28.03.2024

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02.03.02 Statistik-Skandal - nur ein Ablenkungsmanöver?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. März 2002


Statistik-Skandal - nur ein Ablenkungsmanöver?
Verantwortlich für die Fehlentwicklung der Bundesanstalt für Arbeit ist die Politik

Kam der Skandal um getürkte Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit der Regierung gelegen, oder schadet er dem Bundeskanzler? Die Fragen kann man durchaus unterschiedlich beantworten. Kein Zweifel: die Versprechungen Schröders, innerhalb weniger Jahre die Zahl der Arbeitslosen spürbar zu senken, war ein Reinfall. 4,3 Millionen Menschen sind zur Zeit in Deutschland arbeitslos. Da liegt es nahe, einen Sündenbock zu finden, und das könnte die Bundesanstalt für Arbeit unter dem christdemokratischen Präsidenten Jagoda sein: Mit so einem maroden Instrument, das mangels Effizienz Erfolgsstatistiken manipulieren muß und nur den kleinsten Teil der 90.000 Mitarbeiter für die Arbeitsvermittlung einsetzt, kann eben kein noch so dynamischer Bundeskanzler den Arbeitsmarkt günstiger gestalten - so die eine Antwort. Die andere: Wenn es wirklich so schlimm steht um die Effizienz der Bundesanstalt, dann muß man sich fragen, warum Regierung und Parteien nicht längst eingegriffen haben. Tatsächlich sind die an die Öffentlichkeit gebrachten Mängel nicht neu, und man kann auch bezweifeln, ob sie im wesentlichen selbstverschuldet sind oder nicht doch die Politiker die Verantwortung tragen.

Eigentlich sollte die 1952 als „Bundesanstalt für Arbeit“ wie-dergegründete Institution der Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenversicherung dienen. Nachdem das zunächst riesengroße Arbeitslosenheer durch das Wirtschaftswunder weitgehend abgebaut war, kümmerte sich die Bundesanstalt um die berufliche Wiedereingliederung Behinderter, Strafgefangener und älterer Arbeitnehmer. Natürlich bemühte sie sich auch, Arbeitslose in offene Stellen zu vermitteln, doch hat die Wirtschaft sich weitgehend nicht darauf verlassen, vom Arbeitsamt geeignete und qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen, sondern stets auch eigene Personalwerbung betrieben, die in der Regel erfolgreicher war.

Dennoch wurden der Bundesanstalt für Arbeit von den Politikern immer weitergehende Aufgaben übertragen. Dazu gehört das arbeitsintensive Gebiet der Berechnung und Auszahlung von Kindergeld, korrekt: die Führung der Familienkasse. Hinzu kamen Winterausfallgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Altersteilzeit, Arbeitserlaubnisse für Ausländer. Das alles hat mit den ursprünglichen Aufgaben der Arbeitsämter wenig zu tun - reine Verwaltung, die immer mehr der Beschäftigten beansprucht.

Das Feld der Arbeitsmarktpolitik wurde mit zunehmender Zahl der Arbeitslosen ausgeweitet. So sind die Arbeitsämter zuständig für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren Rahmen von der Politik vorgegeben wurde und wird. Ein Jugendsofortprogramm wurde ihnen aufs Auge gedrückt, weiter die Aktion, 50.000 Schwerbehinderte in Arbeit zu bringen. Und stets stellte die politische Führung die notwendigen Gelder zur Verfügung, und zwar in dem Stil, wie man mit öffentlichen Geldern umzugehen hat: Bis zu einem festgelegten Termin müssen sie ausgegeben sein, egal ob man dafür eine sinnvolle Verwendung hat oder nicht.

Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sind inzwischen ein lukratives Geschäft für die Träger von Bildungseinrichtungen - meist Gewerkschaften oder Unternehmerverbände. Hier werden Akademien und Schulen eingerichtet, die Arbeitsämter schicken Arbeitslose zur Fortbildung und Umschulung. Zur Zeit gibt es 28.500 Trägergesellschaften! Sie haben 2001 insgesamt 345.000 Teilnehmer weitergebildet - mit äußerst zweifelhaftem Erfolg. Allerdings haben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände daran gut verdient.

Aber kein noch so glänzendes arbeitsmarktpolitisches Programm kann Arbeitsplätze schaffen. Das muß die Wirtschaft tun, und sie kann es nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Und die stimmen in Deutschland seit geraumer Zeit nicht mehr.

Die bisherige Bundesanstalt für Arbeit hat einen umfangreichen Kontrollapparat: neben dem Präsidenten einen neunköpfigen Vorstand und einen Verwaltungsrat aus 51 Vertretern aller möglichen Organisationen und Verbände. Sie alle wissen seit Jahrzehnten, wie sich die Bundesanstalt nicht zuletzt unter dem Druck der Politiker entwickelt hat und welche falschen Wege damit beschritten wurden. Niemand hat aufgemuckt, vielleicht auch darum, wie dieses Jobs in Vorstand und Verwaltungsrat lukrativ sind.

So liegt der Verdacht nahe, daß jetzt in Jagoda ein Sündenbock gefunden wurde, dem man keine Verfehlungen nachweisen kann, höchstens, daß er alle von der politischen Führung aufgedrückten zusätzlichen Aufgaben akzeptiert und als loyaler Beamter nie daran gedacht hat, notfalls öffentlich dagegen aufzumucken. Jochen Arp