23.04.2024

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01.12.01 Die bekannte russische Autorin Apollinaria Sujewa zu Gast bei der Agnes-Miegel-Gesellschaft

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Dezember 2001


Erinnerungen an eine große Dichterin
Die bekannte russische Autorin Apollinaria Sujewa zu Gast bei der Agnes-Miegel-Gesellschaft

Zwei Tage nach dem Todestag der Dichterin - dies ist der 26. Oktober 1964 - trafen sich in Bad Nenndorf zahlreiche Mitglieder der Agnes-Miegel-Gesellschaft und Verehrer ihres Werkes. In der Gedenkstunde im Pavillon der Kleeblatt-Seniorenresidenz erinnerten in diesem Jahr nicht nur die Worte Agnes Miegels an ihre Geburts- und Vaterstadt, das „ruhmgekrönte“ Königsberg, nein, den Zuhörern begegnete auch das heutige Kaliningrad in der Darstellung einer dort 1951 in der ersten Generation russischer Einwohner geborenen Schriftstellerin und Lyrikerin. Es ist Apollinaria Sujewa, die schon mehrfach Gast bei den Veranstaltungen der literarischen Gesellschaft gewesen ist. Sie ist derzeit auf Lesereise, um ihr deutschsprachiges Buch „Sprich doch mit mir, du meine Stadt“, gerade erschienen im Geest-Verlag, Ahlhorn, vorzustellen.

Eingestimmt von einem Mo-zart-Andante, eindrucksvoll vorgetragen von Hans-Gerhard Fricke am Flügel und Christine Hagemann, Querflöte, konnte die 1. Vorsitzende der Gesellschaft, Dr. Christa Benz, die erwartungsvollen Anwesenden begrüßen. Sie las zum Beginn eine Rückerinnerung Agnes Miegels an deren schöne Kinderzeit im damaligen Königsberg, das der Dichterin ein unerschöpfliches, farbiges Bilderbuch wurde, indem sie an der Hand des Vaters, die Straßen und Gassen durchwandernd, die Speicher und Bauten und damit die Geschichte der ehrwürdigen Krönungsstadt kennenlernte und für alle Zeiten bewahrte.

Die Eindrücke der heutigen Bewohner der Stadt aus dem Munde der schöngeistigen Apollinaria Sujewa ließen die Hörer gespannt aufhorchen. Die Passagen ihrer Lesung aus dem vorgenannten Buch teilte sie sich abwechselnd mit Brigitte Schulze. Und der Gedichte zu Themen der Stadt und der Nehrungslandschaft gab es eine ganze Zahl, in der sich die empfindliche Lyrikerin offenbarte.

Anekdotisch geschildert, mit lyrischen Untertönen, erfuhr das interessierte Publikum von der ersten Begegnung der Autorin mit Brigitte Schulze und später mit Tamara Ehlert, deren Gedichte sie besonders berührten und deren Verse und Prosastücke sie in einem deutsch-russischen Bändchen 1992 herausgab. In anschaulichen Darstellungen zeigte sie namhafte Personen der heutigen Stadtgeschichte, wie zum Beispiel den Schriftsteller Sem Simkin, allen Mitgliedern der Agnes-Miegel-Gesellschaft von seinen Besuchen in Bad Nenndorf wohlbekannt. Einen Blick in die bemerkenswerte Familiengeschichte der Autorin brachte die lebendige Schilderung ihrer Großmutter Vera, die seit der Revolution als kämpferische Verfechterin der kommunistischen Idee alle Höhen und Tiefen Rußlands durchlebte und ob ihrer geraden Haltung von ihrer Enkelin durchaus verstanden wurde.

Das in Jahrzehnten langsame Ineinanderübergehen des alten Königsberg mit noch vielen deutschen Überlieferungen in das neue, nunmehr von den russischen Einwohnern bestimmte Kaliningrad zeigte Apollinaria Sujewa sehr realistisch auf, so daß die Autorin sagen konnte: „In dieser Stadt ist alles möglich. Das ist Kaliningrad. Eine Stadt mit doppeltem Boden.“ Und an anderer Stelle hieß es: „In der Geschichte gehören Vergangenheit und Zukunft untrennbar zusammen. Und die Gegenwart ist das Bindeglied zwischen beiden. … Man kann sich von seiner Vergangenheit nicht lossagen. Denn eine verschmähte Vergangenheit kehrt in der Zukunft als schrecklicher Bumerang im Sturzflug zurück.“ In diesem Sinne ist auch der Titel des Buches „Sprich doch mit mir, du meine Stadt“ zu verstehen. Bevor das Duo Fricke und Hagemann mit einer Bach-Sonate diese Lesung harmonisch beendete, sprach Dr. Christa Benz Agnes Miegels Gedicht „Sturmnacht“. Herzlicher Beifall belohnte alle Vortragenden. Inge Hartmann

Gedenken an Agnes Miegel: Zum Todestag der großen Dichterin sprach die russische Autorin Apollinaria Sujewa (l.). Foto: privat