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20.10.01 Oder-Neiße: Die geteilten Städte zwischen Usedom und Zittau suchen nach einer gemeinsamen Zukunft (Schluß)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Oktober 2001


Oder-Neiße:
»... was zusammengehört«
Die geteilten Städte zwischen Usedom und Zittau suchen nach einer gemeinsamen Zukunft (Schluß)

Forst

Der östliche Teil der an dem be-deutenden Autobahn-Grenzübergang gelegenen Stadt Forst ist Skuren und zählt gerade 130 Einwohner. Das zu Skuren gehörende frühere Villenviertel Berge ist unbewohnt und verfallen. Partnerschaftliche Kontakte zu Skuren führen für Forst zwangsläufig über die zehn Kilometer entfernte Kleinstadt Pförten, mit der ein Partnerschaftsverhältnis insbesondere im Schul- und Kirchenbereich unterhalten wird. Eine in den Anfangsjahren in Forst spürbare Reserviertheit ist spätestens am 9. Mai 1997 gewichen, als die Forster Stadtverwaltung der polnischen Seite den Bau einer neuen Brücke innerhalb von Forst vor-schlug und die überwiegende Finanzierung über das INTERREG-II-Programm der EU anbot. Der Grenzübergang würde nicht nur den Austausch zwischen Forst und Skuren/Pförten fördern, sondern auch an das frühere Reichsstraßenstück Cottbus-Forst-Grünberg anknüpfen und das Niederlausitzer Hinterland erschließen. Eine andere diskutierte Kooperationsmöglichkeit ist der Anschluß von Skuren an die Forster Kläranlage. Weniger ausgereift sind deutsche Überlegungen, Berge wiederzuerrichten.

Bad Muskau

Verbindendes Element Bad Muskaus mit dem östlichen Stadtteil Lugknitz ist der von Fürst Pückler-Muskau geschaffene große Landschaftspark. Ein Partnerschaftsvertrag zwischen den Nachbarstädten sowie der benachbarten deutschen Gemeinde Krauschwitz kam allerdings erst am 13. Januar 1995 zustande. Der Stadtentwick- lungsplan von Lugknitz empfahl die Einrichtung einer Linienbusverbindung nach Bad Muskau, eines neuen Zollterminals und Grenzübergangs in Krauschwitz, um den durch den Lugknitzer „Polenmarkt“ stets überforderten Grenzübergang zu entlasten.

Zittau

Mit ihrem östlichen Stadtteil Großporitsch ist die sächsische Stadt Zittau seit 1976 indirekt im Rahmen einer Städtepartnerschaft mit Reichenau verbunden, die nach 1989 fortgeführt wurde. Während die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Sport und Kirche zur Zufriedenheit beider Seiten funktioniert, hat die nicht gelingen wollende Abstimmung im Infrastruktur- und Wirt-schaftsbereich die Kontakte bei-der Seiten in den vergangenen Jahren schwer belastet. Haupt-problem war die Weigerung der polnischen Seite, ein Teilstück der Schnellstraße von Zittau über Großporitsch nach Grottau im Sudetenland mitzutragen, obwohl aus Zittau eine großzügige Kostenbeteiligung angeboten wurde.

Küstrin

Dennoch ist andernorts ein noch geringeres Maß an Gemeinsamkeiten zu konstatieren, etwa in den Beziehungen zwischen Küstrin und dem deutsch verbliebenen Stadtteil Küstrin-Kietz. Die prosperierende polnische Grenzstadt hat lange kein Interesse erkennen lassen, mit der nur 1.000 Einwohner zählenden west-lichen Teilstadt in partnerschaftliche Verhältnisse einzutreten. Verhandlungen, die Küstrin-Kietz tangiert hätten, wurden immer mit dem übergeordneten Amt Golzow geführt; so über den Bau einer gemeinsamen Kläranlage, einer Umgehungsstraße, von Brücken sowie neuen Grenzabfertigungsan lagen. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe versprach schließlich die Gründung eines deutsch-polnischen Kindergartens in Küstrin-Kietz. Auch die gemeinsame Rekultivierung der bis 1991 von Truppen der GUS genutzten Oderinsel Küstrin-Altstadt in ein Wohn-, Dienstleistungs- und Gewerbegebiet bietet Aussicht auf Kooperation in der geteilten neumärkischen Hauptstadt.

