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16.03.02 Eigentumsfrage: Kann man seine Heimat kaufen?

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. März 2002


Eigentumsfrage: Kann man seine Heimat kaufen?
Ostpreußen im Visier des Immobilienhandels
von Bernhard Knapstein

Das deutsche Interesse an den alten ostdeutschen Provinzen ist grundsätzlich begrüßenswert. Ein nicht unmaßgebliches Problem wird dabei aber nicht erkannt oder sogar verschwiegen. Die Bundesrepublik Deutschland hält nämlich die Enteignung privaten Eigentums im Zuge von Flucht und Vertreibung durch die sogenannten Bierut-Dekrete für völkerrechtswidrig. Um selbst nicht in eine Position der Schadensersatzpflicht zu geraten, hält die Bundesregierung die Frage bewußt offen. Immerhin, die Rechtssicherheit eines Immobilienerwerbs in den Oder-Neiße-Gebieten bleibt zweifelhaft, soweit es sich um eine Immobilie handelt, die vor 1945 nicht im Staatsbesitz war.

Es stellt sich folgerichtig die Frage, wie ein deutsches Gericht mit einer Klage eines Alteigentümers gegen einen bundesdeutschen Erwerber einer zuvor völkerrechtswidrig enteigneten Immobilie umgeht. Polnische Gerichte werden auf Grundlage der innerpolnischen Rechtsordnung den Alteigentümer kaum obsiegen lassen. Was aber, wenn der Erwerber deutscher Staatsbürger mit Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik ist? Kann ein deutsches Gericht dann über einen Herausgabeantrag über beweglichen und unbeweglichen Besitz entscheiden, und welche Folgen hat das? Wie entscheiden europäische Gerichte?

Die ostdeutschen Landsmannschaften bereiten sich auf solche Verfahren bereits vor. Die erst kürzlich erfolgte Einrichtung der Preußischen Treuhandgesellschaft GmbH & Co. KG a.A. zur Sicherung der Eigentumsrechte war ein erster Schritt in diese Richtung. Die Einrichtung einer solchen Institution garantiert indessen noch lange nicht den Erfolg ihrer Bemühungen. Es ist eben nicht mehr als der besagte erste Schritt, dem viele andere folgen müssen.

Es gibt viele Aufsätze zur Eigentumsfrage im deutsch-polnischen Verhältnis im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung. Eine Diskussion im Verhältnis zwischen deutschen Alteigentümern und Kapitalanlegern aber hat noch nicht stattgefunden.

Für Vertriebene stellt sich zudem die Frage, wie geht man überhaupt mit dem Problem Eigentumsrecht einerseits und Erwerbsmöglichkeit andererseits um. Auch wenn die Landsmannschaften generell auf Kooperation und deutsch-polnisches Miteinander setzen, bleiben individuelle Eigentumsansprüche davon unberührt.

Es ist sogar so, daß freundschaftliches Miteinander nur durch die Fähigkeit zur Differenzierung verschiedener Vertriebenenanliegen möglich ist. Denkmalschutz und humanitäre Maßnahmen stehen ebenso abseits der rechtswidrigen Enteignungen durch den polnischen Staat wie Partnerschaftsverträge zwischen ostdeutschen Heimatkreisgemeinschaften und polnischen Administrationen der Gebietskörperschaften. Diese Differenzierung war notwendig, um die in der Heimat zurückgebliebenen Landsleute ohne polnischen Widerstand unterstützen zu können.

Verknüpft sind jedoch die Anliegen Freizügigkeit und das Recht auf die Heimat mit den Enteignungsmaßnahmen zumindest insoweit, als der heimkehrwillige Vertriebene in der Regel sich derzeit eine Immobilie wird kaufen müssen. Oft genug wird dies nicht sein eigener Hof sein. Nicht alle Deutschen und erst recht nicht die nichtdeutschen Unionsbürger, geschweige denn Personen von Übersee, werden auf die Vertriebenen Rücksicht nehmen, wenn es um „Schnäppchen“ auf dem Immobilienmarkt in den Oder-Neiße-Gebieten geht.

Die ostdeutschen Landsmannschaften werden kaum in der Lage sein, eine politische Leitlinie vorzugeben. Man wird allenfalls Empfehlungen über Verhaltensregeln im Rahmen des Immobilienerwerbs aussprechen können. Wie könnten solche Verhaltensregeln aussehen?

Der Idealfall könnte so aussehen: Der solidarische Käufer wird sich vor Vertragsschluß über die Alteigentümerverhältnisse ein Bild machen. Anzeigen in den Vertriebenenorganen und Auskünfte über die Heimatkarteien und das Lastenausgleichsamts-Archiv in Bayreuth könnten dabei hilfreich sein. Sodann wird sich der solidarische Käufer eine notarielle Verzichtserklärung des Alteigentümers einholen oder sich mit diesem auf anderem Wege einigen (Wohnrecht, Mitei-gentümerschaft oder ähnliches gegen Verzichtserklärung).

Der Alteigentümer wird sich eine Einigung gleichfalls gut überlegen, will er nicht mit der drängenden Rückzahlungspflicht von Lastenausgleichsleistungen belastet werden. In der Tat ist der entschädigte Alteigentümer nach § 349 LAG verpflichtet, erhaltene Lastenausgleichsmittel (Endgrundbetrag und Zinszuschläge) an den Staat zurückzuzahlen. Eine Einigung zwischen Alteigentümer und Investor kann daher durchaus von wirtschaftlicher Relevanz sein.

Aber von einer Illusion werden wir uns lösen müssen: Bis auf seltene Ausnahmen wird es keine mit den enteigneten Vertriebenen solidarischen Käufer geben.

Und was ist mit jenen mehr als nur verständlichen Fällen, in denen der Alteigentümer oder dessen Erben, vom Kapitalanleger kontaktiert, die Verzichtserklärung zughubsten einer angestrebten Restituierung ablehnen? Werden am Ende gar Vertriebene gegen Vertriebene um ostpreußischen Grund und Boden vor deutschen Gerichten klagen? Unabhängig von den Erfolgsaussichten solcher Verfahren: Allein schon die öffentliche Austragung solcher Rechtsstreitigkeiten schadet dem Anliegen der Vertriebenen auf eine wie auch immer aussehende Anerkennung der Eigentumspositionen.

Die Regierungen in Berlin und Warschau würde es vielleicht freuen, stritten in Zukunft die Vertriebenen in der Eigentumsfrage untereinander. Doch ist dies nicht allein ein deutsch-deutsches oder deutsch-polnisches Problem.

Die Dimension ist eindeutig größer. Der europäische Kapitalmarkt bewegt sich gen Osten. Neben gutbetuchten Polen aus Warschau und polnischen Pächtern im südlichen Ostpreußen kaufen schon jetzt andere, insbesondere wohlhabende Ausländer aus ganz Europa und sogar Übersee die Heimat auf. Lehnen die Vertriebenen Eigeninvestitionen ab, so gehören die Oder-Neiße-Gebiete bald einem multikulturellen Investorenkreis - nur eben nicht den Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Ostbrandenburgern und Schlesiern. Letzten Endes könnten die Heimatvertriebenen mit ihren rechtstheoretischen Eigentumsansprüchen, wenn sie sich einer Diskussion über die künftigen Verhältnisse entziehen, fern der Öffentlichkeit auf der Strecke bleiben, während die Heimat neu verteilt wird.

Die Vertriebenen stehen am Scheideweg, die Zukunft ist ungewiß. Einige haben sich bereits mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert und in der Heimat - auch ohne Restituierung - investiert. Andere werden folgen.