18.04.2024

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08.12.01 Mit dem Bus nach Lötzen, Rastenburg, Steinort, Johannisburg, Kruttina, Kleinort, Nikolaiken …

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Dezember 2001


Reisebericht:
Eine Fahrt nach und durch Masuren
Mit dem Bus nach Lötzen, Rastenburg, Steinort, Johannisburg, Kruttina, Kleinort, Nikolaiken …

In Köslin fand die erste Unterbrechung auf der Busfahrt von Dortmund nach Masuren statt. In Danzig, wo bereits vor Christi Geburt die Goten eine mauerumwehrte Stadt begründet hatten und dessen Schicksal in späteren Jahrhunderten seine selbstbewußte und stolze Bürgerschaft gestaltet hatte, machten wir einen Stadtrundgang, bei dem wir einige Baudenkmäler vergangener Jahrhunderte sahen, die nach der fast totalen Zerstörung bei Kriegsende 1945 von polnischen Restauratoren hervorragend wiederhergestellt worden sind. Die Masuren-Reisenden konnten einen Blick werfen auf das Grüne und das Krantor sowie die Marienkirche und das Rechtsstädtische Rathaus, bevor es weiter ging, dem Tagesziel Lötzen entgegen.

Nach der erster Nacht im masurischen Domizil ging es am Sonntag zunächst nach Heiligelinde, wo in der barocken, 1867 bis 1730 von Jesuiten erbauten Wallfahrtskirche ein kleines Orgelkonzert stattfand. Von Heiligelinde ging es dann weiter nach Rastenburg, wo die alte Wehrkirche, die Burg und das Arno-Holz-Haus besucht wurden. Letzteres wurde im vergangenen Jahr eingerichtet von Rastenburgern, die einst hier gelebt haben, sowie Neubürgern, die heute die kulturelle Vergangenheit dieser im 14. Jahrhundert gegründeten Stadt pflegen. Von Rastenburg ging es dann zur Wolfsschanze, wo das Führerhauptquartier, in dem am 20. Juli 1944 Berthold Graf Schenk von Stauffenberg seinen Anschlag auf Adolf Hitler durchgeführt hat, unter sachkundiger Führung besichtigt wurde. Hier befindet sich heute eine Gedächtnis- und Erinnerungsstätte. Erstaunlich war die Objektivität der Vermittlung des Geschehens vor mehr als fünf Jahrzehnten. Es wurde weder beschwichtigt noch angeklagt. Letztes Ziel an diesem Tag war Steinort, wo seit 1422 die gräfliche Familie von Lehndorff ansässig ist. Letztere spielte nicht nur in der preußischen und deutschen Geschichte eine Rolle. So ist eine Lehndorff, nämlich Herzogin Friederike von Holstein, die Großmutter von König Chri-stian IX. von Dänemark gewesen, der von 1863 bis 1906 die Krone des skandinavischen Königreichs trug. Bemerkenswert an Steinort sind die alten Eichen, die einem alten Lehndorffschen Brauch folgend immer dann gepflanzt wurden, wenn ein neuer Namensträger des Geschlechts geboren wurde. Inmitten einer gepflegten und bebauten Landschaft bot freilich das Steinorter Schloß der Lehndorffs, dessen letzter Besitzer dem Kreis der Männer um Graf Stauffenberg angehört hatte und infolgedessen auch hingerichtet wurde, einen traurigen Anblick des Verfalls. Von Steinort ging es dann zurück nach Lötzen, wo vor Erreichen des Hotels Masury noch eine Stadtrundfahrt unternommen wurde. Leider war die nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel 1827 errichtete evangelische Kirche nicht geöffnet, so daß die Gedenktafel an den Märtyrertod des Bruno von Querfurt 1099 nicht gesehen werden konnte.

Der nachfolgende Montag galt nun der Erkundung einer weiteren masurischen Landschaft. Erstes Tagesziel inmitten der Johannisburger Heide war die Kreisstadt und Namensgeberin dieser Landschaft. Diese Ortschaft, die erst 1645 Stadtrecht erhielt, war während der letzten Kriegstage des Zweiten Weltkrieges noch stark zerstört worden. Es gab allerdings mit Rathaus und Kirche noch manche Erinnerung an die Vergangenheit in einer Region, in der Holzverarbeitung und Baustoffindustrie das Wirtschaftsleben bestimmt haben. Nach Johannisburg war Kruttina das nächste Ziel. Auf dem gleichnamigen Flüßchen wurde eine Stocherkahnfahrt unternommen, ein unvergeßliches Naturerlebnis. Von hier wurde dann als nächstes Ziel in Kleinort das Haus angesteuert, in dem der masurische Dichter Ernst Wiechert 1887 zur Welt kam. Deutsche und Polen haben es zu einer würdigen Gedenkstätte für diesen Ostpreußen gestaltet. Hier wurde die Gruppe über Leben und Werk des 1950 in der Schweiz Verstorbenen unterrichtet. Von Kleinort ging es über Nikolaiken zurück nach Lötzen, wo die 1887 erbaute Festung Boyen besucht wurde. Auch dieser Tag war ein vielfältiges Erleben von Kultur und Geschichte.

