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06.04.02 / Gelungene Ausstellung in Pforzheim zeigt den DDR-Alltag

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. April 2002


Gegen das Vergessen: Diktatur vom Dachboden
Gelungene Ausstellung in Pforzheim zeigt den DDR-Alltag
von Anne-Sophie Faust

Ausgerechnet in Pforzheim, jenem Ort, der selbst über Krieg und nahezu totale Zerstörung hinweg seinen Ruf als Gold- und Schmuckstadt retten konnte, macht eine zeitgeschichtliche Sensation von sich reden, die seit Monaten die Medien mehr beschäftigt als alles andere in der ansonsten beschaulichen Provinz am Rande des Schwarzwaldes.

Der Fernsehmechanikermeister Klaus Knabe hat dort nach dem Zusammenbruch der zweiten Diktatur in Deutschland die größte und bedeutendste Privatsammlung zur DDR-Geschichte zusammengetragen. Sie legt durch Bild, Ton, Dokument und jede Menge Originalgegenstände beredtes Zeugnis ab vom Geist, mehr noch vom Ungeist des einst real existierenden "Arbeiter-und-Bauern-Staates" auf deutschem Boden. Die Häßlichkeit der Konsumartikel, die Uniformierung und Militarisierung dieses "zweiten deutschen Staates", wie diese sowjetische Kolonie im Westen gar offiziell und damit verharmlosend genannt wurde, kommt hier neben seiner schrillen Propaganda ebenso zur Geltung wie dasjenige, das man damals geheim hielt, was also weder den eingesperrten Bewohnern noch den von außen kommenden Besuchern zu Gesicht kommen sollte.

Sowohl die sonderbare Idee als auch das zähe Bemühen, was auch alle finanziellen Reserven verschlang, konnten natürlich nicht von einem eingeborenen Pforzheimer stammen. Der 62jährige Klaus Knabe ist gebürtiger Sachse, aufgewachsen in Pohrdorf bei Dresden; christlich erzogen, war er dennoch bereit, freiwillig seinen Dienst in der "Volksarmee" zu leisten. Doch Bibel und eingepeitschte Feindbilder vertrugen sich schlechter, als der Heimat flüchtig "Ade!" zu sagen. So gelangten Klaus Knabe und seine Frau Brigitte, die ihn in allem tatkräftig unterstützte, noch kurz vor dem Mauerbau 1961 flüchtend in den Westen. Daß sich beide über die vielen Jahre hinweg ihrer Heimat verbunden fühlten, beweist vor allem der Erfolg dieser einmaligen Sammlung, die nur ein kundiger, ein mit den Verhältnissen eng Vertrauter so zusammenführen und präsentieren konnte.

Es fing mit dem Vorzeigen des mit glücklicher Hand Gesammelten im Dachgeschoß des eigenen Hauses an, doch mehr als fünf Personen konnten dort die fast schon zwei Stunden dauernde Führung originärer Gegenstände und Wesentlichkeiten des SED-Regimes kaum erleben. Es bedurfte des Zuspruchs einiger Zeitgenossen, die örtliche Obrigkeit zur Kenntnisnahme dieser Sammlung und zur Hilfe zu bewegen. Und so stellte die Stadt den ehemaligen Kindergarten der französischen Besatzungsmacht zur Verfügung und kommt für den Unterhalt der Räumlichkeiten auf.

Klaus Knabe und seine Freunde, die zumeist ebenfalls aus der DDR stammen, manche sogar als politische Gefangene freigekauft, führten seit 1998, also seit der Eröffnung dieses bisherigen Privatmuseums über 60 Schulklassen, 50 Vereine und über 6.000 Besucher durch die 3.000 ausgestellten Exponate. Noch einmal so viele Ausstellungsstücke lagern indes auf dem Dachboden, da die Ausstellungsfläche längst wieder zu klein geworden ist, zumal immer wieder neue Objekte und Dokumente eintreffen. Im November 2000 brachte der ehemalige Stasi-Offizier Hagen Koch, der 1961 den weißen Grenzstrich am Checkpoint Charlie zog und sich seitdem mit dem Schicksal der Berliner Mauer verbunden fühlt, ein 2,6 Tonnen schweres Betonsegment mit Echtheitszertifikat nach Pforzheim. Apropos Berlin: Das Erfolgsgeheimnis des Mauermuseums am Checkpoint Charlie besteht nach Meinung seines Gründungsdirektors Dr. Rainer Hildebrandt darin, daß es seine Sammlung unmittelbar an einem zentralen Ort des Geschehens präsentiert. Daß diese Philosophie nicht immer richtig ist, zeigt sich an dieser "Mini"-DDR im tiefsten Südwesten Deutschlands.

