26.04.2024

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22.12.01 Weihnachten 2001 - Rückblick auf das Preußenjahr

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Dezember 2001


Weihnachten 2001 - Rückblick auf das Preußenjahr:
Preußentum und Christentum
von Hans-Jürgen Mahlitz

Nun neigt es sich dem Ende zu, das Preußenjahr 2001. Der bevorstehende Jahreswechsel ist für uns Anlaß zurückzublicken: Was hat es gebracht? Was wird bleiben? Ist die „Idee Preußen“ rehabilitiert? Oder muß sie, wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten, bald wieder herhalten als Symbol für alles Böse dieser Welt? Oder - fast genauso schlimm - wird sie nach all den eindrucksvollen 300-Jahr-Festakten, Ausstellungen, Büchern und sonstigen Beiträgen nun wieder eingemottet bis zum nächsten „runden“ Geburtstag?

Antworten, die immer nur Mutmaßungen sein können, nähern wir uns, indem wir neben dem Jahreswechsel das andere bevorstehende Fest einbeziehen. Weihnachten, das ist schließlich, trotz Christmas-Werberummel, „shopping-stress“ und oft überzogenen Geschenk-Orgien, eines der zentralen christlichen Feste. Die Geburt Christi, nach neueren Erkenntnissen irgendwann im Jahre 5 „vor Christi Geburt“ im jüdisch besiedelten, römisch beherrschten Palästina, markierte den ersten Teil der alttestamentlichen Weissagung vom kommenden Retter und Erlöser; den zweiten Teil löste das Karfreitags- und Ostergeschehen ein.

Hier schließt sich der Kreis: So, wie das Christentum nicht denkbar wäre ohne Weihnachten, so wäre die „Idee Preußen“ auch nicht denkbar ohne ihre christlichen Wurzeln. Anders formuliert: Ohne die starke Verankerung im Christentum wäre das Preußentum wohl genau das, als was es seine ärgsten Kritiker schon immer fehlinterpretiert haben.

Preußens erster König, Friedrich I., hat am Vorabend seiner Selbstkrönung in Königsberg den Hohen Orden vom Schwarzen Adler gestiftet, dessen erste Aktivitäten die Gründung eines Waisenhauses, eines Gymnasiums (prominenteste Schüler: Kant und Herder) sowie eines eigenen Begräbnisplatzes für die Königsberger Juden waren.

Die Devise des Ordens lautete: Suum cuique = Jedem das Seine. Dies sollte auch die Devise der „Idee Preußen“ werden. Zwar ist sie sprachlich auf den vorchristlichen römischen Denker Cicero zurückzuführen. Der im Preußen des 18. Jahrhunderts damit verbundene Kerngedanke aber ist zutiefst christlich; der König legt sich damit fest auf die Rolle als „Wahrer des Rechtsstaates, Verteidiger und Schirmherr des Glaubens, Treuhänder und Diener für jedermann, um der Untertanen willen“, wie es der Historiker Kurt Kluxen formulierte. Mit „Verteidiger und Schirmherr des Glaubens“ war übrigens von Anfang an nicht engstirniger Konfessionalismus gemeint, sondern jene religiöse Toleranz, die Friedrich der Große mit seinem legendären „Jeder nach seiner Façon“ zum Ausdruck brachte.

Suum cuique, Jedem das Seine - das war nach dem Willen Friedrich I. der Maßstab, an dem sich das neue Königreich messen lassen wollte. Diese Verbindung von Christentum und Aufklärung machte Preußen zum ersten modernen und für lange Zeit vorbildlichen Rechtsstaat des europäischen Kontinents. So kam Professor Wolfgang Stribrny in seinem Vortrag auf dem Jubiläums-Festakt der Landsmannschaft Ostpreußen zu Recht zu der Feststellung, die Stiftung des Schwarzen-Adler-Ordens am 17. Januar 1701 in Königsberg sei wichtiger gewesen als die Krönung am Tage darauf.

In der Tat: Ohne die Einbindung der preußischen Staatsräson in ein christlich geprägtes Wertesystem hätte es keine „preußischen Tugenden“ im wohlverstanden positiven Sinne geben können. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Fleiß, Gemeinsinn, Treue - das sind schließlich Werte, die nicht in Königsberg und auch nicht in Potsdam erfunden wurden. Sie begegnen uns bereits im alten Testament, in den Zehn Geboten. Und Jesus Christus, des- sen Geburtstag wir an Weihnachten feiern, hat die Welt eindringlich an genau diese Werte erinnert. Sie waren schon damals, vor zweitausend Jahren, weitgehend in Vergessenheit geraten, ein Vor- gang, der eben kein „Privileg“ unserer Tage ist.

