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04.05.02 / Das historische Kalenderblatt: 5. Mai 1842 - Der Beginn des Großen Brandes in der Freien und Hansestadt Hamburg

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Mai 2002


Das historische Kalenderblatt: 5. Mai 1842 - Der Beginn des Großen Brandes in der Freien und Hansestadt Hamburg
"Füer in de Diekstraat!"
von Manuel Ruoff

Das alte Hamburg liegt in Asche. Das Rathaus ist gesprengt und bedeckt mit seinen Trümmern die glühenden Silberbarren der Bank, auf denen, wie auf dem Hort der Nibelungen, die Erneuerung des kaufmännischen Wohlstands ruht. Die alten Kaiserbilder stehen verwundert in ihren Nischen. Die durch ihr Al-ter ehrwürdigsten Kirchen bieten ein schauervolles Bild der Zerstörung ..."

So beschrieb der Syndicus Karl Sieveking die Lage nach Hamburgs Großem Brand, der 1842 den größten Teil der Altstadt vernichtete und im europäischen Maßstab eigentlich nur mit dem Londoner "Great Fire" von 1666 verglichen werden kann. Innerhalb von nur 82 Stunden wurden 71 Straßen und 120 Höfe von den Flammen erfaßt. 1.749 Häuser mit über 4.000 Wohnungen fielen den Flammen zum Opfer, darunter die meisten öffentlichen Gebäude wie das Rathaus, die Bank, das Archiv, die alte Börse mit dem Sitz der Commerzdeputation und das Zuchthaus. Mit rund 20.000 Obdachlosen verlor etwa jeder zehnte Hamburger sein Dach über dem Kopf. Dazu kam der Verlust von 102 Speichern. Die Wasserkünste und die Mühlen an der Alster wurden ebenso ein Opfer der Flammen wie zwei Hauptkirchen und fünf weitere Gotteshäuser. 130 Personen wurden verletzt, und 51 Menschen kostete die Katastrophe das Leben. Seit der Einäscherung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg hatte keine größere deutsche Stadt ein solches Schicksal erlitten.

Am 5. Mai 1842 morgens um 1 Uhr erscholl der Ruf des Nachtwächters: "Füer! Füer in de Diekstraat!" Dazu wurden entsprechend dem Reglement die Knarren geschwungen, von den Türmen das Feuersignal geblasen, die Feuerglocken geläutet, Richtlaternen aufgesteckt und auf den Wällen Alarmschüsse gelöst. In der im Hafen an einem Fleet gelegenen Deichstraße war aus unbekannter Ursache ein Feuer ausgebrochen, das sehr rasch auf die angrenzenden Speicher übergriff, die mit leichtentzündlichen Materialien wie Arrak, Schellack und Gummi gefüllt waren. Erschwerend kam hinzu, daß seit Wochen Trockenheit geherrscht hatte und ein beständiger Wind aus Südwesten das Feuer genau auf das Stadtzentrum lenkte.

Hauptverantwortlich für die katastrophalen Ausmaße war jedoch die Anlage der Stadt. Die äußerst dichte Bebauung der Altstadt erleichterte die rasche Ausbreitung des Feuers, das die engen Straßen mühelos übersprang. Die Stadtoberen hatten jedoch nicht nur bei der architektonischen Gestaltung der Stadt gefehlt, sondern sie versagten auch beim Krisenmanagement selber. Der Chronist Johann Gustav Gallois formulierte es wie folgt: "Je höher die Autorität stand, desto mehr hatte sie den Kopf verloren."

Angesichts dieser Rahmenbedingungen half es auch nichts, daß schon kurz nach der Ent-deckung des Feuers die zur Verfügung stehenden 34 Land- und elf Schiffsspritzen mit insgesamt 1.150 Feuerwehrleuten am Brandort im Einsatz waren. So hatte das Feuer schon gegen 5 Uhr das sieben Meter breite Deichstraßenfleet überquert und die Steintwiete am gegenüberliegenden Ufer erreicht.

Schnell erkannte der leitende Spritzenmeister Adolph Repsold, daß den Flammen alleine mit Löschwasser nicht beizukommen sein würde. Auf die Erfahrungen hinweisend, die kurz zuvor bei einem Großfeuer in New York gewonnen worden waren, schlug er daher gegen 4.30 Uhr vor, mehrerer Häuserzeilen zu sprengen und so eine für die Flammen unüberwindliche Schneise zu legen. Das Material für die Sprengung lag schon bereit, doch die Stadtregierung, der Rat, fürchtete sich vor den Regreßansprüchen der von der Sprengung Betroffenen und verwarf Repsolds Vorschlag, obwohl der Wind das Feuer vom Hafengebiet zur Innenstadt in breiter Flammenwand vorantrieb.

Sieben Stunden später besann sich der Vorgänger des heutigen Senats zwar eines Besseren, aber nun nützten die Sprengungen nicht mehr viel. Inzwischen hatte das Feuer ganze Straßenzüge erfaßt und überwand auch gesprengte Schneisen. Das ganze Ausmaß des Unglücks erkannten die Behörden schließlich am Nachmittag, als der Turm von St. Nikolai, einer der fünf Hauptkirchen der Stadt, Feuer fing und wenig später einstürzte. Über den 1837 eingerichteten optischen Telegraphen wurde Hilfe von auswärts herangeholt. Aus Stade, Lüneburg, Lauenburg, Lübeck und Kiel kamen Feuerwehren zur Hilfe. Daneben wurde aus den umliegenden Garnisonen Militär in Marsch gesetzt, um den Ordnungskräften beim Absperren zu helfen, um beim Sprengen sowie Zerschießen der Häuser die Hamburger Artillerie zu unterstützen und um mit der hiesigen Bürgergarde das Plünderungsunwesen einzudämmen.

Am 8. Mai drehte der Wind auf Südost und brachte damit das Feuer kurz vor den Wallanlagen, bei der später so benannten Straße Brandsende zum Stillstand. Zwischen 7 und 8 Uhr wird das letzte brennende Haus gelöscht. Es wird zwar noch eine Woche ein Dutzend Spritzen in Bereitschaft gehalten, um Schwelbrände und die gefährliche Glutasche zu löschen, doch um 13 Uhr jenes 8. Mai kann der Rat das Ende des Großen Brandes verkünden.

Der Hamburger Brand erregte im In- und Ausland großes Aufsehen. Überall wurde zu Spenden für die heimgesuchte Stadt aufgerufen. Gelder kamen aus Europa, Afrika, Asien und Amerika. Mit 151.800 Mark stiftete der russische Zar Nikolaus I. die größte Summe, die ein Fürst aus seiner Privatschatulle gab. Der französische König Louis Philippe gab mit 15.000 Mark knapp ein Zehntel. Insgesamt erhielt die Stadt 6.929.100 Mark an Spendengeldern. Zur Relation sei gesagt, daß sich der Gesamtschaden auf 135 Millionen Mark belief.

Wenn die ausländische Hilfe auch nicht unbedeutend war, so waren es doch insbesondere die Landsleute in Deutschland, denen sich Hamburg verpflichtet wußte. Hieran erinnert bis zum heutigen Tage in Hamburgs Innenstadt eine Straße, die unweit des Rathauses liegt. Sie trägt als Dank an die Nation den Namen eines der bekanntesten Helden eben dieser Nation, die Hermannstraße, benannt nach dem Germanenfürsten Hermann (Arminius) der Cherusker.