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27.10.01 Der Kaschmir-Konflikt könnte urplötzlich den Subkontinent entflammen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Oktober 2001


Zwischen allen Fronten der Region
Der Kaschmir-Konflikt könnte urplötzlich den Subkontinent entflammen
von Jan Heitmann

Kaschmir ist ein ehemals selbständiger Staat, der in den Gebirgsketten des Himalaja liegt. Sein Wirtschafts- und Bevölkerungszentrum liegt vor allem in der schmalen Flußzone und in dem zwischen dem Vorder- und Hohen Himalaja gelegenen Tal. Dieses Gebiet wird intensiv für die Landwirtschaft genutzt. Außerdem gibt es Sonderkulturen in schwimmenden Gärten auf den Seen und in größeren Höhen Almwirtschaft. Nennenswerter Wirtschaftszweig des Landes ist eine bedeutende Wollindustrie, die mit einer intensiven Schafhaltung einhergeht.

Nach einer wechselvollen Geschichte unter verschiedenen Herrschern ist Kaschmir seit über 50 Jahren einer der wichtigsten Konfliktherde auf dem Subkontinent. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter britischer Kolonialherrschaft, wurde Kaschmir 1947 im Zuge der Teilung Britisch Indiens zwischen der Indischen Union und Pakistan aufgeteilt. Der dadurch entstandene Konflikt zwischen den Nachbarn sollte für die folgenden Jahrzehnte die politische und militärische Lage in der Region bestimmen und das Verhältnis beider Staaten bis heute belasten. Kaschmir grenzt sowohl an Indien wie auch an Pakistan. Da die Mehrheit der Bevölkerung mohammedanischen Glaubens ist, erwartete Pakistan den Anschluß ganz Kaschmirs. Einige Mahara-dschas aber hatten ihre Territorien noch nicht einem der beiden Staaten anschließen wollen. Sie wollten zunächst die weitere Entwicklung abwarten. So auch der Maharadscha von Kaschmir, der sich nicht an das Schicksal Pakistans binden wollte. Daraufhin fielen Stammeskrieger aus Pakistan in Kaschmir ein und besetzten Teile des Landes. In dieser Lage bat der Maharadscha Indien um Hilfe und verkündete gleichzeitig den Beitritt seines Landes zur Indischen Union. Nun vertrieben indische Streitkräfte die pakistanischen Truppen aus dem Kaschmir-Tal und besetzten ihrerseits das Gebiet. Um sich den dauerhaften Besitz Kaschmirs zu sichern, rief Indien den UN-Sicherheitsrat an, der 1949 einen Waffenstillstand vermittelte. Damit endete zunächst die offene militärische Auseinandersetzung. Pakistan mußte seine Truppen zurückziehen, und Indien durfte nur Soldaten zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Kaschmir belassen. Beide Staaten willigten in einen freien Volksentscheid über die politische Zukunft des Landes ein und vereinbarten die Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre Heimat. Der größere Teil Kasch-mirs im Süden wurde Indien unterstellt, das 1957 formal den gesamten Kaschmir-Staat unter dem offiziellen Namen Jammu und Kaschmir zum 16. Bundesstaat der Indischen Union erhob. Pakistan wiederum forderte ganz Kaschmir als mohammedanisches Mehrheitsgebiet für sich, kleidete diesen territorialen Anspruch aber geschickt in einen Ruf nach Selbstbestimmung für das Volk von Kaschmir. Tatsächlich aber bekannte sich nur die Bevölkerung der als Azad Kaschmir bezeichneten Distrikte zu Pakistan.

Seither ist Kaschmir de facto geteilt. Die für 1949 vorgesehene Volksabstimmung über die Zukunft Kaschmirs unterblieb, so daß der Konflikt bis heute schwelt. Die indische Regierung vertritt weiter die Auffassung, daß Pakistan widerrechtlich an indischem Staatsgebiet festhalte, und Pakistan erhebt weiter Anspruch auf ganz Kaschmir. Erst 1966 konnte der militärische Konflikt endgültig beigelegt werden, nachdem es dem sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin gelungen war, die Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bekommen. Beide Seiten einigten sich auf einen Rückzug ihrer Truppen auf bisherige Grenzen, auf Austausch der Gefangenen und auf einen Gewaltverzicht.

Seither wird der Konflikt, abgesehen von regelmäßigen Grenzscharmützeln, nicht mehr auf militärischer, sondern mit aller Erbitterung auf politischer Ebene ausgetragen. Die Auseinandersetzung mit dem Nachbarn prägt bis heute die Politik der beiden Staaten - die über Atomwaffen verfügen - und die Sicherheitslage in der Region, die nur mühsam stabil gehalten werden kann.

Diese Situation wird noch durch chinesische Ansprüche auf Randgebiete im Nordosten von Kaschmir verschärft. China hält seit Jahrzehnten kleine Landesteile Kaschmirs in dieser Region besetzt. Einen Waffengang gegen die Weltmacht konnte die Regierung in Islamabad nur dadurch verhindern, daß sie 1963 Teile des nordöstlichen Baltistan an die Volksrepublik China abtrat. Derzeit ist es ruhig am Himalaja. Doch sollte es der proafghanischen Opposition gelingen, die pakistanische Regierung zu destabilisieren, könnten die Machthaber in Neu Delhi die Schwäche ihres Gegners nutzen und den Kaschmir-Konflikt mit militärischen Mitteln wiederaufleben lassen. Dann aber könnte ein Brand entstehen, der den Kontinent erfaßt.