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22.12.01 Preußische Zeitung/ Hoffnungsträger der Marine

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Zeitung/ Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Dezember 2001


Hoffnungsträger der Marine
Erinnerungen an Wolfgang Lüth

Günther Prien ist sicherlich der bekannteste deutsche U-Boot-Kommandant, doch der erfolgreichste war ein anderer, Wolfgang Lüth. Letztgenannter wurde am 15. Oktober 1913 in Riga geboren, wo er auch das Naturwissenschaftliche Gymnasium besuchte und nach dem Abitur drei Semester Jura am Herder-Institut studierte. Doch waren die Paragraphen nicht seine Welt. Nachdem seine Eltern ihr Einverständnis erklärt hatten, meldete er sich im Frühjahr 1933 zur Reichsmarine. Nach bestandener Seeoffiziers-Hauptprüfung an der Marineschule Flensburg-Mürwik, die er nicht einmal ein Jahrzehnt später leiten sollte, wurde er am 1. Oktober 1936 zum Leutnant zur See befördert. Ein Jahr darauf meldete er sich zur U-Boot-Waffe. Als er am 1. Juni 1938 zum Oberleutnant befördert wurde, war er bereits Kommandantenschüler. Nachdem er auf U 38 und U 13 als Erster Wachoffizier beziehungsweise stellvertretender Kommandant gedient hatte, erhielt er wenige Wochen nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit U 9 sein erstes eigenes Boot.

Das am 21. August 1935 in Dienst gestellte Traditionsboot vom Typ II B hatte die Nummer des legendären U-Bootes, mit dem Kapitänleutnant Otto Weddigen im Ersten Weltkrieg vier britische Kreuzer innerhalb nur eines Monats versenkt hatte. Lüth waren diese Erfolge natürlich nicht unbekannt, aber er wußte auch, daß Weddigen letztlich in seiner Risikobereitschaft zu weit gegangen war und Leben wie Boot verloren hatte. Lüth begriff dieses Schicksal als Mahnung zum "safety first". Die Sicherheit des Bootes und dessen Besatzung sollte für ihn Priorität vor dem Erfolg haben. Möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, daß er den Krieg überlebte. Nichtsdestoweniger war er auf seinen insgesamt 16 Feindfahrten mit zusammen 609 Tagen auf See sehr erfolgreich.

Bereits auf seinen sechs Feindfahrten mit U 9 gelangen ihm die ersten Erfolge, darunter die Versenkung des französischen U-Bootes "Iris". Es folgte die Beförderung zum Kapitänleutnant. Am 27. Juni 1940 stellte er mit U 138 ein neues Boot des Typs II D in Dienst. Es hatte dank seines größeren Treibstoff-Fassungsvermögens einen größeren Aktionsradius und war durch stärkere Elektromotoren bei der Unterwasserfahrt um 0,4 Knoten schneller, doch handelte es sich auch bei U 138 nur um ein Einhüllen-Küstenboot, einen sogenann–ten Einbaum. Dennoch war er auf seinen zwei Feindfahrten mit diesem Boot so erfolgreich, daß er am 24. Oktober 1940 als 19. Soldat der U-Boot-Waffe und 17. Kommandant eines U-Boots das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhielt. Lüth wurde noch in einer anderen Weise ausgezeichnet. Endlich erhielt er mit dem von Kapitänleutnant Ambrosius übernommenen U 43 vom Typ IX A ein für die hohe See geeignetes Zweihüllenboot. Am 9. November 1940 lief Lüth mit seinem nunmehr dritten Boot das erste Mal aus. Auf seinen drei Feindfahrten in den Atlantik gelang es ihm, 13 Schiffe mit insgesamt 68 877 BRT zu versenken. Nach seiner Rückkehr von der dritten Fahrt erhielt Lüth eine der größten und modernsten Waffen, welche die Wehrmacht ihren U-Boot-Männern zu jener Zeit zur Verfügung stellen konnte, ein Zweihüllenboot für weite ozeanische Verwendung vom Typ IX D 2. Mit 31 500 Seemeilen Fahrbereich konnten diese Boote mehr als einmal den Erdball umlaufen, ohne Treibstoff übernehmen zu müssen. Am 9. Mai 1942 stellte Wolfgang Lüth mit U 181 eines der insgesamt 29 gebauten Exemplare dieses Typs in Dienst. Das Operationsgebiet der ersten Feindfahrt war der Seeraum um Südafrika. Sie endete, nachdem er zwischenzeitlich als 142. Wehrmachtssoldat das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen erhalten hatte, am 18. Januar 1943. In 129 Seetagen hatte er zwölf Schiffe mit 64 364 BRT versenkt. Am frühen Morgen des 23. März 1943 lief U 181 zur zweiten Feindfahrt aus. Diesmal war der Indische Ozean das Ziel. Acht Tage nach dem Auslaufen wurde Lüth seine Beförderung zum Korvettenkapitän übermittelt und vier Tage nach der Versenkung des ersten Schiffes die Verleihung der Schwerter zum Ritterkreuz mit Eichenlaub. Nach der Versenkung des zehnten Schiffes, der "Clan Mac Arthur", folgten am 11. August 1943 die Brillanten zum Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern.

