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26.01.02 Serie: Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (IX)

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Januar 2002


Serie:
Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen (IX)
Hochmeister, Friedensfürst und Mehrer des Landes
von Friedrich Borchert

Konrad von Jungingen (1393 - 1407) war der elfte Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen und der fünfundzwanzigste seit dessen Gründung im Jahre 1198. Nach dem plötzlichen Tod seines Vorgängers war für vier Monate der Großkomtur Wilhelm v. Hellfenstein als Statthalter eingesetzt worden, bis der Wahlkonvent am 30. November 1393 Konrad v. Jungingen zum Hochmeister wählte.

Der neue Hochmeister entstammte einem schwäbischen Reichsrittergeschlecht, das unweit von Hechingen beim Ort Jungingen auf einer bewaldeten Anhöhe seine Stammburg hatte, von der noch heute Fundamentreste zeugen.

Von Konrads Ordenslaufbahn ist lediglich bekannt, daß er bis 1390 Hauskomtur auf dem Konventshaus Osterode gewesen ist und danach fast drei Jahre lang als Oberster Treßler im Haupthaus Marienburg der Schatzmeister des Ordens war und unter Oberaufsicht des Großkomturs das Finanz- und Zahlungswesen leitete.

Konrad war ein liebenswürdiger, frommer Mann und genoß großes Ansehen. Seiner Neigung und seiner großen Gläubigkeit nach war er ganz Friedensfürst. Er mahnte wiederholt, keinen Vergeltungskrieg gegen Polen zu unternehmen und soll geäußert haben: „Krieg ist bald angefangen, aber langsam beendet. Besser ein Pferd oder vier verloren als ein ganzes Land.“ Später litt angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Polen und Litauen sein Ansehen ein wenig wegen seiner vermeintlich übertriebenen Friedensliebe. Kritiker äußerten ironisch, er wäre sicher ein guter Domherr geworden oder Gott habe sich geirrt, indem er statt eines Hochmeisters eine Klosterfrau oder einen Mönch erschuf.

Auch wenn diese Kritik in ihrer drastischen Ironie nicht zutraf, so basierte sie doch auf der sehr großen Frömmigkeit des Hochmeisters, die sich in vielen seiner Handlungen äußerte. Bei den anderen Ordensrittern war der christliche Glaube eher eine Selbstverständlichkeit, die durch die in den Ordensregeln vorgeschriebenen Exerzitien, Gebete und Verhaltensformen täglich erfüllt wurde. Daneben gab es aber auch gewisse Vorbehalte gegen die von den Ordenspriestern ständig geforderte völlige Hingabe im mönchischen Sinne. Konrad v. Jungingen nahm die christlichen Glaubensbekundungen sehr genau und betete mehrmals am Tage gesondert in der Hochmeisterkapelle, die unmittelbar neben seinen Wohnräumen im Mittelschloß der Marienburg lag; dort ließ er eine Orgel aufstellen, um seine Andachten mit geistlicher Musik zu bereichern.

In besonderer Weise setzte sich der Hochmeister für die fromme Klausnerin Dorothea v. Montau ein, die bis zu ihrem Tode 14 Monate eingemauert in einer Zelle im Dom zu Marienwerder fastete und betete. Sie hatte ein kritisches Verhältnis zum Deutschen Orden und stand in scharfem Gegensatz zum vorangegangenen Hochmeister Konrad v. Wallenrod (1391-1393). Sie fühlte sich von Gott berufen, den Lebenswandel der Ordensritter zu festigen und wollte dem Lande Preußen eine Hüterin sein. Hellsichtig sagte sie den baldigen Tod des „bösen“ Hochmeisters und die Einsetzung eines „guten“ Nachfolgers voraus. Als sie 1394, von vielen betrauert, verstarb, setzte man sie in der Unterkirche des Doms zu Marienwerder bei, die als Grablege von zwei Hochmeistern und einer Reihe von pomesanischen Bischöfen diente.

Hochmeister Konrad hielt sich an die nach seiner Wahl gegebene Absichtserklärung, nämlich den Frieden zu erhalten und den Wohlstand der Menschen zu mehren. So ließ er beispielsweise in Danzig den Elendenhof (Asyl) ausbauen und gründete die Marienbrüderschaft. Angeregt durch Kreuzzugsgäste förderte er die sich in Preußen entwickelnde Instrumentalmusik, die besonders in den Artushöfen gepflegt wurde, die der bürgerlichen Geselligkeit dienten. Auch dem Bildungswesen wandte sich der Hochmeister zu, indem er das Schulwesen ausbaute. Er veranlaßte die Ausgabe von Fach- und Lehrbüchern, wie zum Beispiel die „Geometria Culmensis“ über die Landvermessung.