Gemeinden

Obwohl 1945 allein entlang des Flußverlaufs der Demarkationslinie 37 Landgemeinden geteilt wurden, haben diese bisher nur in wenigen Fällen zu partner-schaftlichen Kontakten mit ihrem jeweiligen Nachbarn zusammengefunden. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen besteht kein Zwang zur Kontaktaufnahme, da diese Kommunen keine übergeordnete verkehrsmäßige oder wirtschaftliche Bedeutung haben. Zudem fehlt eine Lobby mit Sprachkenntnissen, die einem Austausch etwas abgewinnen und diesen begründen oder tragen könnte; zu häufig dominiert Desinteresse und Indifferenz. Ein anderer Grund ist sehr banal: Im Regelfall fehlt es an einer Brücke, die den Besuch der direkten Nachbarn nicht zu einer umständlichen Reise über die nächstgrößere Stadt werden ließe. So ist immerhin geplant, die Dörfer Güstebiese und Güstebieser Loose (bei Bad Freienwalde) mit einer Fähre zu verbinden.

Positive Ansätze zeigen sich in Gartz/Oder, das eine Städtepart-nerschaft mit der nahe gelegenen, wenn auch nicht benachbarten Stadt Greifenhagen unterhält und mit dem Partner die „Deutsch-Polnischen Musiktage“ veran-staltet. In Gartz gibt es außerdem ein deutsch-polnisches Gymnasium. Die Stadt Schwedt kooperiert ebenfalls mit Greifenhagen sowie mit dem nahen Königsberg/Neumark, der Partnerstadt von Bad Freienwalde (Oder), im Bereich des von der Landesregierung finanzierten Lehreraustausches. Die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt veranstalten ferner die „Polnischen Wochen“. Das geteilte Ostritz zwischen Görlitz und Zittau arbeitet mit Reichenau zusammen. Im Norden gab es zu Beginn der neunziger Jahre Über-legungen, die polnischen Ge- meinden am Stettiner Haff mit den Kommunen des Landkreises Uecke Randow in einem Verbund zusammenzuführen. Auf polnische Initiative wurde ein Mantelvertrag vorgelegt, der vor allem den Austausch von Institutionen und die Zusammenarbeit im Bereich des Fremdenverkehrs und Wassersports sowie der infrastruktu-rellen Entwicklung der Region und den gemeinsamen Schutz des Oderhaffs herausstellte. Im Gespräch war auch ein internationaler Rad- und Wanderweg „Rund um’s Oder-Haff“ mit Aussicht auf europäische Unterstüt-zung. In beiderseitigem Einverständnis ist der Vertrag dann zurückgestellt worden.

Ein Beispiel für eine bewährte Partnerschaft am Stettiner Haff ist die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Altwarp und der Stadt Neuwarp, die sich am nördlichen Ausgang des Neuwarper Sees, der durch die Grenze geteilt wird, gegenüberliegen. Seit 1995 verbindet eine Fähre beide Orte. Altwarps Einwohner sind zu 70 Prozent vertriebene Neuwarper. Für die Gemeinden an Oder und Neiße sei exemplarisch auf die beachtliche, wenn auch nicht vertraglich vereinbarte Partnerschaft zwischen den gegenüberliegenden Orten Hohensaaten (Amt Oderberg) und Niederwutzen sowie der Kleinstadt Zehden hingewiesen. So nahmen 1996 polnische Gemeindeabgeordnete an einer Sitzung des Hohensaatener Rats teil, 1997 erfolgte ein Gegenbesuch. Ende Juni 1996 organisierten die Gemeinden ein deutsch-polnisches Volksfest. Im Rahmen eines Austauschprogramms unterrichtet eine polnische Gastlehrerin die polnische Sprache als fakultatives Fach in Hohensaaten, während nach Zehden, das eine Partnerschaft mit dem benachbarten Lunow pflegt, ein Deutschlehrer entsandt ist. Zwischen den Dörfern Neurüdnitz und Alt Rüdnitz bestehen informelle Kontakte der Feuerwehren, die von vertriebenen Alt Rüdnitzern angeregt wurden.

