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01.12.01 Petersberg-Konferenz: Mühsame »Aufräumarbeiten«

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Dezember 2001


Afghanistan - wer zu spät kommt …
Petersberg-Konferenz: Mühsame »Aufräumarbeiten«

Von Gorbatschow haben wir den Spruch mit dem Zuspätkommen gelernt. Die Griechen nannten den richtigen Zeitpunkt Kairos. Für die Deutschen gilt in Sachen Afghanistan beides. Denn während sie über den Krieg am Hindukusch so lange debattiert haben, bis die Lage auf dem Gefechtsfeld geklärt war, haben sie immerhin den richtigen Zeitpunkt für die Nachkriegsdebatte erwischt und rechtzeitig vor den anderen mit dem Petersberg bei Bonn eine Plattform für das große Palaver über die Nachkriegsordnung bereitgestellt. Das macht das strammstehende Zuschauen bei den militärischen Ereignissen politisch erträglich. Das Leben braucht uns nicht zu bestrafen, vielleicht sind wir mit dem Treffen auf dem Petersberg auch bestraft genug. Denn eine Ordnung im deutschen Sinne, also ein Grundgesetz oder ein Regierungssystem, wird dabei nicht herauskommen.

Aber wir sind dabei. Die Gastgeberrolle ist in der Tat ein Erfolg. Sie beruhigt die erhitzten Gemüter in der Berliner Koalition - man redet und macht Frieden, während die Führer der Weltkoalition schon nach neuen Zielen Ausschau halten und Afghanistan gedanklich bereits verlassen haben. Da sind mühselige Gespräche mit Stammesfürsten und Talkönigen nur hinderlich, rauben Zeit und Energie. Freilich wird der gefundene Kopf von Osama bin Laden irgendwann die Lichtkegel noch einmal an den Hindukusch lenken, werden auch die Massaker hier und da an nichtafghanischen Taliban für Schlagzeilen sorgen, aber das sind Folgen des militärischen Taifuns namens unbegrenzte Freiheit, die Karawane der Koalition gegen den Terror wird weiterziehen. Zurück bleiben die Uno, die deutschen Diplomaten und die pittoresken Gäste aus Afghanistan. Und mit ihnen die Scherbenhaufen aus dem Krieg gegen die Taliban.

Das kann auch eine Chance sein. Vertreter der einzelnen Stämme an einen Tisch und zu einem vernünftigen Gespräch zu bringen ist das erste Ziel. Das zweite ist, auch das Mehrheitsvolk der Paschtunen angemessen an diesem Gespräch zu beteiligen. Das ist noch nicht der Fall. Sie sind unterrepräsentiert. Ohne sie gibt es keine Nachkriegsordnung. Vor allem für sie gilt das Wort Churchills, wonach jeder Mann in Afghanistan „ein Krieger, ein Politiker und ein Theologe“ ist. Ohne die Paschtunen wird der Petersberg zu einem Torso, einer Heerschau der großen und kleinen Sieger, einer Ratsversammlung ohne Zukunft.

Das umso mehr, als auf dem ehemaligen Gefechtsfeld sich bereits die neue alte Ordnung wieder etabliert. In den befreiten Provinzen kommen lokale Führer zusammen und organisieren das Leben nach den Taliban. Diese Provinzräte sind die Wirbel im Rückgrat Afghanistans. Das Land ist ohne die Repräsentanz all dieser kleinen und kleinsten Fürsten nicht zu regieren. Ihnen muß man etwas bieten. Die humanitäre Hilfe jetzt und die wirtschaftliche Hilfe für den Wiederaufbau des Landes werden daher wichtiger sein als Konzepte und Pläne für eine staatliche Neuordnung. Wenn das Angebot stimmt, wenn alle davon profitieren, dann werden auch alle kommen. Die Kunst der deutschen, in Afghanistan hochangesehenen Diplomaten besteht darin, mit den eigensinnigen Bergführern ein ausgewogenes Programm der Lebenshilfe auszuarbeiten. Das Geschäft des Todes kennen sie alle. Das Geschäft des Lebens und des verträglichen Miteinanders müssen nicht wenige erst noch lernen. Hier eilt die Zeit. Die Deutschen können durchaus noch zu spät in Afghanistan ankommen. Lim