Die günstige Wirtschaftsentwicklung erforderte Maßnahmen im monetären Bereich. Die Pfennigmünzen (Denare) in Form von Hohlpfennigen (Brakteaten) entsprachen weder in ihrem Wert noch in ihrer Menge den gestiegenen Ansprüchen. Deshalb ließ er von den beiden Münzstätten Thorn und Marienburg die bereits 1380 eingeführten Schillingmünzen prägen. Die auch als Solidus bezeichneten Münzen hatten einen Wert von zwölf Pfennigen, so daß 60 Stück für eine Preußische Mark gerechnet wurden. Das bisher übliche Münzbild mit dem Hochmeisterschild auf der Vorderseite und dem Ordensschild auf dem Revers wurde beibehalten und nur die Umschrift auf den Namen des jetzigen Hochmeisters geändert; sie lautete nun „Magst’ Coradus Terci“. Die erhebliche Höhe der Auflagen ist nicht genauer bekannt. Nach den Münzfunden und den vielfältigen Prägearten kann geschlossen werden, daß Hochmeister Konrad wohl zu den prägefreudigsten Regenten der Or- denszeit gehörte.

Kultivierungsarbeiten an Flüssen und Sümpfen wurden verstärkt ausgeführt. Auf die Besiedelung des Landes und die Gründung von Städten und Dörfern legte der Hochmeister großen Wert. Er gründete die Städte Nordenburg und Sensburg und erteilte den folgenden Orten Handfesten nach kulmischem Recht: Baldenburg (1382) und Hammerstein (1395) in Pommerellen, Gerdauen (1398), Allenburg (1400), Domnau (1400) und Drengfurth (1405). Nach Angabe von K. Schütz in der „Historia rerum Prussicarum“ von 1592 gab es um 1400 in Preußen insgesamt 55 Städte, 48 Burgen, 640 Pfarrdörfer, 18.368 kleine Dörfer und 2.000 Freihöfe, so daß das Land „wohl einem ansehnlichen Königreiche zu vergleichen gewesen“ sei.

Trotz der durch die Krakauer Heirat von 1386 erfolgten Union zwischen Polen und Litauen und der daraus erwachsenen bedrohlichen Lage des Ordensstaates erreichte der Wohlstand des Landes seine höchste Blüte.

Im Jahre 1402 erwarb der Orden vom stark verschuldeten König Sigismund von Ungarn, der zugleich Markgraf von Brandenburg war, für 63.200 ungarische Gulden die Neumark mit Soldin, nachdem dieser mit dem Verkauf an Polen gedroht hatte.

Im Nordosten Preußens war es Hochmeister Konrad gelungen, endlich die Landverbindung nach Livland zum dortigen Ordenszweig herzustellen. Nach wechselvollem diplomatischen Ringen mit Großfürst Witowd und König Wladislaw Jagiello, wobei der Hochmeister die Uneinigkeit der beiden Verbündeten geschickt auszunutzen verstand, verzichtete Witowd 1398 im Vertrag von Sallinwerder auf das Land Schamaiten. Im gemeinsamen Friedensvertrag zu Racianz von 1404 stimmte der polnische König der Abtretung an den Orden endgültig zu.

Nun hatte der Ordensstaat seine größte territoriale Ausdehnung erreicht. Er erstreckte sich in einem weit ins Hinterland reichenden Gebiet entlang der Ostseeküste von der Oder bis zum Peipussee und zur Narwamündung in den Finnischen Meerbusen.

Wenn auch Hochmeister Konrad beinahe um jeden Preis den Frieden erhalten wollte, so wuchs durch die neuen Landerwerbungen die Feindschaft des polnischen Königs, der dem ungeliebten Nachbarn die Erfolge mißgönnte und nach wie vor den alten polnischen Traum vom Zugang zum Meer verwirklichen wollte.

Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich die strategische Lage an der Nordflanke, zu den gegenüberliegenden skandinavischen Küsten, durch den Zusammenschluß von Dänemark, Schweden und Norwegen in der Kalmarer Union von 1397 verändert. Diese neue skandinavische Großmacht bedrohte nicht nur die Vormacht der Hanse auf der Ostsee, an der der Orden durch seine bedeutenden Seestädte Danzig, Elbing, Braunsberg und Königsberg sowie die Handelsstädte Thorn und Kulm beteiligt war, sondern auch den Ordensstaat unmittelbar. Dieser wurde nunmehr von einem fast allseitigen Ring zum Teil feindlicher und zum anderen Teil konkurrierender Staaten umschlossen. Die seit 1361 durch Eroberung von Dänemark annektierte Insel Gotland in der Mitte der Ostsee war ein wichtiger Stützpunkt für den Handel der Hanse, die eine Niederlassung in Wisby unterhielt. Hier hatte die aktive, machthungrige dänische Königin Margarethe stillschweigend geduldet, daß die als Vitalienbrüder bezeichneten Seeräuber ihre Basis einrichteten. Von diesem zentralen Punkt in der Ostsee schädigten sie den Seehandel der Hanse durch Piraterie, versenkten deren Schiffe und brachten den Schiffsverkehr zeitweise sogar zum Erliegen.

