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15.12.01 Die Folgen der Einführung der Gemeinschaftswährung für den ungefragten Bürger

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Dezember 2001


Der Weg in den Euro
Die Folgen der Einführung der Gemeinschaftswährung für den ungefragten Bürger

Der Rauch, der beim Bargeldumtausch von zwölf nationalen Währungen in neue Euro-Banknoten aufstieg, wird nach dem Geldtausch am Jahresanfang 2002 und der noch eingeräumten „Nachfrist“ unter Einschaltung der alten nationalen Notenbanken bald verweht sein. Für 300 Millionen Europäer gibt es dann nur noch die Gemeinschaftswährung, an welche sich die Bürger nolens volens gewöhnen müssen. Das Überrumpeln der Stimmbürger zur Einführung des Euros ist den Politikern gelungen, wenn auch nicht für ganz Europa. Im Norden behalten Großbritannien und die skandinavischen Länder mit Ausnahme von Finnland ihre nationalen Währungen bei. Nach Osten soll sich der Euro-Raum alsbald ausdehnen. Zu den ersten Aspiranten für die Übernahme des Gemeinschaftsgeldes werden die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und vielleicht zwei baltische Staaten gehören. Ob nun in vier oder erst in sieben Jahren: Der Zirkulationsraum für das europäische Geld wird in diesem Jahrzehnt wahrscheinlich noch bis an die Grenzen der früheren Sowjetunion verschoben werden.

Je überschaubarer der Währungsraum ist, desto leichter fällt es, Wirtschafts- und Währungspolitik auf einen Nenner zu bringen. Viel, viel schwerer ist es, die Wirtschaft auf einer Insel vor der griechischen Festlandküste und die des deutschen Ruhrgebietes zu koordinieren und über Zinsen und Geldmengen zu harmonisieren. Mit diesem Problem wird die Europäische Zentralbank, solange sie besteht, zu leben haben. Per saldo aber - und das ist das Entscheidende - wird die Zentralbank in der Diskussion mit den Regierungen den kürzeren ziehen, und die Qualität des neuen Geldes wird sich schleichend von Jahr zu Jahr verschlechtern.

Es hat jedoch keinen Sinn, nun zu schmollen. Der Zeitpunkt ist verpaßt, gegen die nach Ansicht vieler Experten zu schnelle Abschaffung des nationalen Geldes zu protestieren. Da hätte man vorher auf die Straße gehen müssen. Nur wenige haben es versucht. Vor allem in Deutschland hat sich keine Persönlichkeit in den etablierten Parteien gefunden, die - das Heft in die Hand nehmend - das Volk aufgerüttelt und zum Protest aufgerufen hätte. Dies hätte bei den Regierenden in Berlin Eindruck gemacht. Jede der politischen Parteien hätte da gesehen, wie gefährlich es sein kann, einfach über die Köpfe der Bürger hinweg das eigene Geld abzuschaffen und gegen neues einzutauschen, dessen Qualität noch niemand kennt. Jetzt kommt es darauf an, mit dem neuen Geld zu leben - solange bis es eines Tages genauso gestorben sein wird wie heute die D-Mark und die anderen nationalen Umtauschwährungen.

Aber so ganz resignieren sollte man doch nicht. Im Vorfeld des Bargeldumtausches ist eine ganze Reihe von Büchern und Broschüren zum Thema erschienen, geschrieben von Professoren, aber zum Teil auch von Praktikern.

Zur Jahresmitte 2001 ist zum Beispiel von den Währungswissenschaftlern Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty die Broschüre mit dem Titel „Die Euro Illusion“ erschienen. Im Untertitel wird die ketzerische Frage gestellt „Ist Europa noch zu retten?“ Die vier Professoren haben sich Mühe gegeben, das Thema streng von der juristischen Seite her zu beleuchten und den Nachweis zu erbringen, daß eigentlich das Bundesverfassungsgericht verpflichtet gewesen sei, „ein klares Nein zum Euro“ zu diesem Zeitpunkt auszusprechen.

Die Professoren stellen schlicht fest: „Wenn ein Drittel der Mitgliedsländer über relativ stabile Währungen verfügt, ein weiteres Drittel als halbstark anzusehen ist und ein letztes Drittel einwandfrei aus schwachen Kandidaten besteht, dann kann am Ende keine starke Währung herauskommen, so sehr man auch die formelle Erfüllung gewisser Konvergenzbedingungen durchzusetzen verstehen würde.“

Folgendes Fazit ziehen die Professoren: „Wir müssen damit rechnen, daß wir in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts mit einem schlechteren Geld zu leben haben, als wir es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland mit der DM gewöhnt waren.“

Als besonderer Skeptiker erweist sich auch Heinz Brestel, der sich in seiner jährlich erscheinenden Publikation „Kapitalanlagen“ wie folgt äußert: „Es ist nicht so schwer, angesichts einer Politik in Europa, die hauptsächlich auf Bewahren sozialer Errungenschaften basiert und in der Zug um Zug die Freiheit des einzelnen Bürgers und Unternehmens eingeschränkt werden wird, vorauszusagen, daß der Euro im Wettbewerb mit dem Dollar der Verlierer werden wird.«

Brestel ist einer der angesehensten deutschsprachigen Finanzjournalisten. Er gehört zur Gründerredaktion der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und ist deren Kolumnist am Finanzplatz Zürich. Er sagt ferner voraus, daß statt des ursprünglichen Wechselkurses von fast 1,20 Dollar pro Euro in fünf Jahren wahrscheinlich nur noch 75 Dollar-Cent für den Euro gezahlt werden. Nach zehn Jahren könne der Kurs sogar bis auf 70 bis 65 Cent fallen. Wohlgemerkt stets unter der Bedingung, daß die Europäer nicht über ihren Schatten springen können und auch in Zukunft „ihr eigenes ökonomisches Süppchen kochen werden“. Dies werde einen hohen Preis haben: „Wir Europäer werden in Relation zu den Amerikanern ärmer werden, ärmer mit dem neuen Geld, von dem wir uns ,so gut wie nicht mehr befreien‘ können.“

Die Diskussion über Pro und Contra »Euro« wird - das kann wohl prophezeit werden - nie abebben, weil es wohl nie parallel auch ein einheitliches politisches Europa geben kann. Die Meinungsunterschiede über den Sinn oder Unsinn des gemeinsamen Geldes ohne politische Wurzeln bleiben tief. Da fällt einem zum Schluß dieser Betrachtung das klassische Zitat von Friedrich Schiller ein, der als Historiker vor 200 Jahren seherisch im „Wilhelm Tell“ Stauffacher sagen ließ: „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.“ Worauf Tell anwortete: „Der Starke ist am mächtigsten allein.“ Karl H. Lincke

Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl A. Schachtschneider und Joachim Starbatty: „Die Euro-Illusion, Ist Europa noch zu retten?“ Rowohlt TB, Reinbek bei Hamburg, 2001. 344 Seiten. ISBN 3-499-23085-2. Preis: 19,90 DM / 9,90 Euro.

Heinz Brestel (Hrsg.): „Kapitalanlagen 2002“. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main, 2001. 344 Seiten. ISBN 3-89843-051-0. Preis: 79,80 DM / 39,90 Euro.