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24.11.01 Reisebericht: Eine Fahrt ins nördliche Ostpreußen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. November 2001


Reisebericht:
Eine Fahrt ins nördliche Ostpreußen
Mit dem Bus nach Königsberg, Tapiau, Insterburg, Tilsit, Labiau, Rauschen, Palmnicken …

Von Dortmund war die Reisegruppe zunächst in Richtung Berlin-Schönefeld gestartet, wo die letzten Teilnehmer der Fahrt nach Nordostpreußen und Königsberg zustiegen. In rascher Fahrt erreichte das Reisegefährt, ein 52er Bus, die Grenzstelle Pomellen, wo im Vergleich zu früheren Abfertigungen die Erledigung der Formalitäten eigentlich rasch erfolgte. Nächstes Ziel nach diesem Aufenthalt war nun Köslin, das nach problemloser Fahrt über gute Straßen am frühen Abend erreicht wurde.

Einschließlich des Fahrers machten sich in der Frühe des zweiten Reisetages 47 erlebnishungrige Menschen auf den Weg nach Königsberg, fanden allerdings in Danzig noch genügend Zeit für einen Stadtrundgang durch diese alte deutsche Hansestadt. Über Elbing ging es danach entlang des Frischen Haffes weiter in Richtung Pregelstadt. Vorbei am Frauenburger Dom, in dem der in Thorn geborene Nikolaus Kopernikus gewirkt hat und auch gestorben ist, ging es nun über Braunsberg einer zweiten Grenzpassage entgegen, und auch hier war das Glück der Gruppe hold, denn nach verhältnismäßig kurzer Abfertigungszeit konnte uns die Begleiterin für die folgenden Tage in Königsberg und Rauschen in Empfang nehmen und begrüßen. Entgegen früheren Einfahrten nach Königsberg war diesmal nicht der Nasser Garten das erste Berührungsgebiet mit der geschichtsträchtigen Pregelstadt. Vielmehr ging es auf einem kleinen Umweg durch das südliche Hafengelände zum Endziel dieser zweiten Tagesfahrt, dem Hotel „Kaliningrad“.

Der dritte Tag der Erinnerungsfahrt führte uns zunächst auf eine mehrstündige Erlebnisreise durch die einstige preußische Königsresidenz. Der Rest des Tages stand zur freien Verfügung. Erst beim Abendessen versammelte sich die Gruppe wieder im Hotel.

Schon recht früh machte sich am folgenden vierten Tag die Reisegruppe auf ihren Weg nach Tilsit. Als erste größere Ortschaft wurde Tapiau durchfahren, die Geburtsstadt der bedeutenden deutschen Maler Lovis Corinth und Ernst Mollenhauer. In dieser Kleinstadt hatte sich eine der beiden ostpreußischen Nervenheilanstalten befunden. In ihrem Gebäudeareal sind heute russische Truppen untergebracht.

Nach Tapiau war das nächste Tagesziel der Ort Insterburg, wo unter anderem auch die Erinnerung an Ännchen von Tharau lebendig wurde. An der Stelle ihrer vermutlich letzten Ruhestätte hat der Tamara-Königsberg-Chor zum Gedenken an die Textgeberin die erste Strophe von Simon Dachs und Heinrich Alberts nun schon dreihundert Jahre altem, unvergänglichem Volkslied gesungen.

Anschließend ging es weiter nach Tilsit, wo wir nach dem Mittagessen im einstigen Domizil der Deutschen Bank die Hohe Straße in Richtung Königin-Luisen-Brücke entlanggingen. Eine Fülle alter Bausubstanz erinnerte uns an die Vergangenheit der Memelstadt. Wir standen vor einem der ältesten Häuser der Stadt, von dessen Hausfront nach wie vor ein Ordensritter zum Wächter der Gemeinde bestellt schien, allerdings inzwischen entmilitarisiert, war doch diesem steinernen Gottesstreiter inzwischen das Schwert entwendet worden.

