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27.10.01 Die ostpreußische Familie - extra

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Oktober 2001


Die ostpreußische Familie - extra
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied,

Ihr kennt sicherlich die kleine Geschichte von dem Lehrer an einer ostpreußischen Dorfschule, der seine Schützlinge fragte, was denn die Mutter auf den Tisch bringe, wenn es kein Fleisch gäbe. Er hatte - damals schon ernährungsbewußt - gehofft, daß die Antwort „Gemüse“ lauten würde. Stillschweigen. Schließlich meldete sich ein Marjellchen: „Wenn Muttche kein Fleisch hat, gibt se Wurst!“

Nun, so ganz Unrecht hatte das Marjellchen nicht, denn es hatte sicher an Kartoffelwurst gedacht. Allerdings von „Toffles“ allein konnte Muttchen auch nicht dieses in unserer Heimat so beliebte Gericht zubereiten, denn Speck oder Bauchfleisch gehören dazu und dann viel Zwiebeln - die zählen natürlich zum Gemüse wie die Kartoffeln.

Meine Mutter hatte immer von diesem - ihrem - Lieblingsgericht geschwärmt, aber es leider nie zubereitet. Vielleicht, weil sie keinen Schweinemagen bekam, der dazu gehörte. So blieb es auch für mich ungegessen. Wiederholt habe ich danach gefragt, auch zweimal schon unsere „Ostpreußische Familie“ bemüht - vergeblich. Bis unser Leser Manfred Hofer um das Rezept bat. Da hatte ich einen Grund, erneut danach zu fragen.

Und diesmal platzte sozusagen die Pelle: Es kamen Antworten zuhauf mit jeder Menge Rezepte. Die sich im Prinzip zwar ähnlich sind, aber doch bei den Zutaten und der Zubereitung erhebliche Unterschiede aufweisen. Vor allem gab es aber auch Tips, wie man das Gericht auch heute herstellen kann, wenn man keinen Schweinemagen hat. Denn der gehört bei den meisten Rezepten dazu. Und da dieses herzhafte Gericht so recht in die kalte Jahreszeit paßt, gebe ich einige Rezepte weiter zum Nachmachen. Denn ich glaube, lewe Landslied, Euch wird es genau so ergehen wie mir: Das Wasser im Mund lief mir schon beim Lesen zusammen!

Das Grundrezept lautet: Kartoffeln, frischen Speck oder Schweinebauch und Zwiebeln mit Salz, Pfeffer und Majoran, auch Thymian, würzen, durch einen Fleischwolf drehen oder würfeln, in einen Schweinmagen oder Schweinedärme füllen und im Backofen braten. Das dürfte so in etwa das Ur-Rezept sein, nachdem schon mehrere Urgroßmütter dieses herzhafte und sättigende Gericht bereiteten. Hierbei ist zu erwähnen, daß Magen und Därme gut gereinigt sein müssen - beim Magen muß die Schleimhaut abgezogen werden - und daß sie nicht voll gefüllt sein dürfen. Magen wie Därme werden mit der Faust leicht angedrückt, die Därme - so teilt Renate Wehmeyer mit - mit einer Gabel anstechen und dann mit Holzstäbchen schließen oder mit Küchengarn zunähen. Auf einem gefetteten Backblech backen.

Bei der Backzeit driften allerdings die Angaben auseinander. Frau Wehmeyer gibt sie bei 180 Grad mit etwa einer Stunde an, andere verlängern sie auf zwei, ja sogar bis auf vier Stunden! Christel Klawonn läßt die in Därme gefüllten Kartoffelwürste bei 200 Grad in zweieinhalb Stunden backen. Allerdings bereitet sie anscheinend dieses leckere Gericht für ein halbes Regiment zu, denn sie dreht 6 Kilo Kartoffeln und ein Kilo Zwiebeln durch den Fleischwolf und gibt dann zwei Kilo feingewürfelten frischen Speck hinzu. Gewöhnlich berechnet man das Verhältnis Kartoffeln zu Bauchfleisch 5:1. Eine sehr ausführliche Zuschrift erhielt ich von Kurt Achenbach, die verschiedene Versionen enthält. Kartoffelwurst gab es in seiner Pillkaller Heimat nur bei Hausschlachtungen, weil dann Grieben anfielen. „Ohne Grieben keine Kartoffelwurst!“ schreibt er. Mit diesen und dem Griebenschmalz wurden die fein gewürfelten Kartoffeln vermengt und in Schweinemägen oder -därme gefüllt. Und dann gab es noch eine Machart, bei der die Kartoffeln wie zu Puffer gerieben in Schweinedärmen gebacken wurden. Herr Achenbach kann sich nicht erinnern, daß Bauchfleisch zur Kartoffelwurst verwendet wurde. Er meint, dies könnte nur die Ausnahme gewesen sein, da fast alles Bauchfleisch in die Räucherkammer kam. Allerdings wurden der Füllung auch manchmal Fleischreste aller Art beigemischt.