Perspektiven

Wie kann auf dem Weg zur Wiedervereinigung der Städte fortgefahren werden? Neue Ansätze könnten zum Beispiel in einem Ausbau der „Eurostädte“ zu Zonen mit wirtschaftlichen Sonderbedingungen auszumachen sein, die andere geographisch benachteiligte europäische Kommunen wie Mittelberg (Vorarlberg) und Jungholz (Tirol), die in der Schweiz gelegenen Exklaven Büsingen und Campione d' Italia, das belgische Baarle-Hertog in den Niederlanden oder das spanische Llivia in Frankreich vor schwerwiegenden Folgen ihrer Randlage bewahrten. Langfristig wären auch folgende Maßnahmen den „Eurostädten“ förderlich:

Im Interesse einer Harmonisie-rung der wirtschaftlichen Beziehungen könnte es zweckmäßig sein, die „Eurostädte“ an das indirekte deutsche Steuersystem anzubinden. In Mittelberg und Jungholz trug eine analoge Regelung maßgeblich zur ökonomi-schen Überlebensfähigkeit bei. In bestimmten Bereichen wie der Umsatz-, Tabak-, Spirituosen- und Mineralölsteuer könnten die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsvorschriften angepaßt werden. Daneben wäre es vorteilhaft, wenn die polnische Regierung den mit gewöhnlichen Grenzgängern nicht vergleichbaren besonderen finanziellen Belastungen der Einwohner von Frankfurt-Dammvorstadt, Ost-Guben und Görlitz- Moys, die zum Teil in der Bundesrepublik einkaufen und die dort höheren Lebenshaltungskosten zu tragen haben, durch steuerliche Vergünstigungen (z. B. Freibeträge) Rechnung trüge. Kapitalanlegern sollten in den „Eurostädten“ Sonderbedingungen eingeräumt werden. Wünschenswert wäre es auch, wenn sich Warschau oder gegebenenfalls eine Regionalregierung zur Gewährung eines Schulgeldes bereitfände. Besucht ein polnischer Schüler beispielsweise das West-Gubener Gymnasium, ist er mit deutlich höheren Ausgaben für Lehrmittel konfrontiert als ein gewöhnlicher Schüler in Polen.

Im Interesse einer weiteren institutionellen Integration sollten Entscheidungen in bestimmten Bereichen zukünftig nur noch in gemeinsamen Gremien gefaßt werden, etwa durch einen gemäß den Bevölkerungsanteilen zu-sammengesetzten „Eurostadt-Rat“. Zu diesen Bereichen könnte u. a. die Gewerbeplanung gehö-ren, damit der wirtschaftliche Standortvorteil der „Eurostädte“ - deutsches Wissen und polnische Lohnkosten - wirksam vermarktet werden kann. Ein weiteres potentielles Handlungsfeld ist Kultur- und Schulpolitik. Als Fortentwicklung der bisherigen Koordinierungsausschüsse wäre ein „Dezernentenrat“ ohne exekutive Befugnisse einzurichten, der die Handlungsfelder Schulen, Soziales, Gesundheit, Fremdenverkehr, Verkehr, Umwelt, Wasserwege und Stadtentwicklung berät. All dies sind Schritte, die dazu beitragen könnten, daß sich die Oder-Neiße-Grenze durch Überwölbung auflöst wie ein Stück Zucker im Tee. 

 

Die großen Gesten der Politik, hier Bundeskanzler Schröder mit dem polnischen Premier Busek, bleiben oft ohne Ergebnisse:1998 erfolgte die Proklamation der schlesischen Stadt Görlitz zur „Europastadt“. Doch was so breit angelegt in Szene gesetzt wurde, beschränkte sich auf die bloße Beschwörung einer altbekannten Vision von „europäischer Zukunft“. Selbst naheliegende wirtschaftliche Möglichkeiten werden selten genutzt, womit die durch die Teilung ohnehin geschwächte Region noch weiter verkommt. Foto: dpa