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01.12.01 Was die großen Parteien zum Thema Familie denken, sagen und planen (Teil I)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Dezember 2001


Gesellschaft:
Heim und Herd sind verfemt
Was die großen Parteien zum Thema Familie denken, sagen und planen (Teil I)
von Jürgen Liminski

Mit der Familie ist es wie mit der Solidarität, der Umwelt oder der Gerechtigkeit. Sie ist in fast aller Politiker Munde, aber kaum in deren Herzen. Dabei wäre ange- sichts des demographischen Defizits und der an Schwindsucht leidenden geistig-moralischen Verfassung der Deutschen eine echte Familienpolitik nötiger denn je. Und sie wird auch eine größere Rolle spielen im kommenden Wahlkampf.

Die erste Schwierigkeit der Familienpolitier ist die Frage: Was ist eine Familie? Es gibt weltweit etwa einhundert ethnologische Definitionen von Familie. Sie reichen vom Stammesverband bis zur Ein-Eltern-Familie. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hält für Deutschland zwölf Familienformen fest. Der fünfte Familienbericht begreift „Familie als eine dynamische Form menschlichen Zusammenlebens“. Der Familienreport ’94, der Bericht der Deutschen Nationalkommission (rund 120 Vertreterinnen und Vertreter der Familienverbände, der Freien Wohlfahrtsverbände, der Tarifvertragsparteien, der Wissenschaft, der Kirchen, der Medienanstalten und der Politik) zum Internationalen Jahr der Familie 1994 versteht Familie als „eine auf Ehe, Abstammung oder Ausübung der elterlichen Sorge gegründete Verbindung von Personen“. Der große Naturrechtler Johannes Messner definierte Familie als Lebens-, Wirtschafts- und Hausgemeinschaft. Rechtlich ist Familie in Deutschland die Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern unter dem Gesichtspunkt der verantwortlichen Elternschaft.

Das ist alles richtig. Früher gab es noch die Großfamilie. Von den rund 14 Millionen Familien sind das heute weniger als ein Prozent, wenn man „groß“ ab fünf Kindern mißt. Heute machen Ein-und Zwei-Personen-Haushalte mehr als 60 Prozent aller Haushalte aus, vor hundert Jahren waren es gerade mal 20 Prozent. Der Wandel der Familienstrukturen reflektiert den Wandel der sozialen Strukturen insgesamt

Die SPD zieht aus all diesen Verhältnissen die Konsequenz und definiert Familie offiziell so: Familie ist da, wo Kinder sind. Inoffiziell allerdings heißt es bei manchen Sozialdemokraten und übrigens auch bei der FDP: Familie ist da, wo ein Kühlschrank steht. Zur Rettung des familienpolitischen Lendenschurzes der SPD sei jedoch darauf hingewiesen, daß auch der Bundeskanzler nicht mehr von „Frauen und das ganze Gedöns“ redet. So hatte er zu Beginn seiner Amtszeit über das Ministerium für „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ gelästert. Nach einem Aufsatz in der französischen Zeitung „Le Monde“ und auch in der „Welt“ ist aus dem „Gedöns“ nun das „Kernelement der Zivilgesellschaft“ geworden. Die Familie stehe im Zentrum „aller Restrukturationsbemühungen der Sozialsysteme“, sie sei die letzte Zufluchtsstätte des Menschen. Aber nach den Lobeshymnen kommen die Nachrufe auf die sogenannte „traditionelle Familie“, auf die „überholte Rolle der Mutter und Hausfrau“. Was Familie für diesen Kanzler eigentlich ist, bleibt also offen. Man hat es aber immerhin schwarz auf weiß, daß es zu den „absoluten Prioritäten“ der Regierung gehört, der undefinierten Familie und vor allem den Frauen zu helfen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Darum und auch um weitere Definitionselemente bemüht sich die stellvertretende Parteivorsitzende Renate Schmidt. Sie will die Förderung der Familie kräftig anheben. Sie hatte sich auch schon für eine Erhöhung des Kindergeldes bis zu 600 Mark ausgesprochen, war dafür aber aus der Partei gerügt worden. Handlungsbedarf sieht die Familienexpertin bei der Betreuung. Sie will den Anteil von Ganztagsschulen erheblich steigern. Damit stimmt sie mit den meisten Familienpolitikern auch der anderen Parteien überein. In allen Parteien wird heute das Hohelied der Vereinbarkeit gesungen und vollmundig in den Chor der Verfemung des Herdes eingestimmt, so als ob dieses arme Küchengerät Teufelswerk wäre. Abgesehen davon, daß der Herd, wie Alfred Biolek unermüdlich zeigt, ein durchaus menschliches Arbeitsfeld ist, hat er auch eine kulturelle Vergangenheit. Auf dem Forum Romanum sind noch heute die Reste des Tempels der Vesta, der Göttin des Herdfeuers zu sehen. Das Herdfeuer war Mittelpunkt des Hauses und des Staates, das Feuer der Vesta hatte immer zu brennen. Im Französischen ist Foyer, die Feuerstelle, gleichzeitig das Heim. Mit der Aufgabe der Feuerstätte zugunsten von Fastfood hat man die Wärme der familiären Gemeinschaft auf die Temperatur des Kühlschranks abgekühlt. Es gibt kaum einen Ort der Erziehung, der markanter wäre als das regelmäßige gemeinsame Essen. Natürlich kann man auf diese Gemeinsamkeit verzichten und den Tisch warmer Gemeinsamkeit durch den Kühlschrank ersetzen, aus dem sich jeder einzeln bedient. Menschlich gesehen ist das ein Rückschritt. Und mit Familie hat das auch nicht mehr viel zu tun.

