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06.04.02 / Mit finanzieller und ideeller Unterstützung helfen die Ostpreußen vor Ort

© Das Ostpreußenblatt / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. April 2002


Heimat ist nicht nur ein Wort
Mit finanzieller und ideeller Unterstützung helfen die Ostpreußen vor Ort
von Manuel Ruoff

Wie keine zweite Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland haben die aus Ostpreußen Vertriebenen durch umfangreiche humanitäre Hilfsmaßnahmen dazu beigetragen, den heute hier lebenden Menschen bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven zu helfen und einen Beitrag zur Stabilisierung der durch Krieg und Nachkriegszeit geschundenen Region zu leisten. Das Gebiet ist gegenwärtig in das polnisch verwaltete sogenannte südliche und das russisch verwaltete sogenannte nördliche Ostpreußen sowie das litauisch verwaltete Memelland dreigeteilt, und es ist sinnvoll, eine Darstellung der materiellen Hilfe der Vertriebenen für dieses Gebiet entsprechend zu gliedern.

Die eigentliche Basis des Wirkens der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) im südlichen und nördlichen Ostpreußen sind die je 20 Heimatkreisgemeinschaften, die häufig als gemeinnützige Vereine eingetragen sind. Infolge von Krieg, Flucht und Vertreibung ist ein großer Teil des beweglichen und unbeweglichen Kulturgutes in Ostpreußen verlorengegangen oder akut gefährdet. Es ist ein Anliegen der LO und ihrer Untergliederungen, daß noch vorhandene Zeugnisse deutscher Kultur, insbesondere Baudenkmäler, wiederhergestellt beziehungsweise vor weiteren Schäden und Verlusten gesichert und bewahrt werden. Die Erhaltung deutschen Kulturguts verhindert nicht nur den Verlust unersetzbarer Kulturzeugnisse, sondern sie fördert darüber hinaus das Bewußtsein der über 700 Jahre von Deutschen geprägten Geschichte Ostpreußens.

Vor dem Hintergrund des gewaltigen Umfangs des zerstörten oder gefährdeten Kulturgutes können Hilfen von der LO und ihren Heimatkreisgemeinschaften nur an einzelnen Orten gewährt werden. Schwerpunkte sind die Wiederherstellung alter Bausubstanz und die Restaurierung von Friedhöfen. Hierzu lassen sich für alle Teile Ostpreußens Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit anführen.

In den Jahrzehnten vor der politischen Zeitenwende im Osten haben die Vertriebenen aus dem südlichen Ostpreußen in ihrem Heimatgebiet häufig auf abenteuerlichen Wegen durch Sach- und Geldspenden die heimatvertriebenen Landsleute unterstützt. Seit Öffnung der Grenzen organisieren die entsprechenden Kreisgemeinschaften regelmäßige Hilfstransporte, die ausschließlich aus Spenden finanziert und von ehrenamtlichen Helfern durchgeführt werden. Der finanzielle Aufwand dieser Hilfstransporte seit Öffnung der Grenzen kann nicht exakt beziffert werden, er wird jedoch eine zweistellige Millionenhöhe betragen.

Bereits 1991 war die Zahl der Deutschen Vereine im südlichen Ostpreußen auf über 20 gewachsen. Viele dieser Vereine wurden mit nicht nur ideeller, sondern auch materieller Unterstützung der Heimatkreisgemeinschaften ins Leben gerufen. Auf Anraten und mit ökonomischer Hilfe der LO wurde im Oktober 1992 in Bansen, Kreis Rößel, der "Verband der Vereinigungen Deutscher Bevölkerung als übergeordnete Organisation gegründet. Der sogenannte Dachverband hat die Aufgabe, die Arbeit seiner Mitgliederverbände zu unterstützen und zu koordinieren, in dem Bemühen, den Zusammenhalt der Deutschen in Ostpreußen zu stärken, die deutsche Tradition, Kultur und Sprache zu fördern sowie das kulturelle Erbe der Heimat zu wahren.

Die Heimatkreisgemeinschaften haben nicht nur als Geburtshelfer der Deutschen Vereine fungiert, sondern sie unterstützen diese auch bei ihrer praktischen Arbeit. So unterhalten die meisten Vereine eigene Geschäftsstellen, die zum Teil Räume für deutschen Sprachunterricht, Biblio- theken und Begegnung besitzen. Die Errichtung und der Betrieb der Geschäftsstellen der Deutschen Vereine wurde und wird von den Heimatkreisgemeinschaften massiv gefördert. Die Unterstützung reicht von einem monatlichen Bürokostenzuschuß über die Übernahme der jährlichen Mietkosten bis hin zur Finanzierung des Ankaufs eines eigenen Gebäudes in Osterode.

