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16.02.02 Warum die Union ein ureigenes Thema der SPD überlässt

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. Februar 2002


Familienpolitik: Angst vor der heilen Welt?
Warum die Union ein ureigenes Thema der SPD überlässt

Es gibt die heile Welt. Astrid Lindgren hat es gesagt und erlebt. Bei solchen Aussagen rümpfen die besserwissenden Politiker, vor allem in Deutschland, vernehmlich ihre hochragenden Nasen. Sie haben den Glauben an die heile Welt der Familie längst verloren. Entweder, weil sie sie selbst nicht kennen, oder weil sie glauben, damit keine Wähler gewinnen zu können. Das Ideal der heilen Kinderwelt, damit kann man in einem mißlaunigen, kinderarmen Land keine Punkte machen, schon gar nicht in den Medien, weil unter den streß- geplagten Journalisten das für Karriere kaum nützliche Thema Familie keine hohen Sympathiewerte besitzt.

Aber diese Politiker - und auch diese Publizisten - irren. Das Berliner Polit-Biotop mit seinen Ablegern in München, Köln oder Hamburg ist eine eigene, eine andere Welt. Politik und Medienleute befruchten sich gegenseitig mit ihren Fiktionen.

Sicher gibt es viel Konflikte, Elend und Ärger. Drogen leeren Kinderseelen, Gewalt zertrümmert Hoffnungen, verschüttet Unschuld. Aber hinter all dem steht eine große Sehnsucht, die Novalis einst in den Satz kleidete: „Kinder sind sichtbar gewordene Liebe“. Und das ist keine Dichtung, entrückt und lebensfern. Es ist eine Sehnsucht, die immer noch die meisten Menschen beseelt, weil sie in der Erfüllung der Liebe das Glück zu finden hoffen und oft auch finden.“

Das läßt sich auch nachweisen. Die Soziologieprofessorin Linda J. Waite und die Direktorin des Eheprogramms am Institute of American Values, Maggie Gallagher, haben in einem Buch ( „The Case for Marriage“) Hunderte von trans- und interdisziplinären Studien aus Soziologie, Ökonomie, Medizin, Psychologie, Sexualwissenschaften und Juristerei zusammengetragen und kommen zu dem Schluß, daß verheiratete Frauen und Männer, die in Konfliktsituationen auch um ihr Glück kämpfen, länger lebten, glücklicher seien, weniger zu Depressionen oder zu Angsterkrankungen neigten, ihre Sexualität besser lebten und, vor allem, bessere Eltern sein könnten. Sie böten Kindern mehr Zeit, mehr Abwechslung, mehr Möglichkeiten als Alleinstehende, nicht verheiratete Paare oder Geschiedene. Die emotionale Beziehung zwischen Kindern und Eltern sei bei Verheirateten auch gesünder und natürlicher. Für die beiden Amerikanerinnen ist die Ehe so etwas wie eine geglückte Fusion, die höhere Produktivität ermöglicht. Oder etwas weniger wirtschaftlich ausgedrückt: „Die Ehe ist ein Dream-Team, das im Idealfall das Beste aus sich herausholt - wobei Schwächen kompensiert und Stärken zur Blüte gebracht werden.“

Das ist nur ein Beispiel. Gewiß ist da auch die materielle Seite. Der Familienleistungsausgleich in Deutschland liegt im internationalen Vergleich, ähnlich wie bei der Bildung, im hinteren Mittelfeld. Der Ausgleich beträgt, so hat eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel im August letzten Jahres ausgerechnet, gerade ein Drittel der echten Kosten, die Familien für Kinder aufbrin-gen müssen. Die Misere der Familien ist eine Misere der Familienpolitik. Mit blumigen Worten geht die SPD dieses Thema nun an - weil sie dort zu Recht die Mitte vermutet. Die Union dagegen vermeidet das Thema Familie, vermutlich weil sie es im rechten Feld des politischen Koordinatensystems ortet oder Angst davor hat, selber dort angesiedelt zu werden.

Das ist politisch gesehen ein strategischer Fehler und setzt ein Fragezeichen. Familie ist weder rechts noch links, sie ist Dreh- und Angelpunkt im gesellschaftspolitischen Koordinatensystem. Glaubt man bei der Union nicht mehr an die Möglichkeit, daß der Lebensentwurf Familie auch gelingen kann?

Gerade Stoiber könnte das doch gegenüber Schröder, Fischer u. a. mit Glaubwürdigkeit vertreten. Daß die SPD die Familie zum Schwerpunkt ihrer Wahlkampagne macht, müßte ihn eigentlich beflügeln. Angst vor sich selbst, vor dem eigenen Lebensbild, wäre für die Union jedenfalls der schlechteste Ratgeber. Jürgen Liminski