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06.04.02 / Ein unverjährbares Verbrechen

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. April 2002


Ein unverjährbares Verbrechen
Betrachtungen zur Vertreibung der Sudetendeutschen und ihrer legalisierten Enteignung

In einem Vortragsband faßt der Herausgeber Peter Heumos für das Collegium Carolinum Vorträge zusammen, die vor rund zehn Jahren gehalten wurden. "Eine Erklärung" dafür wird von ihm in seiner Einleitung nicht gegeben. Leider erfährt man auch über die Verfasser kaum etwas, denn was soll man beispielsweise im Falle von Zdenek Radvanovsky mit der Vorstellung "Historiker, Universität Aussig" anfangen?

Bei dem Thema "Emigration und Rückwanderung, Vertreibung und Integration in der Geschichte der Tschechoslowakei" verzichtet man auch noch "großzügig" auf jede Karte, so als wären die böhmisch/mährischen Dörfer jedem Leser von vornherein bekannt.

Hier sollen nun einige Ergebnisse des Aufsatzes von Radvanovsky erörtert und beleuchtet werden. (S. 143-161.)

Zunächst stört, daß der Verfasser in seiner Darstellung der "Integrationsprobleme bei der Wiederbesiedlung der deutschen Siedlungsgebiete in den böhmischen Ländern nach 1945" immer nur von "Aussiedlung" oder "Abschub" spricht, was den Vorgang der brutalen Vertreibung leider allzusehr beschönigt.

Es wird deutlich, wie zielgerichtet die Regierung der "demokratischen" Tschechoslowakei die Annexion und Besitzergreifung der sudetendeutschen Gebiete betrieben hat, wie technokratisch-grausam hier ein Völkermord durchgeführt wurde. Bei Radvanovsky findet eine solche Bewertung nicht statt, er unterrichtet über den bürokratischen Ablauf der "Neusiedlung" in den "Grenzgebieten". Es verwundert nicht, daß an der Spitze der "Zentralkommission für die innere Besiedlung" der schon für das Massaker von Aussig verantwortliche Kommunist, Innenminister Vaclav Nosek, stand und daß im ausführenden Besiedlungsamt, das die Richtlinien für den "Abschub der Deutschen" ausarbeitete, also Beihilfe zum Völkermord leistete, der Kommunist Miroslav Kreysa den Vorsitz führte.

Es verwundert auch nicht, daß die tschechischen "Verwalter" vor mannigfache Probleme gestellt waren, galt es doch, einen immensen Besitz zu verteilen und die Produktion in Gewerben, Bauernhöfen und Industriebetrieben mit den Siedlern weiterzuführen.

Wir erfahren, daß man fast eine halbe Million (461.487) Besitzstände erfaßt hatte, darunter mehr als 2.200 Industriebetriebe, 34.200 kleingewerbliche Unternehmen, 180.000 Einfamilienhäuser und 120.000 Motorfahrzeuge.

Die "Verwalter" waren unter sich je nach politischem Standpunkt nicht ganz einig, was mit dem nach verschiedenen Benesch-Dekreten beschlagnahmten deutschen Eigentum geschehen sollte. Schließlich setzte sich mit dem kommunistischen Putsch vom Februar 1948 die KPC-Linie der Kollektivierung sowie der Verstaatlichung von Gewerbe und Industriebetrieben durch.

Von den insgesamt 204.200 konfiszierten Häusern wurden 180.000 Einfamilienhäuser an Neusiedler "verkauft". Leider wird kein Preis genannt, so daß eine Bewertung dieses Vorgangs nicht möglich ist.

Die tschechischen "Kriegsgewinnler" stellten jedoch bald fest, daß der gewerbliche Sektor in den böhmischen und mährischen Grenzgebieten "überdimensioniert" war. Man beschloß daher Verlagerungen ins Innere und Stillegungen. Leider fehlt auch hier jede Angabe über die Zahl dieser Betriebe, die aufgrund der Zerstörung des Sudetenlandes als überflüssig betrachtet wurden.

Das Jahr 1952 wird als Schlußpunkt der Besiedlung betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt bewohnten rund 2,3 Millionen Menschen die Sudetenländer - darunter 160.000 Slowaken - immerhin rund eine Million weniger als vor 1945.

Die nach Zehntausenden zählenden Rückwanderer wurden in diesen Jahren zwischen 1945 und 1952 stets durch ein natürliches Bevölkerungswachstum mehr als kompensiert, was sicher auch mit der Altersstruktur der Zuwanderer zusammenhängt.

Der Beitrag von Radvanovsky gibt einen Einblick vom tschechischen Standpunkt aus. Viele Fragen bleiben hier offen, moralische oder rechtliche Wertungen fehlen, die verbrecherische Dimension dieser "Siedlungsbewegung" wird an keiner Stelle angesprochen. Insofern liest man die Abhandlung mit sehr gemischten Gefühlen und muß die Frage nach den Verantwortlichen stellen. Aber nach Außenminister J. Kovan haben die Tschechen bei den Benesch-Dekreten ja kein Unrechtsbewußtsein.

Rüdiger Goldmann

Peter Heumos (Hrsg.), "Heimat und Exil", Oldenbourg-Verlag, München 2001, gebunden, 278 Seiten, 49,80 Euro

Eduard Benesch: Der 1884 in Böhmen geborene tschecho-slowakische Staatspräsident setzte sich engagiert für seinen Staat ein. In den Deutschen sah er den Todfeind der Tschechen und legalisierte die Vertreibung der Sudetendeutschen in seinen Dekreten, die selbst heute noch in der Verfassung der Tschechischen Republik verankert sind.