Knabe und sein Kreis wollen vor allem den jungen Menschen, die in der Demokratie groß geworden sind, vor Augen halten, "was eine Diktatur zu bieten hat". Bekanntlich kann man nichts aus sich selber heraus erkennen, sondern nur im Vergleich zu etwas anderem. Insofern kann hiermit Verständnis für die demokratische Staatsform samt ihren bürgerlichen Freiheiten geweckt und geschärft werden. Angesichts des Vormarsches der PDS-Kom- munisten ist das auch bitter nötig, denn was man für zu selbstverständlich hält, ist eigentlich schon dem Verlust preisgegeben.

Knabe ist parteipolitisch ungebunden, doch energisch ergreift er Partei für das demokratische System und seine freiheit- lich-demokratische Grundordnung. Die ehemals herrschenden SED-Kader, die nicht nur in der Hauptstadt Berlin das Sagen haben, sondern uns in einigen deutschen Parlamenten, sogar im Europaparlament, vertreten, propagierten mit großem Eifer utopische Werte, sie sie selber nie besaßen. Trotz Förderung durch das baden-württembergische Kultusministerium und die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur muß der am 15. Juni 2000 ins Leben gerufene Verein "Gegen das Vergessen" unter Knabes Vorsitz, dem sogar die Pforzheimer Oberbürgermeisterin angehört, einen quälenden Kampf mit den Bürokraten und Beamten führen, die wenig von der Präsentation des Themas halten und noch immer meinen, daß ja nicht alles schlecht an der "antifaschistischen" DDR gewesen sei.

Mit seinem Museum will der Verein helfen, "die Teilung Deutschlands zwischen 1945 und 1990, deren Folgen und die friedliche Wiedervereinigung der deutschen Nation" mit aufzuarbeiten. "Im Mittelpunkt", so heißt es in der Satzung weiter, "steht die Aufklärung über das totalitäre System der DDR, über die Lebensumstände angesichts der Verweigerung bürgerlicher Grundrechte, über die allgegenwärtige Observation durch den Staatssicherheitsdienst, die Militarisierung des Alltags, die Uniformierung des Geistes und das menschenverachtende Grenzregime."

Bisher haben sich schon namhafte Wissenschaftler wie der Mannheimer SED-Experte Professor Hermann Weber, Politiker wie der Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Schäuble, Ex-Politbüromitglied Günter Schabowski neben Bürgerrechtlern wie Freya Klier, Angelika Barbe, Rainer Eppelmann und beide Bundesbeauftragten der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Joachim Gauck und Marianne Birthler, diese Sammlung zur DDR-Geschichte angesehen und dort Vorträge gehalten.

Joachim Gauck schrieb ins Gästebuch: "Ich wünsche Ihnen sensible und wache Besucher, die erkennen, wie groß der Unterschied zwischen Demokratie und totalitärer Herrschaft ist." Angesichts der verheerenden Entwicklung, die nun sogar von Deutschlands Hauptstadt ausgeht, sollten die Bürger und Bürokraten der Goldstadt Pforzheim begreifen, daß dieses Museum zur politischen Aufklärung der Jugend mit Gold gar nicht aufzuwägen ist. n

Kontaktadresse: Klaus Knabe, Telefon: 0 72 31/6 21 91. Hagenschießstraße 9, 75175 Pforzheim. Reguläre Öffnungszeit: jeden Sonntag von 11 bis 13 Uhr, ansonsten nach Vereinbarung.

"Mini-DDR" im tiefsten Südwesten Deutschlands: Der gebürtige Sachse Klaus Knabe (62) gelangte mit seiner Frau noch kurz vor dem Mauerbau in den Westen Foto: privat