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27.10.01 Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (VI)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Oktober 2001


Serie:
Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (VI)
Ein großer Hochmeister - ein blühendes Land
von Friedrich Borchert

Winrich v. Kniprode (1352-1382) regierte das Ordensland über dreißig Jahre mit staatsmännischer Klugheit. Er übernahm das Amt an dem Kulminationspunkt, als der Aufbau des Landes weitgehend abgeschlossen war, und es galt, das Geschaffene solide und dauerhaft auszugestalten. Macht, Wohlstand und volle Blüte waren die erreichten Ziele seiner langen, segensreichen Regentschaft. Weder vorher noch danach erreichte die Ordensgeschichte je wieder einen solchen Höhepunkt.

Wie viele seiner Amtsbrüder stammte auch Winrich aus einem Rittergeschlecht des Landadels. Seine Heimat war das Rheinland, wo in der Knipprather Flur der Gemeinde Monheim die Familie Knypperode begütert war. Er wurde dort um 1310 geboren und trat nach Ausbildung im nahen Köln früh in den Deutschen Orden ein. Näheres über etwaige Studien ist nicht überliefert; jedenfalls wird er erstmals 1334 als Kompan des Komturs von Elbing erwähnt.

Seine Ordenslaufbahn führte ihn binnen 20 Jahren zum Spitzenamt. Sie begann mit Übernahme der großen Komturei Danzig im März 1338, der um 1341 die Komturei Balga folgte. Bereits zwei Jahre später hatte er als Komtur von Königsberg zugleich das Amt des Obersten Marschalls und damit die Stellung eines Großgebietigers erreicht. Später führte er als Großkomtur um 1348 das Ordensheer in die siegreiche Schlacht an der Strebe gegen die Litauerfürsten Kynstut und Olgierd.

Nach dem Amtsverzicht seines Vorgängers wurde Winrich v. Kniprode vom Generalkapitel in Marienburg zum Hochmeister gewählt. Seine erste Urkunde in diesem Amt hat er am 16. Januar 1352 ausgefertigt. Übrigens wurde in diesem Jahr der erste Gehorsamseid von Städten und Freien aus Anlaß des Amtsantritts eines Hochmeisters geleistet.

Obwohl der Friede von Kalisch 1343 die Kämpfe gegen Polen langfristig beendet hatte, blieb die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts keineswegs nur der Konsolidierung des Erreichten vorbehalten. Es gab Streitigkeiten mit Nachbarn und wiederholte kriegerische Auseinandersetzungen mit dem heidnischen Erzfeind Litauen.

Der lang anhaltende Streit mit dem ordensfeindlichen Erzbischof von Riga, der als Metropolit das Leisten eines Lehneids durch den Orden verlangte, konnte in langen Verhandlungen unter beiderseitigen Zugeständnissen beigelegt werden. In einer 1366 vom Hochmeister nach Danzig einberufenen Tagung aller Bischöfe Preußens und Livlands sowie der Ordensgebietiger verzichtete der Erzbischof auf den Lehnseid und der Orden andererseits auf seine Herrschaft über die Stadt Riga sowie auf den Huldigungseid des Landmeisters von Livland. Trotz der nachträglich 1367 vom Erzbischof versuchten Annullierung der vertraglichen Übereinkunft durch ein Kardinalskollegium blieb diese faktisch weiterhin in Kraft.

Den Frieden mit Polen förderte der Hochmeister im Jahre 1366 durch die Einladung König Kasimirs zu einem Besuch auf der Marienburg. Nach der Besichtigung der uneinnehmbaren Burg bemerkte der König, daß man ihn zum Angriff auf den Orden habe verleiten wollen. Er habe jedoch keine Ansprüche an den Orden und wolle Frieden halten.

Im Norden entstand durch die Hegemonialpläne des dänischen Königs Waldemar IV. Atterdag im Ostseeraum nach der Zerstörung der Hansestadt Wisby auf Gotland durch die Dänen eine neue Gefahr. Nach der Niederlage der Hanse förderte der Orden in der Kölner Konföderation den gemeinsamen Kampf der Hanse und Lübecks gegen Dänemark durch Unterstützung der preußischen Hansestädte. Eine direkte Beteiligung mußte unterbleiben, damit ein erneuter Vorwurf vermieden wurde, daß der Orden gegen einen christlichen Fürsten Krieg führe. Diesmal siegte die Hanse und erreichte im Stralsunder Frieden vom 24. Mai 1370 die Anerkennung der Handelsfreiheit und ihrer alten Privilegien. Der Orden erhielt die Erlaubnis, auf Falsterbo (Schonen) eine Vitte anzu- legen, um von dort aus den Heringsfang zu betreiben.

Weiterhin unternahm der Orden die „Litauerreisen“ und drang mit den Kreuzfahrerheeren bis nach Kauen, Grodno oder Wilna in litauisches Gebiet vor. Andererseits brachen die Litauer tief ins Ordensland ein und verheerten die Dörfer.

