28.03.2024

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29.09.01 Lewe Landslied und Freunde unserer Ostpreußischen Familie ...

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. September 2001


Lewe Landslied
und Freunde unserer Ostpreußischen Familie,

rollen wir einmal wieder ein typisch ostpreußisches Familien-Wunderknäuel ab. Viele, viele Leserinnen und Leser haben dazu beigetragen, Faden für Faden mit kleinen und auch größeren Überraschungspäckchen geknüpft. Und nun wollen wir sie auspacken.

Zuerst geht es um die Schmand­bonbons - das sind für mich jene Zuschriften, die von einem Wiederfinden berichten. Von dem Aufspüren eines lange gesuchten, lieben Menschen, von dem es seit Jahrzehnten kein Lebenszeichen gab. Ja, auch das hat unsere Ostpreußische Familie wieder möglich gemacht.

Lassen wir da Hilde Pleyn aus Bremen selber berichten: „Voller Freude kann ich Ihnen mitteilen, daß schon kurz nach der Veröffentlichung mein Suchwunsch in Erfüllung gegangen ist, kaum zu glauben. Gestern rief mich meine Christine an, das war sehr bewegend, sie wohnt ganz in der Nähe von Bremen! Wir haben lange telefoniert und ein baldiges Treffen verabredet. Es gibt ja so viel zu erzählen. So ist ein großer Herzenswunsch in Erfüllung gegangen, und ich habe mein „Lagerschwesterchen“ wiedergefunden - und so schnell!“ Zur Erinnerung: Frau Pleyn suchte Christine Roesky, mit der sie zusammen die Schulbank im Körte-Oberlyzeum in Königsberg drückte. 1944 waren beide im Rahmen der Kinderlandverschickung in einem Lager im Erzgebirge, nach dessen Auflösung die Kinder in Gastfamilien kamen. Frau Pleyn vermutete ihr „Lagerschwesterchen“ in Berlin - in Wirklichkeit lebten sie beide nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Das Wiedersehen hat inzwischen stattgefunden - gerne wäre ich dabei Mäuschen gewesen.

Ähnliches kann Erna Pistorius berichten, die sich seit Jahrzehnten bemüht, ehemaligen Schülerinnen und Schüler aus ihrem masurischen Heimatdorf Kneipern zu finden - mit Erfolg, wie gut besuchte Schultreffen beweisen. Aber eine fehlte immer noch: Inge Erdmann. Frau Pistorius ist noch im Besitz eines Briefes aus dem Jahr 1947, der als Adressatin Inge Erdmann in Dessau-Roßlau aufweist. Also hatte sich die Gesuchte nach dem Krieg in der damaligen russischen Zone aufgehalten. Das bestätigte auch eine 1969 von Lehrer Erdmann geschriebene Karte aus Gardelegen. Aber alles Suchen verlief im Sande. Bis in diesem Jahr, aber auch erst ein paar Monate nach der Veröffentlichung. Und wie das Auffinden zustande kam, ist mal wieder „echt Ostpreußische Familie!“ Einer Leserin fiel beim Besuch des Friedhofs in Gardelegen ein Grabstein mit dem Namen „Erdmann“ auf. Erdmann, Erdmann ... nach diesem Namen war doch im Ostpreußenblatt gesucht worden. Sie verfolgte weiter die Spur, und mit ihrer Hilfe fand Frau Pistorius die gänzlich überraschte Inge Erdmann, die überhaupt nicht ahnte, daß sie schon seit Jahrzehnten gesucht wurde. Ja, Das Ostpreußenblatt muß man lesen!

Eva Henze suchte ehemalige Bewohner von Schnakeinen, die ihre dort lebenden Verwandten gut gekannt hatten. Zuerst tat sich nichts, aber dann ... Lesen wir, was Frau Henze schreibt: „... bekam ich Post von Frau Grützbach, der Tochter des damaligen Bürgermeisters und Gutsbesitzers von Schnakeinen. Sie teilte mir mit, daß die Angehörigen der älteren Generation alle verstorben seien und von der jüngeren jede Spur fehle. Das bestätigte auch Frau Hauff, die eine gute Bekannte von meinen Verwandten gewesen war. Wir haben lange am Telefon über Schnakeinen gesprochen, das war eine große Freude für mich. Frau Hauff schickte mir auch Fotos vom alten und vom jetzigen Schnakeinen ... Ein Foto zeigt meine Tante Martha in ihren Jugendjahren. Auf einem Klassenfoto sind meine damaligen Spielgefährten Erhard Hennig und Ernst Bechert drauf. Frau Hauff hat sich soviel Mühe gegeben - eine echte Ostpreußin, die helfen, wo sie können!“ Das trifft auch für Gerda Richter zu, die den Wunsch von Gertrud Bischof nach Berichten über die Leidenszeit in der Kolchose Brakupönen erfüllen konnte. Authentischer geht es nicht mehr, denn Frau Richters Eltern haben sie durchlitten, und ihre Mutter, Anna Domenus, hatte das schlimme Geschehen bereits 1967 in einer Niederschrift festgehalten. Gerda Richter sandte Frau Bischof eine Kopie dieser Dokumentation zu. Damit bestätigt sich Frau Bischofs Erfahrung, denn sie hat bisher immer großen Erfolg gehabt, wenn sie unsere Ostpreußische Familie bemühte. Wenn noch weitere Zuschriften kommen, werde ich natürlich darüber berichten.