Nun, ich nehme an, daß sich die Zutaten nach dem Umfang des oder der zerlegten „Kuchel“ richteten, denn Kartoffelwurst war damals ein Gericht, das zur Zeit der Hausschlachtung auf den Tisch kam. Herr Achenbach erinnert sich noch daran, daß die Kartoffelwurst einen besonders urigen Geschmack bekam, wenn sie in der Röhre des Kachelofens gegart wurde. Wie meine Mutter mir erzählte, wurde die Kartoffelwurst noch für kurze Zeit in den Rauch gehängt, dadurch erhielt sie einen herrlichen Geschmack. Diese Variante habe ich allerdings in keiner Zeitschrift gefunden.

Hausschlachtung gibt es nicht mehr, aber auf Kartoffelwurst brauchen wir auch heute nicht zu verzichten, selbst wenn wir weder Magen noch Därme beim Fleischer bekommen. Da haben unsere Leserinnen und - auffällig viele! - Leser ihre Rezepte beigesteuert. So Hans-Siegfried Ebner, der folgende Machart empfiehlt, zu der man keinen fetten Speck benötigt. Er schreibt:

Wir nehmen einen ca. 1 1/2 Liter fassenden Topf voll gewürfelter Kartoffeln, ca. 750 Gramm gewürztes Mett, 250 Gramm frisches Bauchfleisch. Alles wird durch den Wolf gedreht. Falls die Masse zu trocken ist, kann etwas Brühe zugegeben werden. Dann kommen zwei bis drei mittelgroße gehackte Zwiebeln, 1 1/2 Teelöffel Salz, etwas Pfeffer und Majoran dazu. Die gut durchgemischte Masse wird in eine Jenaer Form gefüllt und bei 225 Grad im Backofen in 1 1/2 Stunden gegart. In der letzten Viertelstunde den Deckel abnehmen, dann wird die Kartoffelwurst schön braun.

Das Gericht gibt es in ähnlicher Form auch in anderen deutschen Landen, so im Hunsrück. Dort ist es, wie Ingrid Gerlach schreibt, das traditionelle Silvesteressen. Es wurde früher in Rinderdärmen bereitet, heute kocht ihre Hauswirtin die Kartoffelwurst in Weckgläsern ein. Das Rezept: ein Kilo frischer, durchwachsener Schweinebauch wird gekocht und mit einem Kilo roher Kartoffeln, 4 Zwiebeln, einem eingeweichten, ausgedrückten Brötchen durch die nicht zu feine Scheibe des Fleischwolfes gedreht. Die Masse wird mit Salz, Pfeffer, Muskat und Paprikapulver abgeschmeckt und eingeweckt (eine halbe Stunde bei schwacher Hitze). Die Masse kann aber auch auf ein gut gefettetes Blech gestrichen und im Backofen bei 220 Grad knusprig braun gebacken werden. Ostpreußen werden bei diesem Rezept wohl lieber ihre Lieblingsgewürze „Meirahn“ und Thymian wählen. Natürlich sind das keine Rezepte für Kalorienzähler, auch wenn man die „abgespeckte“ Version nimmt. Aber in der kalten Jahreszeit darf es schon etwas deftiger sein, und wenn man dazu einen Salat ißt - besonders gut schmeckt dazu Sauerkrautsalat, auch Bohnensalat - dann ist das schon ein schmackhaftes und gesundes Essen. Und vielleicht noch ein „Schlubberchen“ hinterher - so nach dem Motto: „Kartoffelwurst, Kartoffelwurst, und einen Klaren für den Durst!“ -, dann werden zumindest die Mannslied satt und zufrieden sein.