Im Winter 1370 plante Großfürst Kynstut einen Überraschungsangriff auf das Samland über das Eis des Kurischen Haffs. Wegen Tauwetters mußte der Vormarsch auf das Land verlegt werden, wodurch der Überraschungseffekt entfiel. Zwei Ordensheere unter Führung des Hochmeisters und des Ordensmarschalls Henning Schindekopf traten den Litauern bei Rudau entgegen und schlugen sie. Marschall Schindekopf trieb die geschlagenen Feinde in rastloser Verfolgung in eine Katastrophe. Aber er selber bezahlte seinen tapferen persönlichen Einsatz mit dem Leben; auch der Hochmeister wurde verwundet. Nach dieser vernichtenden Niederlage wagten die Litauer keine Angriffe mehr auf das Ordensland.

Mit diesem krönenden Sieg fanden die außenpolitischen Erfolge Winrichs v. Kniprode ihren Abschluß. Sie hatten eine Basis für die nun folgende friedliche Arbeit im Lande geschaffen. Auch nach der inzwischen eingetretenen Konsolidierung des Ordensstaates gab es im Innern noch viele Vorhaben.

Für die insbesondere durch Binnenwanderung zuziehenden Siedler mußte Raum gewonnen werden. Das geschah unter anderem durch Rodungen, Trockenlegen von Sümpfen sowie Deichbau an Weichsel und Nogat. Um 1370 gelang dem Hochmeister der Ankauf der Besitzungen des Johanniter-Ordens beiderseits der Weichsel und im Raum Schöneck. Außerdem schritt der Siedlungsbau am Rande der Wildnis fort. Dort entstanden kleinere preußische Dienstgüter und kulmische Freigüter. In Erwartung kolonisatorischer Betätigung vergab der Orden umfangreiche Gutskomplexe an adlige, aber auch an bewährte prussische Familien. Das Königsberger Archiv enthielt für diese Zeit mehr als 500 Handfesten mit Verschreibung von Lehnsgütern an prussische Einheimische.

Während seiner Regierungszeit erteilte Hochmeister Winrich eine Reihe von Handfesten und Privilegien an die Städte Zinthen (1352), Neidenburg (1353), Pr. Friedland (1354), Mühlhausen (1356), Tolkemit (1356), Hohenstein (1359) und Hela (1378). Er ließ die Burgen Ortelsburg, Neuhaus bei Ragnit, Rhein und Barten errichten beziehungsweise ausbauen. Besonders verdient machte er sich beim Ausbau der Marienburg.

Große Fortschritte gab es in der Landwirtschaft. Die Schaf- und Bienenzucht wurden vervollkommet. Im Raum Thorn und Kulm legte man viele neue Weingärten mit aus dem Rheinland importierten Reben an.

Der Handel expandierte außerordentlich; hierzu trug auch die stärkere Bindung der sechs Handel treibenden Ordensstädte an die Hanse bei. In Brügge wurde eine Niederlassung für den Handel mit Bernstein eingerichtet. Endlich konnte 1373 die Aufhebung der polnischen Handelssperren gegen die Thorner Kaufmannschaft erreicht werden.

Ein Abgehen von den bisherigen Prinzipien stellte die Gründung einer ordenseigenen Handelsorganisation dar, die im Eigenhandel große Mengen von Getreide, die dem Orden aus dem Zehenten zufielen, sowie Bernstein, Honig, Pferde und andere Landesprodukte exportierte. Diesen Handel betrieben die Großschäffer des Ordens in Marienburg und Königsberg. Er stand in Konkurrenz zum Handel der Städte und barg Konflikte, die sich später unheilvoll in den inneren Beziehungen im Lande auswirkten.

Basis für einen florierenden Handel ist ein geordnetes Geld- und Zinswesen. Deswegen schritt der Hochmeister scharf gegen den sich ausbreitenden Zinswucher ein und drückte den Hochzins von zehn Prozent zunächst auf 8,3 Prozent und später noch weiter hinunter.

Von der dem Deutschen Orden zustehenden Münzhoheit machte dieser im Rahmen der Kulmer Handfeste von 1232 erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Gebrauch. Er ließ in der Hauptmünze Thorn zunächst nur Hohlpfennige (Brakteaten) prägen. Außerdem galten als Zahlungsmittel im Ordensland der Kölner Pfennig sowie andere fremde Münzsorten, wie beispielsweise Böhmische Groschen und Ungarische Gulden.