Nach der ursprünglichen Lehre sind die christlichen Werte nicht nur Rahmen des religiösen Lebens, sondern auch Richtschnur des staatlich organisierten Zusammenlebens der Menschen. Diese Funktion aber ging mehr und mehr verloren; absolutistische Herrschaftssysteme, wie sie sich zum Beispiel in Frankreich entwickelten, benutzten die Religion allenfalls noch als willkommenes Disziplinierungsmittel. In ihrem eigenen staatlichen Handeln ließen sie die Grundforderungen der christlichen Lehre nicht gelten. L’état c’est moi, der Staat, das bin ich - darüber wurde keine Instanz geduldet.

Ein solcher Satz aber wäre von preußischen Herrschern des 18. Jahrhunderts undenkbar. Hier sah sich der König als erster Diener seines Landes und seines Volkes, er unterwarf sich dem sittlichen Gebot, mit Gott als oberster Instanz.

So entstand in Preußen jenes geistige Klima, das schließlich einen Immanuel Kant, den weltweit berühmtesten Sohn der ostpreußischen Hauptstadt, hervor- bringen konnte. Er brachte - die Inschrift auf seinem Grabmahl (Foto oben links) bestätigt es - das Kunststück fertig, ethische Kernaussagen so zu formulieren, daß sie sowohl vom philosophischen wie vom theologisch-religiösen Gesichtspunkt aus unanfechtbar sind. Das geht wohl wirklich nur in einem Land, in dem Harmonie von Christentum und Aufklärung Verfassungsrang hat.

Was der erste König mit der Stiftung des Schwarzen-Adler-Ordens signalisiert und Immanuel Kant in so unübertrefflichen Worten festgelegt hatte, wurde natürlich nicht immer in der Geschichte Preußens gebührend beachtet. Es gab, wie in jedem Staat, stärkere, aber auch schwächere Herrscherpersönlichkeiten, es gab Phasen, in denen die christliche Grundlage der preußischen Werte in Vergessenheit zu geraten drohte. Und ohne die Kontrollfunktion des Kant’schen Imperativs konnten aus Tugenden dann auch Unarten werden - oder Schlimmeres. Hier fanden dann die Kritiker, Gegner und Feinde der „Idee Preußen“ immer wieder ihre Munition, hier stießen sie auf „Militarismus“, „Kadavergehorsam“ und was dergleichen mehr als „typisch preußisch“ vermarktet wurde.

In Preußen, wie in anderen Ländfern auch, gab es solche Entartungen. Aber „typisch preußisch“ waren sie nie. „Typisch preußisch“ waren immer, seit 300 Jahren, jene Tugenden, die sich aus Kants Einklang von Vernunft und christlichem Glauben ergaben.

Diesen Gedanken bewußt zu machen und dauerhaft im Bewußtsein zu halten, war das eigentliche Ziel dieses Preußenjahres. Der erste Teil ist gelungen; lange nicht mehr ist über Preußen so viel und so positiv geredet und geschrieben worden wie 2001.

Dies über den Jahreswechsel hinaus zu bewahren, ist auch die Aufgabe dieser Zeitung. Gerade ein Ostpreußenblatt ist dazu prädestiniert: Ostpreußen war das Kernland Preußens, seine Hauptstadt Königsberg der „Geburtsort“. Und auch dies gehört mit zur Geschichte: Das unglaublich schwere Schicksal, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Ostpreußen traf, hätten sie ohne einige dieser „preußischen Tugenden“ wohl nicht meistern können. Die „Idee Preußen“ ist zu beträchtlichen Teilen eine ostpreußische Idee - daher ist der Zusatztitel „Preußische allgemeine Zeitung“ kein Widerspruch, sondern die logische Ergänzung des „Ostpreußenblattes“.


Im Wandel der Zeiten: Den 200. Jahrestag der Gründung des Königreichs Preußen bejubelten die Menschen mit bunten Postkarten, zum 300. Jubiläum reichte es nur noch für eine Briefmarke mit verstümmelter Adlerschwinge.