Auch bei der Frage von Hermine Janz nach dem „Kutscherfladen“ hat unsere Familie gespurt: Es handelt sich um echten ostpreußischen Streuselkuchen oder „Blechkuchen“, wie der Hefefladen bei uns allgemein genannt wird. Warum der Ausdruck „Kutscherfladen“? Eine besonders ausführliche und liebevolle Beschreibung dieses Brauches gibt unsere treue Leserin Margarete-Frieda Wenk:

„Wenn früher in unseren Dörfern Hochzeit war, bestellten die Ausrichter bei den umliegenden Höfen und Gütern Kutschen für die Fahrt zur Kirche. Die Besitzer verlangten dafür kein Geld, aber die Hochzeiter wollten sich nicht lumpen lassen. So bekamen die Kutscher, die in voller Pracht vorgefahren kamen, nach der Kirchfahrt, wenn ihre Gäste ausgestiegen waren, ein Trinkgeld von den Brautführern und von den Brauteltern ein Paket mit Streuselkuchen, ein ,Quarteerke’ Klaren (Quartierchen = 1/4 Liter Schnaps) und Taschengeld.“

Frau Wenk ist auch eine vorzügliche Köchin und versteht ausgezeichnet zu backen. Davon konnte ich mich persönlich vor langen Jahren überzeugen, als sie noch in Hamburg wohnte. Deshalb gebe ich gerne das Rezept für echten ostpreußischen Streuselkuchen weiter, das die 91jährige, die heute in Mannheim lebt, für uns aufschrieb:

Man nehme für den Teig 20 bis 30 Gramm Hefe, 350 Gramm Mehl, ein Ei, eine Prise Salz, 40 Gramm Zucker, 1/8 Liter Milch, 60 bis 100 g Butter, auf Wunsch 40 bis 60 Gramm Rosinen (oder auch Korinthen oder Sultaninen), Milch, flüssige Butter zum Bestreichen. Alle Zutaten werden in eine tiefe Schüssel gegeben und gut verrührt. Der Teig wird tüchtig geschlagen, bis er Blasen wirft. Dann wird er zugedeckt an einen warmen Platz gestellt. Ist der Teig gut aufgegangen, wird er auf ein gefettetes Blech gestrichen und noch einmal warmgestellt. Nach dem Aufgehen wird der Teig mit der flüssigen Butter bestrichen und mit Streuseln bestreut.

Für die Streusel braucht man 80 bis 100 Gramm Butter, 100 Gramm Zucker, 200 Gramm Mehl, eine Prise Salz, eine Messerspitze Zimt, ein Teelöffel Hefe, 2 bis 3 Eßlöffel Milch. Alle Zutaten verrührt man mit der flüssig gemachten Butter zu einer krümeligen Masse, die auf den Kuchenteig gestreut wird. Nach dem Aufgehen bei guter Hitze abbacken (Backzeit 20 bis 30 Minuten).

In den nördlichen Gegenden unserer Heimat hieß der Blechfladen auch „Kutscher-Pierak“, so in Tilsit, der Heimatstadt von Ursula Gronau. Mit „Pierak“ wurde in den prußisch-litauischen Sprachgebieten Gebäck aus Weizenmehl bezeichnet, das auch zur Erntezeit auf das Feld gebracht oder zu Martini gebacken wurde, wenn die Leute „zogen“. Der süße Fladen war übrigens nicht nur was für Fruenslied, auch die „Manns“ schmengerten gerne, wie ja der „Kutscher-Pierak“ beweist. Und so manche besorgte Mutter gab ihrer Tochter den guten Rat: „Nimm man einen, der gern Pierak ißt! Das sind die besten Männer!“

Hier möchte ich, falls jemand noch die Lust hat zu brauen, das Rezept geben. Für etwa 20 Liter Wasser 1 1/2 bis 2 Pfund gekeimte und geschrotete Gerste, 1/2 bis 2 Handvoll Hopfen, 1 bis 2 Pfund Zucker, für 10 Pfennig Hefe.

Zubereitung: Wasser mit Gerstenschrot richtig durchbrühen lassen. Vom Hopfen Sud abkochen und in die Brühe gießen. Erkalten lassen, mit Zucker abschmecken und Hefe unterrühren. Abfüllen und bei Zimmertemperatur ein bis zwei Tage halten, dann kühl stellen.

Eine noch einfachere Art ist die Herstellung von Malzbier. Man füllt die Flüssigkeit in Flaschen und behandelt sie ebenso. Hier das Rezept:

10 Liter Wasser mit einem Pfund gebrannter Gerste (wenn gemahlen, weniger nehmen) aufkochen. Eine kleine Handvoll Hopfen abkochen und Sud in Brühe geben. Erkalten lassen, mit Zucker abschmecken und Hefe einrühren. Abfüllen. Falls die Zutaten oben schwimmen, abseihen.

Eure

Ruth Geede