Die Politik sollte endlich aufhören, den armen Herd zu verfolgen. Die Absicht ist so durchsichtig. Es geht ihr natürlich um die Wählerstimmen, das ist noch legitim, aber vor allem geht es vielen Vereinbarkeitsfanatikern darum, die Frauen mit ideologischer Gewalt in eine sozialpflichtige Erwerbsarbeit zu drängen und somit die Sozialsysteme noch über ein paar Runden weiter, sprich über die nächsten Wahltermine zu schleppen. Wer es ehrlich meint, der schafft Wahlfreiheit. Das ist auch zu finanzieren. Statt jährlich 18 Milliarden Mark für Kindergärten, -krippen, und -horte aufzuwenden und demnächst noch mehr Geld in diese Orte der Betreuung zu investieren, sollte man es den Eltern freistellen, ob sie selber erziehen oder fremdbetreuen lassen wollen. Das geht. Norwegen hat es vorgemacht. Dort zahlt man den Eltern die Kosten für die Betreuung und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen spart man erhebliche Gelder für Verwaltung, Unterhalt und Pflege der Betreuungseinrichtungen, zum anderen gibt man den Eltern Freiheit und damit auch Verantwortung, man entmündigt sie nicht, wie das in sozialistischen Ländern à la DDR üblich war und nun in ganz Deutschland künftig so sein soll.

Dennoch ist die Wende im Denken der SPD bemerkenswert. Sie pflügt neue Furchen in die Wahlkampflandschaft. Eine Art Rochade ist zu beobachten. Während die Unionsparteien eher bemüht sind, sich vom traditionellen Ehe- und Familienbild abzusetzen - auch CSU-Chef Stoiber folgt lieber der Frauenriege in der Union statt auf Leistungsgerechtigkeit und Wahlfreiheit zu setzen -, geht die SPD wieder auf die Familien zu. Und zwar mit Vorschlägen, die gedanklich über das Familiengeld der Union hinausgehen, etwa die „Elternzeit mit Lohnersatz“ im SPD-Papier. Hier wird Erwerbsarbeit mit Familien- und Hausarbeit zeitweise und indirekt gleichgesetzt. Aber ganz glaubwürdig ist die SPD auch damit nicht. Beispiel: Um dem Bundesverfassungsgericht zu genügen, wird der Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende von derzeit 5.616 Mark bis 2005 in drei Stufen über 4.577 Mark 2002 und 2.324 Mark 2003 schließlich auf Null gesenkt. Die Richter hatten die Ungleichbehandlung von Alleinerziehenden und Eltern gerügt. Rot-Grün hätte den Haushaltsfreibetrag also auch für alle einführen können, statt zu streichen. Doch das wäre 20 Milliarden Mark teurer geworden als die geplante Regelung.

Oder: Zusammen mit den Grünen hat sie nicht nur die „Homo-Ehe“ weitgehend durchgesetzt, diese Randgruppen-Klientel somit bedient, sondern auch die Legalisierung der Prostitution auf den Weg gebracht. Prostitution soll als Beruf anerkannt werden, was man der Mutter und Hausfrau verweigert. Das muß erst noch erklärt werden. Ganz ohne Ethik geht es nicht beim Thema Familie.

Es ist heute kein Wagnis mehr, Schwule und Lesben zu hofieren und Prostituierte salonfähig zu machen. Aber es ist mutig, für die Familie einzutreten. Die CDU probiert es zaghaft. In ihrem Papier „Eckpunkte einer neuen Politik für Familien, Eltern und Kinder“ sucht sie Profil in einem Bereich, der immer noch zwei Drittel der Bevölkerung angeht und der schlicht Zukunft garantiert. Der Papst hat anläßlich des zwanzigjährigen Jubiläums der Familienenzyklika Familiaris Consortio daran erinnert, daß die Familie kein Sonderbereich der Gesellschaft sei, sondern zum „Maß allen politischen Handelns“ werden müsse. Alle Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens stünden in einer Wechselbeziehung zur Familie. Familienpolitik als Querschnittsaufgabe, nennt es die Union. Allerdings enthält das Papier auch einige Widersprüche. Zum Beispiel: Elternkompetenz soll gestärkt werden, aber gleichzeitig werden etliche Maßnahmen vorgeschlagen, um die Kinder aus den Händen der Eltern in die staatlicher Einrichtungen zu stellen. Als ob die Eltern - von Einzelfällen abgesehen - nicht am besten wüßten, was für ihre Kinder gut ist. Der Staat soll und kann nicht alles richten, schon gar nicht in der Erziehung.

Immerhin sind bei der CDU aber auch ethische Elemente in der Definition der Familie zu finden. Sie sieht „Familie überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen“.

Die Partei sieht sich selbst in der Verantwortung und verspricht ein Familiengeld von 600 Euro für jedes Kind unter drei Jahren und 300 Euro pro Kind von drei bis siebzehn Jahren. Das Familiengeld „wird steuer- und sozialabgabefrei sein und unabhängig vom Umfang der Erwerbsarbeit und von der Höhe des Einkommens geleistet“. Ferner soll der notwendige Unterhalts-, Betreuungs- und Erziehungsbedarf von Kindern steuerfrei gestellt sein. Mit diesen Vorschlägen kommt die CDU den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes näher als die anderen Parteien (die CSU bleibt beim Familiengeld von tausend Mark pro Kind stecken).

All die Maßnahmen der Parteien halten einem Vergleich der Kaufkraft nicht stand: Allein der steuerliche Freibetrag für Kinder und das Kindergeld machten in den sechziger Jahren rund vierhundert Arbeitsstunden pro Jahr aus, heute sind es weniger als zweihundert.