Angesichts des steigenden Handels wurden jedoch größere eigene Münzwerte erforderlich. Hochmeister Winrich führte deshalb um 1380 den Schilling (Solidus) ein, der dem Wert von zwölf Pfennigen entsprach. Auf die Rechnungseinheit eine preußische Mark kamen somit 60 Schillinge beziehungsweise 720 Pfennige. Die mit dem Hoch-

meisterschild belegten Silbermünzen trugen in der Umschrift Titel und Namen des Hochmeisters: „+ MAGIST’ WVNRICVS PRIMVS“ (Meister Winrich der Erste). Außerdem führte Hochmeister Winrich v. Kniprode zwei weitere Silbermünzen ein, nämlich den Halbschoter zu 16 Pfennigen und das Vierchen im Wert von vier Pfennigen. Der Schilling hatte bei seiner Einführung einen Feingehalt von 845/000 und war über lange Zeit die gebräuchlichste Ordensmünze. Sein Wert sank jedoch infolge der ungünstigen Entwicklung bis zum Ende des 15. Jahrhunderts zur Zeit des Hochmeisters Johann v. Tiefen (1489-1497) auf einen Feingehalt von nur noch 200/000.

Eine wichtige Aufgabe der Ordensführung waren Einsatz und Weiterbildung der Ordensbrüder. Hochmeister und Großgebietiger bestimmten die Ämterbesetzung in den mittleren und höheren Funktionen. Die Verweildauer der Komture, Vögte und Pfleger auf ihren Posten war verhältnismäßig kurz; sie betrug in der Regel zwischen zwei und sechs Jahren. Für dieses Rotationssystem gab es viele Gründe, wie beispielsweise unterschiedliche Verhältnisse in den einzelnen Komtureien, Vermeidung von Verfilzung und Weiterbildung. Beim Amtswechsel, den man damals Wandel nannte, mußten Übergabeverzeichnisse an das Haupthaus eingesandt werden, deren Daten nach Überprüfung in das Große Ämterbuch eingetragen wurden. Darüber hinaus ordneten Hochmeister oder Großkomtur fallweise außerordentliche Visitationen bei den Komtureien an.

Hochmeister Winrich legte großen Wert auf Ordnung und Disziplin sowie auf Vermeidung von Luxus und Prunk. Er beschränkte die Zahl der von den Ordenrittern zu haltenden Pferde auf drei, nämlich auf zwei leichtere Reitpferde und einen schweren Streit-hengst, der im Kampf den Ritter samt der schweren Rüstung tragen mußte. Ausnahmen von dieser Einschränkung gab es nur für höhere Gebietiger als besondere Auszeichnung.

Der aufkommenden Neigung zu Prunk und Pomp begegnete der Hochmeister unter Hinweis auf die Ordensregeln und die guten Sitten. Zur Erhaltung der Ordenszucht bestimmte er, daß der Rock als Oberkleid wie früher bis auf die Knie hinabreichend zu tragen sei. Aber auch die Bürgermeister, Schultheißen, Ratsherren und Kaufleute wurden ermahnt, ihre Kleidung maßvoll zu wählen und die Zurschaustellung von Reichtum zu vermeiden. Die sehr weitgehende „Kleiderordnung“ erfaßte sogar den Schmuck und Kopfputz der Frauen und empfahl den Männern das Tragen von Bärten. Dennoch sollte die Tracht den Bürgern und Bauern wohl gefallen. Zu den umfassenden innenpolitischen Vorhaben und Reformen gehörte auch die Förderung der Bildung im allgemeinen sowie der höheren Bildung der Ritter, Priester und Beamten. Rechtsgelehrte und Kleriker berief der Hochmeister nach Marienburg, wo er eine oberste Lehranstalt errichten ließ. In den Städten wurden Schulen gegründet. Natürlich war man angesichts der weiterbestehenden Bedrohung von außen genötigt, die Bevölkerung wehrhaft und waffenfähig zu machen. Durch Übungen und Schießsport wurden die Wehrbürger für den Notfall einsatzfähig gemacht.

Am 23. Juni 1382 erlitt der Hochmeister bei einer Besprechung einen Schlaganfall, an dessen Folgen er in der Nacht zum 24. Juni verstarb.

Nach über 30jähriger segensreicher Amtszeit wurde Hochmeister Winrich v. Kniprode in der St. Annen-Gruft der Marienburg beigesetzt.

Winrich v. Kniprode (1352-1382) war wohl der bedeutendste in der Reihe der großen Hochmeister des 14. Jahrhunderts. Letztere hatten im deutschen Fürstentum der gleichen Zeit kaum einen ebenbürtigen Zeitgenossen. Trotzdem fällt es schwer, aus der Reihe dieser typenhaft erscheinenden Persönlichkeiten einen von ihnen herauszuheben, denn auch der größte vertrat immer nur seinen Orden.

Während der Regierungszeit Winrichs v. Kniprode erreichten Gesellschaft und Wirtschaft, Kultur und Rechtswesen außerordentlich große Fortschritte. Das anerkannten selbst ausländische Gegner. Im litauischen Codex Witolds wurde wörtlich ausgeführt: „In Preußen blühen Ehre und Frieden, Strenge, Gesetz, Gerechtigkeit und Zucht.“