Fast 60 Jahre hat Gertrud Janko-Stromberg aus Neuenrade einige Gedichte aufgehoben, die ihr 1942 ein Verwundeter im Lazarett Güstrow übergeben hatte. Helmut Ehrich hatte sie in Rußland geschrieben, aber auch einige im Lazarett. Und eines hatte er Schwester Gertrud gewidmet, also der Frau, die seine Gedichte bis heute bewahrt hat und diese nun ihm oder seinen Angehörigen übergeben wollte. Ja aber: Sie wußte nur, daß Helmut Ehrich aus Ostpreußen stammte, mehr nicht. Das Wunder geschah: Es meldete sich Lothar Dublaski, der Schwager von Helmut Ehrich, bei mir und bei Frau Janko-Stromberg, und für diese legte er noch ein altes Foto seines Schwagers bei. Tatsächlich stammte Helmut Ehrich aus dem Samland. Leider sind er und seine Frau schon verstorben, aber die Tochter lebt noch und ausgerechnet in der Patenstadt von Neuenrade, in Klingenthal. Frau Janko-Stromberg konnte das zuerst nicht fassen. Dieser Tochter konnte ich nun die Gedichte ihres Vaters übermitteln. Es lagen viele Verwundete aus Ostpreußen in dem Res. Lazarett Inselsee in Güstrow, in dem die damalige Gertrud Stromberg leitende Schwester war. Und so hat sie einen neuen Wunsch: Sie sucht Gert Hein aus Lyck, der sich 1942 dort befand. Sein Vater soll Lehrer in Lyck gewesen sein. Ich hoffe mit ihr, daß sie wieder Erfolg hat. (Gertrud Janko-Stromberg, Wemensiegen 34 in 58809 Neuenrade.)

Güstrow damals - Güstrow heute: Beim Heimattreffen der Angerburger trat Horst Schubert an mich heran und teilte mir das Ergebnis einer länger zurückliegenden Sammelaktion mit, das wirklich erstaunlich ist. Auf seine Bitte nach gebrauchten Hörgeräten und Brillen für Bedürftige in Lötzen kamen 17 Hörgeräte im Gebrauchswert von 25.000 DM zusammen! Dazu 50 Brillen und Gläser - selbst die Putztücher wurden nicht vergessen! Aus Lötzen kam ein ganz großes Dankeschön an alle Spender!

Hilfsbereitschaft, Spontaneität und Herzlichkeit - so beschreibt Ehrentraud Stierle die Haupteigenschaften unserer Ostpreußischen Familie. Und die bekam sie über vierzigmal zu spüren, denn so viele Zuschriften erhielt sie auf ihre drei Wünsche nach dem „Kunterchen, der Fibel und der Roggenmuhm“.

Sofort nach der Veröffentlichung rief bei ihr ein Leser an und sagte ihr - mit schönster Betonung - das Gedicht von der Roggenmuhme auf. Und dann ging es munter weiter, telefonisch und postalisch. „Es ergaben sich vielerlei Kontakte, ich fühlte mich so getragen von unseren ostpreußischen Menschen“. Frau Stierle hat sich bei allen Anrufern und Schreibern persönlich bedankt - bis auf eine Ausnahme. Denn auf der Karte mit einem Holzschnitt von Ernst von Dombrowski (Mädchenkopf) auf der Vorderseite und dem Gedicht von der Roggenmuhme war kein Absender vermerkt, lediglich die schwer zu entziffernden Initialen A. M. So möchte Frau Stierle dem oder der Unbekannten auf diese Weise Dank sagen mit den Worten: „Freude auch über diese Karte.“

