28.03.2024

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12.01.2002 Schlittenpartie

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Januar 2002


Schlittenpartie
von Hannelore Spathelf

Bei guter Führung erlaubte meine Mutter uns Kindern am Wochenende, ein Pferd vor unsere Rodenschlitten zu spannen, und auf ging’s ins Dorf. Alles, was Kopf, Beine und einen Schlitten besaß, war herzlich eingeladen. Die Kinder bildeten eine Kette, die bei uns eingehängt wurde. Derjenige, der auf dem letzten Schlitten saß, mußte sich an den Sitz krallen, um nicht unter schallendem Gelächter aus den Kurven zu fliegen. Stunden verbrachten wir bergauf-bergab, hüpften über Schneewehen und ließen uns durch Schneegestöber nicht den Spaß verderben. Unter lautem Hallo verlor oft jemand die Ballance und mußte keuchend hinterherlaufen, bis er uns einholte. Dampfte das Pferd zu sehr, wurde eine langsame Gangart eingeschlagen, um mit dem Kutscher keinen Ärger zu bekommen.

Mit roten Backen und leicht lädiertem Hintern erreichten wir vor Dunkelheit Haus und Hof. Jeder koppelte sich nach und nach wieder los, und die Finger schmerzten vor Kälte. Nie werde ich die wohlige Wärme auf der grünen Kachelofenbank in der Diele vergessen! Auch nicht den qualmenden Kachelofen im Eßzimmer bei Nordwind.

Zeigte das Thermometer morgens unter 20 Grad, durften wir Fahrschüler zu Hause bleiben, und mit diesem Wunsch gingen wir abends ins Bett. Oft fanden wir im hohen Schnee nicht mehr richtig die Straße zum Bahnhof und kippten prompt mit dem Schulschlitten um. Zuerst mußten die unruhigen Pferde freigeschaufelt werden, und erst dann konnten wir uns aus den Pelzfußsäcken befreien. Da die Pferde immer vor der Zugpfeife scheuten und fast durchgingen, merkte man erst nach einer ganzen Weile, daß man mich verloren hatte. Wer vorne saß, verlor den Hintermann aus den Augen, weil man im Wagen Rücken an Rücken saß. Kläglich fand ich mich in besagtem Fußsack hinter der ersten scharfen Kurve auf einem Kohlenhaufen wieder.

Kriminell wurde der Transport, wenn die Remonten eingefahren wurden. Nicht selten landeten wir im Bruch oder in einer Quelle mit wunderschönen Butterblumen und konnten nur beten, daß sich ein herannahendes Gespann unserer Seelen erbarmte. Diese Unternehmen ähnelten oft einer Himmelfahrt!