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26.01.02 Spanien setzt seine pragmatische Europapolitik fort

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Januar 2002


Spanien setzt seine pragmatische Europapolitik fort
Auch während seines Vorsitzes in der EU verfolgt das Land konsequent eigene Interessen
von Pierre Campguilhem

Gemäß einer zuverlässigen diplomatischen spanischen Quelle in Paris, die nicht namentlich zitiert sein wollte, setzt Spanien im europäischen Vereinigungsprozeß lieber auf die konkreten Aspekte dieses Aufbaus als auf den Versuch, eine europäische „Philosophie“ zu entwickeln. Und so ist es nicht erstaunlich, daß dieses Land, das zur Zeit den EU-Vorsitz innehat, seinen Partnern vorschlagen will, „die Starrheiten“ der europäischen Wirtschaft wegzufegen. Das solle vor allem den Arbeitsmarkt betreffen.

Für Spanien bleibt allerdings die oberste Priorität der Kampf gegen den Terrorismus. Wie die Reden des konservativen Regierungschefs José Maria Aznar vor dem Europäischen Parlament in Straßburg und vor allem vor dem spanischen belegt haben, möchte Madrid während seiner EU-Präsidentschaft die Sache so vorantreiben, daß ein Abkommen mit den USA hinsichtlich einer Justiz- zusammenarbeit im Kampf ge-gen den Terrorismus zustandekommt. Sicherlich ist Spanien seit Jahren mit den Kampfhandlungen der baskischen ETA konfrontiert und würde eine Solidarität seiner EU-Partner für seine repressive Politik gutheißen. Es gehe dennoch darum, daß nach den Anschlägen des 11. September der Kampf gegen den Terrorismus als ein wichtiger Teil der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eingestuft werde. Dies betreffend erwarten die Madrider Behörden viel von einem Treffen zwischen der EU und Rußland, das im Mai stattfinden solle. Rußland ist bekanntlich zur Zeit gewillt, sich der Nato zu nähern und im Kampf gegen den Terrorismus seinen vollen Beitrag zu leisten. Insgesamt sollte in diesem Bereich der unter dem belgischen EU-Vorsitz letztes Jahr erreichte Kompromiß weiter entwickelt werden, damit konkrete und praktische Folgen daraus zu registrieren seien.

Spanien werde, so hieß es weiter, besonders die Zusammenarbeit mit den Staaten des Mittelmeerraumes und mit den lateinamerikanischen Ländern fördern. Ende April werde ein Gipfeltreffen der Außenminister der EU und der Mittelmeerstaaten in Valencia abgehalten werden. Im Mai kommen Abordnungen der EU und Südamerikas zusammen, und es wird erwartet, daß bei dieser Gelegenheit ein Freihandelsabkommen mit Chile unterzeichnet wird. Freihandelsverhandlungen mit dem Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) seien im Gange. Wie unser Gesprächspartner unterstrich, ist der Madrider Gipfel mit den lateinamerikanischen Staaten besonders bedeutsam, denn es wird der erste solche Gipfel seit dem von Rio de Janeiro vor zwei Jahren sein.

Der Schlußgipfel des spanischen EU-Vorsitzes findet in Sevilla am 21. und 22. Juni statt. Offensichtlich wurde die Wahl dieser andalusischen Stadt damit begründet, daß der Militärairbus A 4000-M dort gefertigt werden soll. Spanien will 27 Flugzeuge dieses Typs erwerben und wird mit 14 Prozent an den Kosten der Beschaffung beteiligt. Vom Gipfel von Sevilla kann man also erwarten, daß Deutschland, das sich zum Ankauf von 73 Maschinen bereit erklärt hat, dessen Parlament aber erst nach der Bundestagswahl vom 22. September darüber abstimmen wird, den Druck seiner Partner bei diesem militärischen Vorhaben erkennt.

Unser Gesprächspartner betonte nämlich, daß ein gutes Einvernehmen zwischen dem konservativen Aznar und dem Sozialisten Javier Solana herrsche, einem ehemaligen spanischen Minister, der in der EU für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich ist und sicherlich Druck auf die deutschen Parteien ausüben wird, um sie zu veranlassen, den Bau des Militärairbus zu bewilligen.