Städtchen gemunkelt, im Kriege seien von dort via Schweiz Stahlfertigwaren an die Feindmächte und von diesen Zündhütchen (die aus dem Mangelmetall Kupfer bestanden und bekanntlich zum Abfeuern von Explosivgeschossen benötigt werden!) an Deutschland geliefert worden.

Wenn wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich immer noch für Zahlungsansprüche gegen Staaten und Völker frei nach Wahl herhalten muß, so belegt dies nur ein weiteres Mal, wie wichtig für die in den Zweiten Weltkrieg verwickelte Staatenwelt der Abschluß eines förmlichen Friedensvertrages, der bislang aussteht, ist. Ein solcher Vertrag würde zwar nicht die (nunmehr freie) geschichtliche Erforschung des Vorgangs verhindern, der zum Nachteil der Adressaten von Forderungen in Dunkel und Schweigen gehüllt ist. Er würde aber einer fortlaufend weiterwirkenden Vergiftung der zwischenstaatlichen Beziehungen und des friedvollen Umgangs der einst am Kriegsgeschehen beteiligten Völker miteinander durch zwangsläufig einseitige Publikationen eines Hauptbeteiligten, der zugleich Hauptsiegermacht ist, entgegenstehen. Zwar wären Institutionen wie „claims conferences“ nicht Partner eines solchen Vertrages. Gleichwohl würde er dem Trachten nach immer neuen Kontributionen den Boden entziehen. Dient der Nichtabschluß eines Friedensvertrages etwa auch dem Zweck, diesem Treiben weiterhin Tür und Tor offenzuhalten? Solange dieses Treiben aber weitergeht, muß endlich einmal auch die Frage erlaubt sein, wer all jenen Völkerschaften eine Stimme leiht, die z. B. innerhalb des britischen Empire Rohstoffe wie Baumwolle, Kupfer, Kautschuk oder etwa Reis unter zumeist doch wohl erbärmlicheren Bedingungen erschuftet haben, nicht zuletzt für die Kriegsführung der Westmächte?

Die Schweiz am Pranger: US-Staatssekretär Stuart Eizenstat erläutert anhand von Schautafeln im Mai 1997 in Washington die angeblich enge Verquickung eidgenössischer Banken mit dem Dritten Reich. Schweizer Banken zahlten, um der anschließenden Kampagne zu entgehen, Milliardensummen. Foto: dpa