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05.01.02 Dr. Walter Rix referierte bei der Hans-Ludwig Löffke Gedächtnisvereinigung e.V. in Lüneburg

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Januar 2002


»Rußland und Preußen - Freunde oder Gegner«?
Dr. Walter Rix referierte bei der Hans-Ludwig Löffke Gedächtnisvereinigung e.V. in Lüneburg

Schaut man auf die letzten Jahrhunderte der deutsch-russischen Beziehungen zurück, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Preußen/Deutschland und Rußland die Gegensätze trotz des Zweiten Weltkrieges bei weitem überwiegen.“ Diese Aussage machte Dr. Walter Rix, wissenschaftlicher Direktor an der Universität Kiel und Vorsitzender des Ostdeutschen Literaturkreises in einem engagierten, von großer Sachkenntnis zeugenden Vortrag „Rußland-Preußen/ Deutschland - Freunde oder Gegner - Ein Blick in die Geschichte“, im Anschluß an die Mitgliederversammlung des Förderkreises Ostpreußisches Jagdmuseum Hans-Ludwig Löffke Gedächtnisvereinigung e.V. im traditionsreichen Haus der deutschbaltischen Carl-Schirren-Gesellschaft in Lüneburg.

Dr. Rix wählte zum Ausgangspunkt seines Vortrages einen Vergleich der verfassungs- und staatsrechtlichen Tradition Westeuropas einerseits und Preußens/Deutschlands andererseits. Er zeigte auf, daß sich hier sozial-empirische, mechanistische und individualistische Vorstellungen sowie organische, sozialethische und metaphysische Überzeugungen gegenüberstehen. Aus diesem Gegensatz erklärt sich auch die Gegnerschaft der angelsächsischen Mächte gegenüber Preußen, die nicht nur zur Mantelnote des Versailler Diktats vom 16. Juni 1919, sondern darüber hinaus zur völkerrechtswidrigen Auflösung Preußens durch den Kontrollausschuß Nr. 46 vom 28. Februar 1947 führte. Demgegenüber berühren sich Rußland und Preußen in ihrer Staatsauffassung und ihrem Herrschaftsverständnis eng.

Ein gedrängter Überblick verfolgte die wechselvollen deutsch-russischen Beziehungen von der Feindschaft im Siebenjährigen Krieg über das Zusammengehen in den Freiheitskriegen, die Bismarck-Ära, den Krimkrieg, den Berliner Kongreß, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, die spannungsreichen Beziehungen zur DDR bis hin zur Rede des russischen Präsidenten Putin am 26. September 2001 vor dem deutschen Bundestag. In einem Exkurs wurde die Rolle der Stadt Lüneburg bei den Kämpfen der alliierten preußisch-russischen Einheiten gegen die Napoleonische Herrschaft beleuchtet.

Die Schlußfolgerung aus diesem historischen Überblick ergibt, daß die Gemeinsamkeiten zwischen Preußen/Deutschland und Rußland die Gegensätze trotz des Zweiten Weltkrieges bei weitem überwiegen. Die historischen Gemeinsamkeiten können eine fruchtbare Grundlage für eine zukünftige Verständigung abgeben. Viele Russen studierten an deutschen Universitäten, als das Bildungssystem in ihrer Heimat noch nicht entwickelt war. Viele Deutsche halfen beim Aufbau des russischen Hochschulwesens. Ein Zar und die meisten Zarinnen waren gebürtige Deutsche, ebenso viele Staatsmänner und hohe Offiziere, Theaterdirektoren und Archäologen, Erfinder und Entdecker, Poeten, Revolutionäre und eine besonders große Zahl ungewöhnlicher Frauen. Mehrere russische Adelsgeschlechter führen ihren Stammbaum auf deutsche Einwanderer zurück. Besonders eng sind die Bindungen in der Musik, der Literatur und der Philosophie. Unerschöpflich fruchtbringend sind die Wechselbeziehungen in der Romantik. Russen und Deutsche weisen gerade in diesem Bereich eine tiefe Seelenverwandtschaft auf.

Bei Preußen/Deutschland und Rußland handelt es sich um zwei Festlandmächte, die eine in europäischer Mittellage, die andere als Macht der eurasiatischen Festlandmasse. Bei generalisierender Betrachtung erweisen sie sich damit als Nachbarn, die in natürlicher Weise aufeinander bezogen sind. Allein aus diesen Voraussetzungen heraus ergibt sich eine Interessenkonvergenz, die ausgeprägter ist als der Zusammenfall mit Interesse der Mächte jenseits des Atlantiks oder am atlantischen Westsaum Europas. Der militärische Konflikt zwischen der europäischen Mittelmacht und dem gewaltigen russischen Reich muß, wie es Clausewitz bereits formuliert hat, in eine europäische Katastrophe führen. Umgekehrt bedeutet der Interessenausgleich zwischen beiden Mächten Stabilität und Prosperität für Europa. Eine ausschließliche Westfixierung der deutschen Optik, wie sie als Folge der stalinistischen Verbrechen nach 1945 eingetreten ist, kann langfristig nicht im deutschen Interesse liegen. Auch in Zukunft gibt es zwischen Deutschland und Rußland Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten, die eine tragfähige Politik ermöglichen. Keinesfalls darf sich Deutschland zukünftig dadurch mißbrauchen lassen, daß es im Interesse überseeischer Mächte gegen Rußland in Stellung gebracht wird. Preußen bietet ein historisches Beispiel dafür, daß bei allen Konflikten mit Rußland ein fruchtbarer Ausgleich gefunden werden kann.

Die Vorsitzende, Dr. Barbara Loeffke, hatte zur Einführung in das Thema Stimmungsbilder von namhaften Repräsentanten ostpreußischer und russischer Literatur zu Gehör gebracht, die mancherlei Ähnlichkeiten zwischen den benachbarten Völkern, vor allem bei Natur und Mensch, erkennen ließen. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Domagoj Andric mit Werken von Rachmaninow und Tschaikowsky. R. L.

Interessierte Zuhörer: Vorstandsmitglied Dr. Karsten Uffhausen, Dr. Barbara Loeffke, Dr. Walter Rix, Babette Baronin von Sass (von links) Foto: privat