Der Mitteltag der Ostexkursion, sollte einen weiteren Höhepunkt dieser Reise bringen, denn nur wenige Meter vom masurischen Domizil entfernt startete die Gruppe zu einer fast vierstündigen Fahrt von Lötzen nach Nikolaiken mit dem Schiff, wo es vom Mauersee zunächst in den Löwentinsee ging und aus diesem durch Kanäle und kleinere Seen dann zum Endziel am Spirdingsee, dem größten See Masurens. In Nikolaiken wurde auch der angekettete Stinthengst nebst dazugehörender Sage zur Kenntnis genommen, und hernach in der freien Zeit bis zur Abfahrt des Busses erlagen viele Gruppenzugehörige dem Bernsteinfieber, das eigentlich während der ganzen Reise latent vorhanden gewesen war. Von Nikolaiken ging es dann über Sensburg, das wir bereits bei der Anfahrt nach Lötzen durchfahren hatten, und Zondern am ostpreußischen Rhein, dem heutigen Rhyn, vorbei zurück zu unserer Lötzener Unterkunft.

Der nachfolgende sechste Reisetag brachte den Abschied aus dem Gebiet der Wälder und Seen, und die Gruppe fuhr zunächst nach Allenstein. In der 1843 vom Domkapitel des Bistums Ermland gegründeten Stadt wurden das Schloß und die Jacobikirche besichtigt. Nächstes Hauptziel an diesem Tag war der Oberländische Kanal mit seinen berühmten schiefen Ebenen. Wenn man bedenkt, daß es diese geneigten Ebenen bereits seit fast 150 Jahren gibt, kann man vor solch einer technischen Meisterleistung wirklich nur den Hut ziehen. Nachdem auch dieser Punkt mit einer Schiffsfahrt über eine solche geneigte Ebene abgehakt war, steuerte die Gruppe das Hotel Elzam in Elbing an, wo wir die nächsten beiden Nächte verbringen sollten.

Am siebenten Tag stand der Besuch der Marienburg an, und damit jenes Bauwerkes des Deutschen Ordens, das ab 1309 Sitz der Hochmeister gewesen ist, ehe sie nach den unglücklichen Geschehnissen, die der Schlacht von Tannenberg 1410 folgten, ihre Residenz nach Königsberg verlegten. Auch dieses bedeutsame Bauwerk darf man getrost als architektonische Meisterleistung bezeichnen. Von der Marienburg, die polnische Restaurateure nach der nahezu völligen Zerstörung wahrlich meisterhaft wiederhergerichtet haben, ging es über Elbing, Kandinen und Tolkemit nach Frauenburg, wo im Mittelpunkt des Interesses der Dom stand. Nach einem kleinen Orgelkonzert wurden die Wehrkirche und das Kopernikus-Museum besichtigt. Nikolaus Kopernikus setzte an die Stelle des geozentrischen Weltmodells das heliozentrische, bei dem die Planeten sich um die Sonne bewegen und die Erde täglich um die eigene Achse routiert. Hier am Ufer des Frischen Haffs hat der 1473 in Thorn geborene Wissenschaftler seine astronomischen Erkenntnisse niedergeschrieben.

Mit der Abfahrt von Elbing nach der zweiten Nacht im Hotel Elzam deutete sich langsam das Reiseende an. Eine Kurzvisite wurde der 1231 gegründeten Geburtsstadt von Kopernikus abgestattet. Neben dem Artushof waren in der ersten Stadtgründung des Deutschen Ordens im Pruzzenland die Johanneskirche, die Heilige-Geist-Kirche und die Marienkirche Zielpunkte. Nach dem Verlassen Thorns wurde über Hohensalza und Gnesen schließlich Posen erreicht, wo im Hotel Polonez ein letztes Mal gemeinsam übernachtet wurde.

Eine schöne Zeit mit vielen Erlebnissen und neuen Erkenntnissen neigte sich nun unwiderruflich ihrem Ende zu, denn der neunte Tag der Gemeinschaft erledigte sich fast wie von selbst. In Frankfurt an der Oder ging es mit dem Grenzübergang nicht sehr flott. Mehr als zwei Stunden betrug die Wartezeit für eine Abfertigungsdauer von vielleicht zehn bis fünfzehn Minuten. Danach ging es eigentlich recht flott über Hannover nach Dortmund, wo die Letzten der Reisegruppe einander „Auf Wiedersehen“ sagten. Horst Glaß

Rastenburg: Arno-Holz-Haus Fotos (3): Glaß

Nikolaiken: Der Stinthengst

Steinort: Gut Lehndorff