Die Sozialstationen im südlichen Ostpreußen werden von der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Zusammenarbeit mit den Heimatkreisgemeinschaften, den Deutschen Vereinen und den jeweiligen Kommunen betrieben. Die ersten beiden Stationen entstanden 1993 in Johannisburg und Sensburg. Weitere Einrichtungen folgten 1994 in Osterode und Hohenstein, 1995 in Angerburg und Lötzen sowie 1996 in Deutsch Eylau und Mohrungen. Die Sozialstationen behandeln alte, kranke und hilfsbedürftige Menschen ambulant oder zu Hause und betreuen sie medizinisch. Durch diese Arbeit werden Menschen erreicht, die Aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung im polnischen Staat häufig jahrelang in großem Elend leben mußten. Die Johanniter-Sozialstationen gewährleisten die medizinische Versorgung für über 80.000 heute in Ostpreußen lebende Personen. Daß Deutsche wie Polen gleichermaßen versorgt werden, ist selbstverständlich.

Unter Beteiligung der Heimatkreisgemeinschaft Rößel wurde die Kirche in Bischofstein und die Kirche des heiligen Johannes des Täufers in Lokau restauriert. In Rastenburg unterstützte der Kreisvertreter die Stadt bei diversen Anträgen an die deutsch-polnische Stiftung in Warschau, so beispielsweise bei der Restaurierung des Schlosses in Rastenburg. Die Heimatkreisgemeinschaft Pr. Holland restauriert die Stadtmauer, das Steintor und das Mühlentor. Im Kreis Ortelsburg wurde die Kirche in Passenheim renoviert, und in Allenstein konnte die evangelische Pfarrkirche neu gedeckt und die Brückenfigur des heiligen Nepomuk auf der Johannisbrücke wieder aufgestellt werden. In der Festung Boyen in Lötzen wurde durch einen von der Kreisgemeinschaft gegründeten Förderverein ein Museum eingerichtet, das vor allem aus von der Kreisgemeinschaft zur Verfügung gestellten Exponaten besteht. In Goldap restaurierte die Kreisgemeinschaft den alten deutschen Zentralfriedhof und errichtete hier den ersten ausschließlich deutschsprachigen Gedenkstein im südlichen Ostpreußen, der an die deutsche Vergangenheit des Kreises erinnert.

In 14 Kreisen des südlichen Ostpreußen werden Soldatenfriedhöfe aus beiden Weltkriegen hergerichtet und gepflegt. Im Kreis Goldap wurde das Kriegerdenkmal in Szittkehmen durch die Kreisgemeinschaft Goldap mit einer zweisprachigen Platte versehen. In Misken, Kreis Johannisburg, sind Gedenksteine gesäubert und restauriert worden. Im Kreis Angerburg wurde der bekannte Heldenfriedhof "Jägerhöhe" am Schwenzaitsee wieder in einen würdigen Zustand versetzt, und in Ortelsburg schließlich betreuen Deutsche das Grab des unbekannten Soldaten in Korpellen.

Im nördlichen Heimatgebiet konnten die LO und ihre Untergliederungen infolge der Abriegelung des Königsberger Gebietes vor dem politischen Wandel im Osten Anfang der 90er Jahre nicht aktiv wirken. Seit 1991 organisieren die 20 Heimatkreisgemeinschaften regelmäßig Hilfstransporte, die überwiegend aus Spenden sowie teilweise aus Mitteln der Bruderhilfe finanziert und von ehrenamtlichen Helfern durchgeführt werden. Schwerpunkte sind dabei unter anderem die Unterstützung von Krankenhäusern, Kinderheimen und Altenwohnstätten sowie Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur. So wurde nach Domnau/Kreis Bartenstein eine Bäckerei geliefert und eingebaut, von Fischhausen ein Feuerwehrfahrzeug zur Verfügung gestellt, erhielt ein Agraringenieur aus Nordenburg/Kreis Gerdauen im Rahmen der Aktion Hilfe zur Selbsthilfe einen Traktor nebst landwirtschaftlichen Geräten, richteten die Goldaper in Tollmingen, Gawaiten und Pabbeln Nähstuben ein und renovierten die Gumbinner drei Stationen des städtischen Krankenhauses. Diese kleine Auswahl dokumentiert, wie umfangreich und vielfältig die humanitären Aktionen der Heimatkreisgemeinschaft im nordlichen Ostpreußen sind. Grundsätzlich gilt, daß sämtliche Maßnahmen mit den zuständigen Vertretern der regionalen und lokalen Verwaltung abgestimmt werden.

Der Zuzug mehrerer tausend Rußlanddeutscher in das nördliche Ostpreußen seit 1990 ist eine Tatsache. Die Unterstützung der Rußlanddeutschen von offizieller Seite aus der Bundesrepublik Deutschland ist jedoch sehr gering und konzentriert sich auf landwirtschaftliche Hilfen. Um so wichtiger ist es, daß sich fast sämtliche Kreisgemeinschaften in ihrem Kreisgebiet auch um die neu zugezogenen Rußlanddeutschen kümmern. Um mögliche Spannungen von vornherein zu vermeiden, kommen die Unterstützungen sowohl den Rußlanddeutschen als auch russischen Familien zugute.

