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17.11.01 Autorin Dorothea Zöbl sieht den König Friedrich I. von Preußen nicht als »eitlen Gecken«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. November 2001


»Es ist nicht genug jekrohnt zu werden«
Autorin Dorothea Zöbl sieht den König Friedrich I. von Preußen nicht als »eitlen Gecken«

Als die Siegermächte Preußen für aufgelöst erklärten, taten sie dieses mit der Begründung, daß dieser Staat ein Hort des Militarismus sei. Als Vater des sogenannten preußischen Militarismus gilt gemeinhin der „Soldatenkönig“. Doch nicht nur Preußens Gegner halten Friedrich Wilhelm I. für eine Verkörperung preußischer Eigenschaften. Erinnert sei hier an seine Tugenden Sparsamkeit und Bescheidenheit. Der zweite Preußenkönig war kein Mensch von Prunk, Pracht und Schein. Er lebte das preußische Ideal, das Helmuth Graf von Moltke in die Worte faßte: „Mehr sein als scheinen.“

Friedrich Wilhelms Vater, der hierfür von seinem Sohn und vielen dessen Anhänger scharf kritisiert wurde, lebte eher das gegenteilige Motto, sprich „Mehr scheinen als sein“. Dorothea Zöbl würde diese Kritik wohl mit den Worten kontern: „Mehr sein durch Schein.“ Die Autorin macht sich in ihrer kleinen Schrift „,Es ist nicht genug jekrohnt zu werden …“ nämlich die These zu eigen, daß zu Zeiten Friedrichs III./I. der Grundsatz gegolten habe, der Schein bestimme das Sein, und daß der Hohenzoller diesem Umstand geschickt Rechnung getragen habe. So zeichnet Zöbl das Bild eines erfolgreichen, strategisch denkenden politischen Kopfes. Das ist eine reizvolle Alternative zu der verbreiteten negativen Vorstellung vom Hohenzollernfürsten als einem eitlen Gecken, der sich und sein armes Land lächerlich zu machen und an den Rand des Bankrotts zu führen drohte.

Nach dieser Darstellung der Motive Friedrichs III./I. schildert Zöbl detailliert die Krönung, die sie als eine einzige Aneinanderreihung von bewußt gesetzten hochpolitischen Symbolen und Herrschaftszeichen interpretiert. Diese Schilderung ist informativ, und die Interpretation ist interessant.

Zur Relativierung dieses Lobes muß darauf hingewiesen werden, daß Zöbl eine recht gute Literaturlage vorfand. Hiervon zeugt außer dem für einen Text von 37 Seiten recht langen Literaturverzeichnis auch der dankenswert ausführliche Anmerkungsapparat mit seinem eher durch Literatur- denn durch Quellenverweise geprägten Charakter.

Originell ist die Idee, Fried-richs III./I. Rangerhöhung von 1701 mit Wilhelms I. Krönung von 1861 und dessen Proklamation zum Kaiser von 1871 zu vergleichen. Die Ankündigung eines derartigen Vergleichs als Ausblick auf der Rückseite des Heftchens macht neugierig und weckt Vorfreude. Die dadurch entstandene Erwartungshaltung wird aber leider enttäuscht. Im letzten Kapitel mit der Überschrift „Ein Nachspiel 1861: kein Sonnenkönig, aber Schattenexistenzen“ fällt die Qualität des Textes unerwartet und merklich ab.

Dieser Abschnitt beginnt mit einer kleinen Schilderung der Krönung von 1861 ohne nennenswerten Bezug zum analogen Ereignis von 1701. Der anschließende Vergleich kulminiert in der Feststellung, daß Wilhelms Krönung im Gegensatz zu der seines Vorgängers kein öffentlicher Staatsakt, sondern ein anachronistisches Privatvergnügen gewesen sei. Dieser Unterschied wird daran festgemacht, daß Friedrich III./I. im Gegensatz zu seinem Nachfolger den Akt nicht aus seiner Privatschatulle habe bezahlen müssen. Angesichts dessen, daß zu Zeiten des absolutistischen Sonnenkönigs nicht nur in Frankreich der König der Staat war, sagt die Tatsache, daß dessen Zeitgenosse Friedrich III./I. sein Land für die Krönungskosten aufkommen ließ, nur bedingt etwas über den Charakter dieses Ereignisses aus.

Noch enttäuschender ist der Vergleich mit der Kaiserproklamation. Hier heißt es: „Wie schon 1701 waren es die Soldaten, die unverzichtbar für die Rangerhöhung waren.“ Diese Analogie hält sich doch in engen Grenzen. Friedrich III./I. hat vom römisch-deutschen Kaiser die Zustimmung erkauft, und der Preis waren neben anderem 8.000 Söldner. 1870/71 hingegen hatten deutsche Massenheere durch die Niederwerfung des traditionellen Erzfeindes der deutschen Einheit eben diese und damit auch die Proklamation eines Deutschen Kaisers möglich gemacht. Das Erlebnis der deutschen Waffenbrüderschaft, die von Schleswig-Holstein bis Bayern, von Ostpreußen bis zur Pfalz reichte, tat ihr übriges.

Auch die angebliche Parallele zwischen Elsaß-Lothringens Relevanz für die Kaiserproklamation und Ostpreußens Bedeutung für die Krönung drängt sich nicht unbedingt auf. Immerhin war Ostpreußen 1701 das einzige Gebiet, in dem Friedrich III./I. Souverän war, und deshalb ließ er sich hier auch krönen. Elsaß-Lothringen hingegen war 1871 „nur“ Kriegsbeute und lag Hunderte von Kilometern vom Ort der Rangerhöhung, dem Spiegelsaal von Versailles, entfernt.

Damit erschöpft sich leider Zöbls Angebot an Parallelen und Unterschieden. Nichtsdestoweniger sind die ersten vier Kapitel, welche die „Situation um 1700“, den „Kronvertrag und die Reise nach Königsberg“, die Krönung sowie die „Rückkehr nach Berlin“ thematisieren, trotz der einsei- tigen, pointierten Betrachtung Friedrichs I./III. - oder gerade deshalb - eine anregende Lektüre. Manuel Ruoff

Dorothea Zöbl: „Es ist nicht ge- nug jekrohnt zu werden …“ Die preußische Königskrönung von 1701 in Königsberg und Berlin (Kleine Schriften des Forschungsinstituts für die Geschichte Preußens e.V.),Verlag Arno Spitz, Berlin, 2001. ISBN 3-8305-0244-3. 52 Seiten. Preis: 19,50 Mark