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04.05.02 / Sudetendeutsche bekräftigen Rechtsanspruch auf die Heimat

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Mai 2002


Möglicher Beitritt Tschechiens zur EU belebt auch die Debatte um Existenzsicherheit für Rückkehrer neu "Wir fordern nur Gerechtigkeit"
Sudetendeutsche bekräftigen Rechtsanspruch auf die Heimat
von Roland Schnürch

Nach ihrer Satzung verfolgt die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) den Zweck, "den Rechtsanspruch auf die Heimat, deren Wiedergewinnung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppe durchzusetzen". Daraus resultiert keine territoriale Forderung, die mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag im Widerspruch stünde.

Manche mögen der SL das Gegenteil unterstellen wollen, wobei sie sich an dem Begriff "Wiedergewinnung" stoßen, doch ist dem nicht so, weil sich keine territoriale Forderung zugunsten der Bundesrepublik Deutschland damit verbindet. Im Gegenteil, das Bayerische Oberste Landesgericht hat am 25. Januar 2001 in einem Beschluß (Az. 3Z BR 319/00) zum SL-Satzungszweck betreffs der "Rückgabe des konfiszierten Vermögens" festgestellt, daß "der Rechtsanspruch auf die Heimat, deren Wiedergewinnung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppe durchzusetzen, nicht geändert wurde".

Es irritiert daher, daß neuerdings die Streichung von "deren Wiedergewinnung" zur Debatte gestellt wird. Angeblich sei die Gewinnung neuer Mitglieder damit erleichtert, oder es werden Mißverständnisse durch Journalisten ausgeräumt. Dem sei die Bewertung dieser Passage durch einen maßgeblichen deutschen Völkerrechtler und Hochschullehrer als völlig "legitim" gegenübergestellt.

Für die landsmannschaftliche Öffentlichkeit seien einige Überlegungen aktualisiert, die der Verfasser schon anläßlich der Abtretung der Slowakei (Deutscher Ostdienst, Nr. 36 v. 11. September 1992, S. 3) und später in einer von ihm initiierten Sammeledition "Von Prag nach Sarajewo. Vertreibung und Wiedergutmachung" (Graz 1996, S. 125 f.) niedergelegt hat.

Der möglicherweise bevorstehende Beitritt der Tschechischen Republik zur EU wird die Staatsgrenze zu Deutschland und Österreich ähnlich in den Hintergrund treten lassen, wie dies mit der Brennergrenze zwischen Nord- und Südtirol geschehen ist. Damit ist nicht die Freizügigkeit für Personen und Waren nach EU-Recht gemeint, etwa das Recht eines italienischen Pizzabäckers zur Niederlassung in Eger.

Für die Opfer des Genozids der Vertreibung und deren Nachkommen steht der eingangs behandelte Satzungszweck zur praktischen Umsetzung an. Rück-

kehrwillige Sudetendeutsche müssen, natürlich ohne Aufgabe ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit, mit entsprechenden Sicherheiten für die eigene Existenz und ihr Eigentum ausgestattet werden. Eine für beide Seiten - Deutsche wie Tschechen - befriedigende Lösung könnte durch Herauslösen der Heimatgebiete aus der nationalstaatlichen Zugehörigkeit mit Überführung in eine "Europäische Region" erreicht werden. In einer solchen Region muß natürlich Zweisprachigkeit vor Gerichten und Behörden herrschen, ebenso bei topographischen Bezeichnungen (z. B. zweisprachige Ortsschilder).

Vorrangig stellen sich zwei Problemfelder: das der Vermögensfragen und das der Selbstverwaltung in der Region.

Hinsichtlich der Vermögensfragen wurde häufig - wohl auch sehr unbedacht - versucht, die nach Völkerrecht und innerstaatlichem Recht geltende Rechtslage zu verwässern ("zweitrangig", "nicht durchführbar", "nur symbolische Entschädigung").

