Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. März 2002 |
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Als Kulisse für Kriegsfilme mißbraucht Arno Surminski über Bert Hoppes Buch »Auf den Trümmern von Königsberg - Kaliningrad von 1946 bis 1970« Die erste Zerstörung fand im August 1944 statt, als britische Bomber den Stadtkern nahezu vollständig einäscherten. Die zweite Zerstörung geschah Anfang April 1945, als die Stadt von der Roten Armee erstürmt wurde. Die dritte Zerstörung vollzog sich langsamer: Es war der schleichende Verfall der verbliebenen Überreste Königsberger Baudenkmäler in der Phase des Aufbaus der sowjetischen Stadt Kaliningrad. Über diesen Prozeß und seine trostlosen Folgen berichtet nun eine Studie des Historikers Bert Hoppe. Nach der Annexion des nördlichen Ostpreußens machte sich die Sowjetunion daran, Königsberg in eine sowjetische Stadt zu verwandeln. Daß dabei jede Erinnerung an die 700jährige deutsche Geschichte getilgt werden sollte, mag für die ersten Jahre nach dem Krieg verständlich erscheinen. Doch dauerte diese Verdrängung mehr als zwei Jahrzehnte an. Hoppe berichtet über die Aufbaupläne für Kaliningrad und die Auseinandersetzungen um die Frage, welche Rolle die verbliebenen Reste aus deutscher Zeit spielen sollten. Es ging vor allem um die Domruine, die Schloßruine sowie einige Kirchen und Denkmäler. Schon früh fanden sich in der Planungsbehörde Architekten, die von den alten Denkmälern so viel wie möglich beim Wiederaufbau retten wollten. Ihnen gegenüber stand die politische Führung, die eine Tabularasa-Politik verfolgte. Die Auseinandersetzungen um die Schloßruine wurden sogar den höchsten Gremien in Moskau vorgetragen. Angeblich hat Leonid Breschnew mündlich entschieden, das Schloß zu schleifen. Nach der Tat trat der Chefarchitekt Kaliningrads aus Protest von seinem Amt zurück. Fast wäre es der Domruine ähnlich ergangen wie dem Schloß. Die politische sowjetische Führung Kaliningrads wollte auf der Dominsel einen zentralen Friedhof für 20.000 gefallene Rotarmisten errichten und dafür die Domruine beseitigen. Gerettet wurde diese dann aber ausgerechnet vom kommunistischen System, nämlich vom langsamen Gang der sowjetischen Bürokratie, dem chronischen Geldmangel für das Friedhofsprojekt und aufgrund der Tatsache, daß das Kant-Mausoleum dem Dom unmittelbar angegliedert war. Um Dom und Kant-Grabstätte zu retten, verstiegen sich nämlich die Befürworter einer Erhaltung der Ruine zu der Behauptung, der Philosoph Kant sei ein „Eckstein der marxistisch-leninistischen Lehre“ gewesen. Heute ist der Dom mit westlicher Hilfe wieder hergestellt. Auf dem Platz, an dem seinerzeit das Schloß gestanden hatte, wurde ein Haus der Sowjets errichtet, das einem überdimensionalen Hubschrauberlandeplatz gleicht. Auch dieses Gebäude wurde - bezeichnend für den schleppenden Gang der Dinge - nie fertiggestellt und steht jetzt als kolossale Bauruine in einem himmelschreienden städtebaulichen und ästhetischen Kontrast zum benachbarten Dom. Bert Hoppe hat ein wissenschaftliches Buch geschrieben, das in erster Linie die Auseinandersetzungen innerhalb der Architektenzunft über die Pläne für den Wiederaufbau der Stadt zum Gegenstand hat. Er hat dazu die Archive der Stadt und der lokalen Zeitung „Kaliningradskaja Prawda“ ausgewertet. Die Probleme der deutschen und russischen Bewohner in den Nachkriegsjahren, ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der verfallenen Stadt, konnten bei dieser Arbeit naturgemäß nur am Rand berücksichtigt werden. Immerhin erfährt der Leser, wie die russischen Neusiedler, die 1946 mit großen Versprechungen in die Stadt gelockt worden waren, ihre Ankunft in Kaliningrad empfanden. Hoppe zitiert aus den Erinnerungen eines Neuankömmlings: „Man entlud den Zug an zwei Holzbaracken, dort war auch der Wartesaal. Nach einiger Zeit ging ich auf die Straße. Rechts und links war Sumpf und vor mir Trümmer. Ich ging zu einer Brücke. Ringsum Stille und Ruinen... Kein einziges Rauchwölkchen, kein Auto, kein Mensch, nur Ruinen. Eine solche Einöde.“ Bemerkenswert ist, daß die Stadt so gründlich zerstört war, daß sie noch über Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg als Trümmerkulisse für Kriegsfilme dienen konnte. Der Wiederaufbau verlief so schleppend, daß in den ersten Jahren nach dem Kriege Baumaterial aus dem Schutt Königsbergs zum Aufbau anderer kriegszerstörter Städte abgefahren werden konnte. Interessant ist auch, daß die Kaliningrader Führung die Westmedien, soweit sie sich mit Königsberg beschäftigten, sorgfältig studiert und Kritik als Ansporn nahm, dem deutschen Königsberg eine schöne sozialistische Stadt gegenüberzustellen. Dennoch ist Kaliningrad heute eine der trostlosesten Städte ganz Europas. Die lange gehegte Vermutung, Königsberg sei deshalb fast ein halbes Jahrhundert lang eine verbotene Stadt gewesen, weil in dem Gebiet der westlichste militärische Stützpunkt der Sowjetunion lag, muß ebenfalls revidiert werden. Es gab noch einen anderen ebenso entscheidenden Grund. Die sowjetische Führung war sich der Trostlosigkeit des Anblicks bewußt und wollte westliche Besucher damit nicht konfrontieren. Noch 1987, als immer mehr westliche Diplomaten und Wirtschaftsleute drängten, Königsberg besuchen zu dürfen, riet ein Berater Gorbatschows seinem Regierungschef, die Stadt sei einfach nicht vorzeigbar. So ragt das russische Kaliningrad als außerordentliches Symbol sozialistischen Scheiterns - und das bedauerlicherweise nicht nur in städtebaulicher Hinsicht - bis in die nichtsozialistische Gegenwart hinein.
Bert Hoppe: „Auf den Trümmern von Königsberg. Kaliningrad von 1946 bis 1970“, Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte des Münchener Instituts für Zeitgeschichte, Band 80 Oldenbourg, München 2001. 166 Seiten, 24,80 Euro.
Reste der Kaiserbrücke in Königsberg: Die Sowjetregierungen nach dem Krieg haben es geschafft aus einer einst schönen Stadt eine graue, trübe Betonwüste zu machen. An Wiederaufbau hat jahrzehntelang niemand gedacht. Foto: Archiv |