„Welchen Jubel, welche Freude ...“ bringt nicht nur die liebe Weihnachtszeit, sondern die brachte auch dieser Sommer für Christel Borrmann, die das Gedicht suchte. Denn rund 50 Briefe und viele Anrufe waren der Erfolg. Im Kreis ihrer Frauenhilfe hatten zwar Mitglieder das Lied gekannt, aber keiner konnte es mit vollem Text singen, selbst der frühere Pastor mußte passen. Frau Borrmann schreibt: „Meine Nachbarin und ich haben uns ganz mächtig gefreut. Am 28. August kam der Briefträger mit einem Packen Briefe und fragte mich, ob ich Geburtstag habe, es waren 19 Briefe!“ Bei einigen Schreibern hat sich Frau Borrmann schriftlich bedankt, so bei einer 92jährigen Leserin, aber allen kann sie nicht persönlich schreiben und bittet mich deshalb, ihren Dank zu übermitteln. Was ich gerne tue, und ich schließe mich dem Dankeschön an, denn auch ich bekam das Gedicht zugesandt und habe es auch schon weitergeben können. Ein besonderer Gruß geht an den „37jährigen Ostpreußenfreund“, der das Lied von einer alten Langspielplatte abschrieb. Diese Platte mit vielen ostpreußischen Liedern hat einen Ehrenplatz bei ihm. Gesungen werden sie von dem Sänger Herdin - wer weiß etwas über ihn?

Auch Wally Striewski hatte auf ihrer Suche nach dem Lied „Geh heim, mein Kind, geh heim ...“ großen Erfolg. Sie nennt zwar keine Zahl, aber sie schreibt, daß sie von den vie­len Briefen überwältigt war. Lange Jahre suchte sie nach dem Lied, immer vergeblich - erst jetzt wurde ihr der Wunsch durch unsere Ostpreußische Familie erfüllt. Es zählt im wahrsten Sinne des Wortes zu den gefühlvollen „Küchenliedern“, denn wie Hedwig Böhm - eine echte ostpreußische Marjell aus Wittschen, Kreis Tilsit-Ragnit - schreibt, hat ihre Mutter am Herd, wenn sie Milchsuppe kochte, das Lied immer gesungen. Solch nette Erinnerungen sind die kleinen Bonbons in unserm Wunderknäuel.

Das wir weiter aufrollen, auch an langen Fäden, denn viele Zuschriften zu manchen inzwischen erfüllten Wünschen kommen noch nachgezagelt. Wie zur „Kartoffelwurst“ und zum „Kutscherfladen“. Nun habe ich genug leckere Rezepte zusammen, um damit eine kleine, kulinarische „Extra-Familie“ zu starten. - Auch das Katzenliedchen fand noch eine weitere Zuschrift, die mit der Fassung von Edith Gleise, die es suchte, fast identisch ist, denn ihre Mutter stammt wie die Schreiberin, Marianne Bollak, aus dem Samland. - „Das Bernsteinzimmer und keine Ende“ schreibt Charlotte Harms, und damit hat sie recht. Denn für sie blieb die Besichtigung im Königsberger Schloß unvergessen, weil sie - die Hände in einem schwarzen Muff vergraben - auf einer gefrorenen Pfütze im Schloßhof ausrutschte und auf den „Dubs“ fiel. Auch Gerhard Mannke übersandte noch eine Erinnerung an das Bernsteinzimmer, das er allerdings an einem trüben Novembertag besichtigt. So war auch sein Eindruck getrübt, denn er empfand damals die Bernsteinwände in dem niedrigen Raum im sogenannten Schlüterbau glanzlos, einige Flächen waren mit hellbrauner Pappe ausgefüllt, da die Spiegel fehlten. Es muß aber doch am grauen Novemberwetter gelegen haben, denn Ilsegret Böhm hat ihren Eindruck anders in Erinnerung, als sie 1942 mit ihrer Oberprima aus Lötzen nach Königsberg fuhr: „Der Raum hatte eine warme, sonnige Atmosphäre. Anders als jetzt in Puschkin. Ich empfinde dort die Wände viel unruhiger, weil die neuen Bernsteinstücke blank und sehr verschiedenfarbig sind.“ Frau Böhm schreibt auch noch einige Zeilen zu dem Spiel „Die Reise nach Jerusalem“. Die Vermutung, daß es sich ursprünglich um ein Labyrinth handelte, verstärkte sich bei ihr zur Gewißheit, als sie einen Fernsehfilm über französische Dome sah. Dort wurde ein gefliester Fußboden gezeigt, der ein Labyrinth darstellte. Wer es durchschritt, dem wurden die Sünden vergeben. Es hieß „Jerusalem“. - Noch einmal ein Dankeschön von Lieselotte Grabowski aus Eckernförde mit der Mitteilung, daß jetzt weitere Ostpreußen „Kaschlan“ spielen können, denn die Nachfragen nach dem Kartenspiel übertrafen die Zusendungen mit den Spielregeln.