Das war ein günstiger Anlaß für den Deutschen Orden, durch Besetzung der Insel Gotland die Vitalienbrüder zu bekämpfen und zu vertreiben, zugleich aber auch mit derselben amphibischen Unternehmung seine strategische Lage im Norden zu verbessern.

Im Frühjahr 1398 wurden das logistisch und militärisch hervorragend geplante Unternehmen erfolgreich durchgeführt, die Insel besetzt und die Seeräuber vertrieben. Schiffahrt und Handel auf der Ostsee waren wieder frei.

Als der Orden der Forderung der Dänenkönigin auf Räumung der Insel nicht nachkam und selber Besitzansprüche stellte, landete 1403 ein starkes dänisch-schwedisches Heer auf Gotland. Es konnte erst im folgenden Frühjahr von einem gelandeten Ordensheer unter dem kriegserfahrenen Marschall Ulrich v. Jungingen, dem Bruder und späteren Nachfolger Konrads, besiegt und zum Abzug gezwungen werden. Nach langen strittigen Verhandlungen vereinbarten die Parteien im Frieden von Helsingborg von 1407 gegen Zahlung einer Ablösesumme für die Kriegs- und Besatzungskosten an den Orden den Abzug der Ordenstruppen.

Der Hochmeister hatte im wesentlichen seine Ziele erreicht, nämlich die Wiedergewinnung eines freien Seehandels und einen dauerhaften Frieden mit der Nordischen Union. Die Bedrohung an der Nordflanke war behoben. Übrigens trieben die aus der Ostsee verjagten Piraten noch kurze Zeit in der Nordsee ihr Unwesen, bis sie schließlich 1401 vor Helgoland aufgebracht, gefangengenommen und in Hamburg mit ihrem Anführer Claus Störtebecker hingerichtet wurden.

Nach der Gewinnung des Landes Schamaiten waren die seit Jahrzehnten alljährlich durchgeführten Kriegszüge gegen Litauen, die sogenannten Litauerreisen, an denen sich Ritter aus ganz Europa beteiligten, eingestellt worden. Aber die Hoffnung auf Frieden trog, denn Schamaiten ging dem Orden durch die von Großfürst Witowd geschürten und unterstützten Aufstände bald wieder verloren. Im Jahre 1402 mußte der Orden sogar noch Feldzüge gegen die nach Preußen eingefallenen Schamaiten führen. Trotz eines im März 1402 in Marienburg abgeschlossenen Friedensvertrags intrigierte der König von Polen weiterhin heimlich gegen den Orden. Es gelang ihm sogar, den Papst zu einem Verbot des Heidenkampfs in Litauen zu veranlassen. Unter dem Eindruck der anhaltenden Kriegsausrüstungen Polens und der fortbestehenden Bedrohung durch Litauen ließ der Hochmeister von 1397 bis 1409 die Ordensburg Ragnit zu einer starken Grenzfestung ausbauen. Inzwischen war im Jahre 1399 die Königin Hedwig von Polen verstorben, die auch im Ordensland als Wahrerin des Friedens zwischen Polen und Preußen galt. Der Hochmeister ließ zu ihrem Gedenken als „Freundin des Ordens“ in Marienburg eine Trauerfeier ausrichten.

Ein schweres Blasen-/Nierenleiden, dem er am 30. März 1407 erlag, verdüsterte die letzten Lebensjahre Konrads v. Jungingen. Er wurde in der Hochmeistergruft der St. Annen-Kapelle der Marienburg neben seinen fünf dort bereits ruhenden Vorgängern beigesetzt. Am 3. April 1407 wählte der Ordens-Konvent für die Übergangszeit bis zur Neuwahl des Hochmeisters den Komtur von Elbing, Werner v. Tettingen, zum Statthalter.

In der Überlieferung wird kolportiert, daß der Hochmeister kurz vor seinem Tode davor gewarnt habe, seinen „kriegslustigen“ Bruder Ulrich als Nachfolger zu wählen. Es ist jedoch nicht richtig, daß Hochmeister Ulrich durch leidenschaftliche Unbesonnenheit den Krieg mit Polen und Litauen heraufbeschworen habe. Vielmehr waren die Verhältnisse schon so weit gediehen, daß dem Orden kein anderer Weg mehr übrigblieb.

Deutscher Orden: Territoriale Ausdehnung um 1404

Wappen des Hochmeisters Konrad von Jungingen