Lüth war der erste Soldat der Kriegsmarine, der in dieser Weise ausgezeichnet wurde. Herausragend wie diese Auszeichnung war auch seine Erfolsbilanz. Auf dieser am 14. Oktober 1943 endenden Fernfahrt war der Korvettenkapitän nämlich zum erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten des Zweiten Weltkrieges geworden. Die Versenkung von insgesamt 46 Handelsschiffen mit zusammen 245 000 Bruttoregistertonnen war und blieb eine einmalige militärische Leistung.

Mit dieser 16. Feindfahrt endete Lüths Zeit als U-Boot-Kommandant. Anspruchsvollere Aufgaben warteten nun auf ihn, denn der vormalige Befehlshaber der U-Boote, der seit dem Januar jenes Jahres 1943 als Oberbefehlshaber die gesamte Kriegsmarine kommandierte, Karl Dönitz, hatte Großes mit ihm vor – er wollte ihn zu seinem Nachfolger im zuvor bekleideten Amte machen. Rückblickend formulierte es der Großadmiral wie folgt: "Lüth war der geborene Führer der U-Boote. (…) Die deutsche U-Boot-Waffe hat eine Vielzahl guter und eine Handvoll hervorragender Kommandanten gehabt. Aber nur einen Wolfgang Lüth."

In Lüth sah Dönitz die Tugenden eines deutschen Seeoffiziers vereinigt, und so versuchte er, ihn systematisch aufzubauen. Erst einmal wurde dem Korvettenkapitän eine Phase der Regeneration mit Heimaturlaub gegönnt. Immerhin war seine letzte Feindfahrt mit 206 Seetagen die zweitlängste des gesamten Weltkrieges gewesen. In diese Zeit fiel eine längere Vortragsreise, deren Höhepunkt sein Vortrag auf der Befehlshabertagung der Kriegsmarine in Weimar am 17. Dezember 1943 war. In seinem Vortragsthema galt er als Fachmann, "Menschenführung auf einem U-Boot". Einen knappen Monat später, am 15. Januar 1944, wurde er Chef der 22. U-Flottille in Gotenhaven. Am 1. August 1944 wurde er zum Fregattenkapitän befördert. Auf besonderen Wunsch Dönitz’ diente er anschließend als Abteilungsleiter auf der Marineschule Flensburg-Mürwik. Außer der Reihe erfolgte am 1. September 1944 seine Beförderung zum Kapitän zur See. Und am 18. September 1944 wurde er zum Kommandeur der Marineschule ernannt. Noch nicht einmal 31 Jahre alt wurde der Kapitän zur See der erste Kommandeur dieser traditionsreichen Ausbildungsstätte ohne Admiralsstreifen.

Die Sicherheitslage in Mürwik verschärfte sich, als Dönitz mit der Reichsregierung am 3. Mai 1945 den Amtssitz von Plön hierher verlegte und von den Briten, die am 5. Mai 1945 Flensburg besetzten, die Information kam, daß Fremdarbeiter aus dem Flensburger Raum die Schule überfallen wollten. Lüth reagiert hierauf als der für die Sicherheit verantwortliche Kommandeur mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen, denen er schließlich selber zum Opfer fallen sollte. Knapp sechs Tage nach der Kapitulation, in der stürmischen Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1945, überhörte Lüth die Aufforderung eines Wachsoldaten stehenzubleiben. Als er auch auf die zweifache Wiederholung nicht reagierte, schoß der Soldat auf ihn, Kopfschuß. Sechs Kriegsjahre mit 16 Feindfahrten hatte der Hoffnungsträger der deutschen U-Boot-Waffe überlebt, um keine Woche nach dem Schweigen der Waffen an allen Fronten durch die Kugel eines Kameraden zu sterben, der nichts tat, als seinen Befehl auszuführen. Manuel Ruoff