Selbst wenn das Dritte Reich noch jahrzehntelang existiert hätte, stünde außer Zweifel, daß heute für jüdische Anspruchsberechtigte volle Restitution angeboten bzw. erfolgen würde. Der Beweis kann leicht erbracht werden: Das Vermögensgesetz sieht zu den Enteignungen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands zwischen 1945 und 1949 für jüdische Anspruchsberechtigte volle Naturalrestitution vor. Es ist nicht einzusehen, warum die Opfer eines Genozids anders gestellt werden sollten. Im Vertreibungsgebiet ist daher zunächst Naturalrestitution vorzusehen. Sofern eine Immobilie inzwischen ver-

schwunden oder ein Grundstück durch Straßenbau oder ähnliches nicht mehr verfügbar ist, ist eine Entschädigung vorzunehmen. Diese kann auch geleistet werden, wenn der Anspruchsberechtigte auf Naturalrestitution verzichtet.

Beim zweiten Problemfeld, der Selbstverwaltung der Region, könnte an eine direkte Unterstellung unter die EU gedacht werden. Die Region untersteht einem Kommissar der EU, der den beteiligten Staaten verantwortlich ist. Eine angeschlossene parlamentarische Vertretung sollte - zumindest für eine längere Übergangszeit - paritätisch aus "ver-

triebener Bevölkerung" und der "Wohnbevölkerung" gebildet werden. Zur "vertriebenen Bevölkerung" zählen vertriebene Sudetendeutsche bzw. deren Nachkommen sowie die tschechische Bevölkerung, die am 8. Mai 1945 in der Region rechtmäßig wohnhaft war, und deren Nachkommen. Zur "Wohnbevölkerung" zählen auch heimatverbliebene Sudetendeutsche und deren Nachkommen.

Für Gemeinden sollte eine Vertretung nur aus der Wohnbevölkerung gebildet werden. Zusätzlich sollte dem Stadt- oder Gemeinderat eine zweite Kammer aus der "vertriebenen Bevölkerung" zugeordnet werden. Diese hat ein Vetorecht bei be- stimmten Beschlüssen der Gemeindevertretung, um die Gleichberechtigung der ethnischen Gruppen sicherzustellen.

Es würde den Umfang dieses Beitrages sprengen, auf weitere Details einzugehen. Diese müssen durch Verhandlungen zwischen den beteiligten Staaten mit voller Einbeziehung der Geschädigtenvertreter gelöst werden, das heißt durch bilaterale Gespräche zwischen den Bundesrepubliken Deutschland und Österreich sowie der Tschechischen Republik, unter gleichberechtigter Teilnahme der sudetendeutschen Volksgruppenvertretung. Dies kann nicht der Sudetendeutsche Rat sein, sondern nur die Bundesversammlung der SL.

Der Verfasser möchte diese Überlegungen einer vorurteilsfreien Diskussion anbieten. Aus aktuellem Anlaß sei angefügt, daß Nebenkriegsschauplätze wie "Entschuldigungen ohne Auftrag" im Zuge einer vernünftigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit tunlichst vermieden werden sollten. Dazu gehören auch widersprüchliche Behandlungen geschichtlicher Fakten. An der historischen Schuld der Annexion der Sudetengebiete von 1918/ 1919 ist festzuhalten.

Es bedarf aber keiner "Entschuldigung" der beteiligten Mächte, auch nicht für den rechtmäßigen Übergang der Gebietshoheit im September 1938. Die völkerrechtswidrige Errichtung des Protektorats durch das Deutsche Reich kann keine Rechtfertigung für den Genozid an den Sudetendeutschen darstellen. Es ist daher völlig abwegig, hier noch Nuancen durch eine Historikerkommission herausarbeiten zu wollen.

Es ist höchste Zeit, daß die beteiligten Nationen sich zu historischer Gerechtigkeit und angemessener Wiedergutmachung bekennen.

 

Fototext: Der Beitritt Tschechiens zur EU, der möglicherweise bevorsteht, ist für die Sudetendeutsche Landsmannschaft (hier ihr Sprecher Johann Böhm MdL auf dem Treffen 2001) Anlaß, ihren Rechtsanspruch auf die Heimat zu bekräftigen. Foto: dpa