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16.02.02 Rüstungsindustrie: Die Europäer sind den USA im Wettbewerb kaum gewachsen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. Februar 2002


Rüstungsindustrie: David gegen Goliath
Die Europäer sind den USA im Wettbewerb kaum gewachsen

Während im Elyséepalast viel auf die aussichtsreiche Entwicklung eines „Europa der Verteidigung“ gepocht wird, sind die Pressestimmen an der Seine viel zurückhaltender und skeptischer, was die europäische Fähigkeit zu einer wirklichen Verteidigungsindustrie angeht. Schon letztes Jahr bemerkte das unabhängige Politologieinstitut IRIS in seinem Jahrbuch, daß die Annahme der Petersberger Aufgaben hinsichtlich der Friedenssicherung durch die EU-Staaten statt einer Senkung der Militärausgaben in der EU-Zone eher ihre Zunahme erfordert hätte, so daß die Europäische Union den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber noch lange ein politischer Zwerg bleiben werde. Nach den Anschlägen des 11. September schrieb offiziös Francois Geré in den Spalten der regierungsfreundlichen „Libération“, Europa werde nun durch die Annäherung zwischen Washington und Mos-kau, die diesen Attentaten folgte, benachteiligt. Eine ähnliche Meinung vertrat ein ehemaliger Berater Bill Clintons in der neutralen „Les Echos“. Nach Ansicht dieses Universitätsprofessors könnte Europa bestenfalls im Nahen Osten eine Rolle spielen, wenn auch allein Deutschland in dieser Gegend tatsächlich wird wirksam sein können.

Wegen des US-amerikanischen Vorhabens, das Kampfflugzeug „Joint Strike Fighter“ in größeren Stückzahlen zu bauen, und der Verstrickung europäischer Rüstungsfirmen in dieses Vorhaben erwartet die französische Presse, daß Frankreich seinen europäischen Verbündeten gegenüber stark isoliert bleiben dürfte. In Frankreich gibt es nur einen unabhängigen Flugzeugproduzenten, und das ist die Dassault-Gruppe, die dank Lieferverträgen mit Ägypten, Griechenland oder Taiwan - gegebenenfalls Indien - überleben kann, die aber mit ihrem Kampfflugzeug „Rafale“ kostenmäßig dem „Joint Strike Fighter“ gegenüber nicht wettbewerbsfähig sein dürfte.

Mit der amerikanischen Firma Lockheed Martin will nämlich die US-Regierung einen Vertrag über 300 Milliarden US-Dollar (ungefähr 330 Milliarden Euro) unterzeichnen zum Zwecke des Baus von 3.000 Kampfjets bis zum Jahre 2040. Nach Angaben von „Le Monde“ werden das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland 150 JSF kaufen und der britische Flugzeughersteller British Aerospace 2,2 Milliarden US-Dollar in das Vorhaben investieren, unter der Bedingung, daß die britische Flugindustrie ihre Selbständigkeit nicht verliert. In Europa würden andere Staaten wie Dänemark, die Niederlande, Italien und Belgien mit Lockheed Martin und der US-Regierung ins Geschäft kommen. Gemäß „Le Figaro Economie“ wird der Vertrag, den Lockheed Martin erreicht hat und den das Blatt „den Vertrag des Jahrhunderts“ nennt, das „Europa der Verteidigung“ vierteilen. In seinem Bericht schätzt „Le Figaro Economie“ weiter, daß British Aerospace, obwohl gleichzeitig Mitglied des Konsortiums „Eurofighter“, das planmäßig 620 europäische Kampfjets bauen sollte, „irreversibel von den USA zum Nachteil seiner europäischen Bündnispartner angezogen sein wird.“ Insofern kann man skeptisch hinsichtlich der tatsächlichen Chancen für ein „Europa der Verteidigung“ sein.

In diesem Zusammenhang hat „Le Monde“ Mitte Dezember eine Erklärung des Sprechers des Washingtoner Außenministeriums, Richard Boucher, zitiert, wonach die Reformländer, die zugleich Anwärter auf eine Nato-Mitgliedschaft sind, US-Waffen kaufen sollen. Budapest und Prag wünschen den anglo-schwedischen Kampfjet Gripen zu erwerben, und Polen befindet sich derzeit in einer Entscheidungsphase. Wünschenswert scheint es also, daß die OCCAR, die europäische Anstalt für die Luftstreitkräfte mit Sitz in Bonn, über ausreichende Mittel verfügt, damit ein etwaiges „Europa der Verteidigung“ noch möglich bleibt und nicht an den US-Plänen scheitert.Pierre Campguilhem