Eine der wichtigsten Aufgaben heute und in der Zukunft wird es sein, das Verständnis zwischen Deutschen und Russen zu fördern. Die Kenntnis der deutschen und russischen Sprache ist dazu unabdingbar. Aus diesem Grunde fördern die LO und ihre Heimatkreisgemeinschaften den deutschen Sprachunterricht im nördlichen Ostpreußen. Dies geschieht auf unterschiedlichen Wegen. So existiert durch die Initiative der Kreisgemeinschaft Wehlau seit vielen Jahren ein regelmäßiger Lehrer- und Schüleraustausch zwischen der Schule Wetter in Hessen und der Mittelschule 1 in Tapiau. Im Kreis Ebenrode bieten ehrenamtliche Lehrer in Trakehnen im Auftrag des "Vereins zur Förderung der Rußlanddeutschen" und mit finanzieller Unterstützung der LO Kurse für die Kinder der Rußlanddeutschen und für interessierte russische Kinder sowie Abendkurse für Erwachsene an. In fast allen Kreisen im nördlichen Ostpreußen existieren mit Hilfe der Kreisgemeinschaften Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache.

Im Kreis Bartenstein erhielten die Kirchen in Domnau und Friedland neue Dächer, und im Kreis Ebenrode konnte durch die Bereitstellung erheblicher Mittel die Instandsetzung der Schloßbacher Kirche durchgeführt werden. Durch die Kreisgemeinschaft Elchniederung sind Maßnahmen zum Erhalt und zur Restaurierung der Kirche in Heinrichswalde angelaufen. In Gumbinnen konnte am Reformationstag 1995 die wiederhergestellte Salzburger Kirche eingeweiht werden. Die Kirche von Mühlhausen, Kreis Peußisch Eylau, wird von Grund auf renoviert, und in Insterburg ist die Restaurierung der Bogenbrücke abgeschlossen und die Wiederherstellung des Schlosses in Vorbereitung. Zum Erhalt und zur Pflege der Katharinenkirche in Arnau, Kreis Königsberg-

Land, und der Grabstätte des preußischen Reformers Theodor v. Schön hat sich ein "Kuratorium Arnau e. V." gebildet. Das Kriegerdenkmal in Schloßberg ist in einen würdigen Zustand versetzt worden. Im Kreis Tilsit-Ragnit wird das Haus Schillen renoviert, und an der Wehlauer Kirche wurden Befestigungsarbeiten vorgenommen. Maßnahmen zur Wiederherstellung von Soldatenfriedhöfen und anderen Friedhöfen fanden in zehn Kreisen im nördlichen Ostpreußen statt.

Auch der Wiederaufbau des Königsberger Doms macht gute Fortschritte. Für den Ausbau des Gotteshauses ist es zu einer Konzentration der Kräfte gekommen. Es hat sich ein "Förderkreis zum Zwecke des Wiederaufbaus des Königsberger Doms" gebildet, dem die Stiftung Königsberg, die Stadtgemeinschaft Königsberg, die Gemeinschaft evangelischer Ostpreußen, die Zeit-Stiftung und die LO angehören. Ziel ist es, die Restaurierung des Domes bis zum Jahre 2004, dem 200. Todestag Immanuel Kants, oder bis zum Jahre 2005, der 750-Jahr-Feier der Pregelstadt, abschließen zu können.

Nachdem die baltischen Staaten sich von Rußland losgelöst und die Selbständigkeit gewonnen hatten, begann die Arbeitsgemeinschaft der Memellandkreise e.V. noch im selben Jahr mit der Durchführung humanitärer Hilfstransporte. Zunächst erfolgte die Verladung per Container über Bremen. Ab Ende 1991 wurden die Transporte mit großen Lkw durchgeführt. Die Hilfsgüter setzen sich aus Bekleidung, Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischem Gerät zusammen und wurden nicht nur bei den deutschen Vereinen in Memel und Heydekrug, sondern auch bei den Krankenhäusern, Waisenhäusern und Schulen verteilt. Gleichfalls wurde die Restaurierung der Kirchen im Memelland mit Geld der ehemaligen Bewohner durchgeführt. Endlich konnten die Gotteshäuser nach der Zweckentfremdung wieder ihrer Bestimmung dienen.

Neben der hier nicht erwähnten ideellen Hilfe der Ostpreußen in Ostpreußen ist also auch die materielle vielfältigster Natur und nicht von staatlichen Zuwendungen abhängig. Allerdings ist es ebenso eine Tatsache, daß mit den von der Bundesregierung gestrichenen Geldern viel mehr Hilfe vor Ort möglich wäre.

Ein Wahrzeichen lebt wieder auf: Der Königsberger Dom wird mit Mitteln aus der Bruderhilfe der Landsmannschaft Ostpreußen restauriert Foto: LO