Ach ja, und dann die Rasemucken oder besser gesagt „Rosmucken“. Ich bekam die Frage von einem hessischen Arzt gestellt, dessen Ehefrau aus Gumbinnen stammt und der bei den gemeinsamen Ostpreußenbesuchen stets in Rauterskirch Sprechstunde für die medizinisch so schlecht versorgte Bevölkerung hält! Er fragte nach dieser mir unbekannten Bezeichnung für - Sommersprossen. Ich setzte sie in Verbindung zu den „Rasemucken“, den Spukgeisterchen im Volksglauben unserer Heimat, aber da hatte ich mich geirrt. Unsere heute in Schwaben lebenden Landsleute teilten mir in vielen Briefen mit, daß dort der Ausdruck „Roßmucken“ noch heute die gebräuchliche Bezeichnung für Sommersprossen ist. Die interessanteste Zuschrift kam von Hannelore Robertz-Melzer, die dieses Wort mit einem Auszug aus dem „Schwäbischen Diktionärle“ erklärte: Roß kommt von rot = Rost. Es stammt also nicht vom „Roß“, wie einige Einsender vermuteten. Und „Mock = Muck“? Das Wort findet sich ja vielseitig in unserem Sprachgebrauch - man sagt „keinen Mucks“, man „muckt nicht auf“, man ist „mucksmäuschenstill“ - , und schließlich muß man an das Märchen vom „kleinen Muck“ von Wilhelm Hauff denken, und der war ja auch Schwabe. Wahrscheinlich ist der Ausdruck „Rasemock“ für Sommersprossen mit süddeutschen Siedlern nach Ostpreußen gekommen und hat sich dort bis in unsere Zeit gehalten. Dank allen Schreibern für die informativen Mitteilungen zu dieser kleinen Sprachkunde - macht Spaß wie die kleinen hüpfenden Rasemocken auf einer sommersprossigen Kindernase.

Bei Büchern ist zu melden, daß - kaum daß der Wunsch von Gerda Janzen nach dem Buch von Siegfried von Vegesack „Der letzte Akt“ erschienen war - sich Herr Prof. Dr. Reinhard Müller, ein großer Freund unserer Heimat, meldete und das Buch übersandte. Ein schneller Erfolg, der mit sehr viel Dank aufgenommen wurde. - Und ebenso prompt wurde der Wunsch von Helga Pundt erfüllt: Kaum hatte ich ihre Bitte nach dem Buch „Ostpreußen du weites Land“ von Jochen Kehrl veröffentlicht, da erhielt ich schon von ihr die freudige Nachricht: „Ich habe das Büchlein bereits in den Händen!“ Dabei dürfte es nicht viele Exemplare von dem längst vergriffenen Bändchen mit den lustigen Geschichten, die ein Assessor des Landratsamtes Wehlau erlebte, geben.

Mein Wunderknäuel ist noch lange nicht bis zum letzten Faden aufgerollt. Für alle, die solch ein Wunderknäuel nicht mehr kennen: Wolle zum Stricken oder Häkeln wurde aufgerollt und in gewissen Abständen manch kleine Überraschung wie Bonbons, kleine Schokoladentäfelchen, bunte Bildchen und Kinderschmuck mit eingewickelt. Wenn man fleißig war, kam man auch schnell zu den Überraschungen. Innen wartete ja bekanntlich immer das schönste Geschenk, und es könnte sein, daß auch wir eines in unserem symbolischen Wunderknäuel finden. Doch darüber mehr, wenn es soweit ist.

Für heute möchte ich mit einem Satz aus dem Brief von Frau Stierle schließen: „Wir waren sofort eine Familie, man war plötzlich nicht mehr allein!“ Damit wird bestätigt, daß wir noch immer - und vielleicht heute noch viel stärker - die Aufgabe erfüllen, die einmal vor 29 Jahren zur Schaffung unserer Ostpreußischen Familie führte. Sie stand unter dem Tenor: „Du sollst nicht mehr allein sein!“

Eure

Ruth Geede