Vorbei am Geburtshaus des ostpreußischen Freiheitsdichters Max von Schenkendorf ging es danach in Richtung Memel. Ziel war die Königin-Luisen-Brücke. Hier erfuhren wir von Plänen, sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Ein wenig störend für das Auge wirkte hier die russische Zollstation auf dem Südufer des Flusses. Ihm gegenüber befindet sich der im letzten Jahrzehnt aufgestellte Gedenkstein zur Erinnerung an den Tilsiter Frieden von 1807.

Nach der Kurzwanderung ging es im Bus durch Tilsit hindurch in Südwestrichtung weiter. Die Wegstrecke durch Teile der Elchniederung wurde bisweilen doch recht bedrückend. Vor weniger als 60 Jahren hatte es hier noch endlose Gemüsefelder gegeben. Inzwischen läßt die Landschaft jeden Agraranbau vermissen. Nach einer Fahrt durch eine Fülle deutscher Städtchen und Dörfer, zuletzt Labiau, erreichten wir wieder unser Königsberger Domizil.

Nachdem der fünfte Tag zur freien Verfügung gestanden hatte, ging es am sechsten zur Kurischen Nehrung. Das Endziel der Tages-

tour war der samländische Badeort Rauschen, der nach wie vor ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner Königs- bergs ist. Hier bezogen wir in zwei dicht beieinander liegenden Hotels unser Quartier für die drei letzten Nächte im nördlichen Ostpreußen.

Für den siebten Tag der Heimatexkursion stand dann erneut mit Pillau und Palmnicken ein Höhepunkt auf dem Programm. Das erste Ziel war Pillau, Preußens erster Kriegshafen. Tausende von Ostpreußen haben hier 1945 Abschied von ihrer Heimat genommen. Ein vor einem Jahr eingerichteter Ehrenfriedhof für die Toten jener Zeit wurde vor der Weiterfahrt besucht. Dabei wurde festgestellt, daß er nicht nur der Erinnerung an die verstorbenen Flüchtlinge, sondern auch den Toten anderer Nationen gewidmet war.

Nach Pillau wurde mit Germau ein weiterer Ort des Gedenkens an die gefallenen Soldaten vom Frühjahr 1945 angefahren. Es wurden sowohl die deutschen Gräber aufgesucht als auch die Gedächtnisstätte für die russischen Soldaten, die hier im Samland ihren hohen Blutzoll in einem unsinnigen Krieg zu leisten gezwungen waren.

Bis nach Palmnicken war es dann eine recht schweigsame Weiterfahrt. Statt der großen Grube, in der für ein Jahr die Bernsteinförderung ruht, besuchten wir eine kleinere Anlage zur Förderung des Bernsteins. Danach suchten wir die einstige evangelische Kirche auf, die heute ein orthodoxes Gotteshaus ist. In ihr überraschte uns ein ganz kleiner Damenchor mit seinen Darbietungen, und es muß betont werden, daß auch diese Darbietung besondere Erwähnung verdient.

Dem freien achten Tag folgte am neunten die Fahrt nach Schneidemühl. Zeitig startete die Gruppe am elften Tag in Richtung Grenze. Parallel der Warthe folgend wurde schließlich Küstrin erreicht. Auch dieser Grenzort erinnerte an eine sehr bedeutsame Phase preußischer und deutscher Geschichte, denn hier hatte im 18. Jahrhundert der Sohn des Soldatenkönigs, der spätere Friedrich II. (der Große), seine Festungshaft ver- büßt, die er nach mißlungener Flucht von seinem Vater zudiktiert bekommen hatte. Nach der Bewältigung einer letzten Grenzformalität waren wir wieder in der Bundesrepublik. Ab Berlin-Schönefeld hieß es voneinander Abschied nehmen. Die unvermeidliche Auf-lösung der Reisegruppe begann.
Horst Glaß