26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.05.02 / Ein stolzes Jubiläum - 50 Jahre Kriegsgräberarbeit der Jugend Ostpreußens

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Mai 2002


Eine treibende Kraft ist der Wille zur Versöhnung
Ein stolzes Jubiläum - 50 Jahre Kriegsgräberarbeit der Jugend Ostpreußens

Ein in den Reihen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge wohl einmaliges Jubiläum können die von Hans Linke geleiteten ostpreußischen Jugendgruppen in diesem Jahr feiern: 2002 sind sie im 50. Jahr ununterbrochen in der Kriegsgräberpflege tätig. 1953 - der Zweite Weltkrieg war gerade mal acht Jahre beendet und die Bundesrepublik Deutschland vier Jahre alt - wurde im westfälischen Kamen die ostpreußische Jugendgruppe "Kant" ins Leben gerufen. Ihr Gründer und unermüdlicher Leiter bis heute ist Hans Linke, aus Johannisburg gebürtiger Ostpreuße des Jahrganges 1923. Als junger Offizier hatte er am eigenen Leibe die Schrecken des Krieges verspürt. Diese prägenden Erfahrungen ließen in ihm die Erkenntnis reifen, daß der Schlüssel für eine Versöhnung der Völker vor allem in einer aktiven Jugendarbeit liegt. Im westjütländischen Flüchtlingsfriedhof Oksböl in Dänemark begann er 1953 mit der Gräberarbeit. Hierzu ein kurzer historischer Rück-blick: Mehr als 250.000 Flüchtlinge aus Ostpreußen, West- preußen, Danzig und Pommern waren in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945 über die Ostsee nach Dänemark gebracht worden und hatten dort in provisorischen Lagern Zuflucht gefunden. Das größte unter ihnen war Oksböl, das zeitweise 32.000 Menschen beherbergte und damit die fünftgrößte Stadt Dänemarks war. Als die letzten internierten Deutschen 1949 Däne- mark verließen, blieben über 20.000 Tote zurück. Diesen verstorbenen ostdeutschen Landsleuten eine würdige Ruhestätte zu verschaffen war ein besonderes Anliegen der ostpreußischen Gräberarbeit in den ersten Jahren. Von 1953 bis 1957 arbeiteten die Jugendlichen an den Gräbern in Oksböl. 1958 kamen die Friedhöfe der Flüchtlingslager in Gedhus und Grove hinzu. Den Teilnehmern wurde ein hoher körperlicher Einsatz abverlangt.

So mußten in Oksböl 1.000 laufende Meter Dränage verlegt werden und in Gedhus und Gove entstanden komplette Zufahrtsstraßen zu den Friedhöfen in einer Länge von 2.000 Metern. 1960 wurde die Arbeit auf Soldatengräber in allen Teilen Dänemarks ausgeweitet. Hierbei handelte es sich um eine Pionierleistung, da der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aufgrund des Mißtrauens gegen alles Deutsche bis 1963 in Dänemark nicht offiziell tätig werden durfte. Das selbstlose und bescheidene Auftreten der ostpreußischen Jugendlichen trug wesentlich dazu bei, daß vorhandene Vorbehalte der Dänen gegenüber den Deutschen abgebaut werden konnten. Dieses Verdienst wurde auch ausdrücklich von dänischer Seite anerkannt. Auf einer Veranstaltung deutscher und dänischer Repräsentanten im Jahre 1966, zu der die Jugendgruppe Kant nach Kamen eingeladen hatte, sagte der Bürgermeister von Oksböl, Egon Jensen, in Anwesenheit des Präsidenten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Dekan Trepte: "Wer bei uns in Dänemark hätte 1949, als die letzten Deutschen unser Land verließen, gedacht, daß jemals überhaupt noch eine Verständigung mit den Deutschen möglich ist. Nun, wir sehen, sie ist möglich geworden. Dieses kleine Wunder haben Hans Linke und seine jungen Ostpreußen vollbracht. Diese jungen Menschen haben uns gezeigt, daß Haß Menschen nicht beherrschen und leiten darf. Heute müssen wir es einmal aussprechen, daß wir ihren Mut bewundert haben, wenn sie mit uns um Versöhnung und Verständigung gerungen haben."

Den Willen zur Versöhnung über den Gräbern hat die Gruppe "Kant" auch durch über den Rahmen der Gräberarbeit hinausgehende Aktivitäten Rechnung getragen. So wurden mit finan- zieller Unterstützung der Landsmannschaft Ostpreußen und der Gemeinde Blavandshuk (Oksböl) zwischen 1966 und 1971 vier Freizeiten für ältere Menschen durchgeführt, die sich von 1945 bis 1949 als Internierte und Bewacher in dem Lager Oksböl gegenübergestanden hatten. Ebenso entwickelte sich 1977 aus der Kriegsgräberarbeit in Dänemark ein von der Gemeinschaft Junges Ostpreußen und der dänischen Gemeinde Blavandshuk getragenes Deutsch-Dänisches Jugendwerk. Nach 124 Jugendlagern auf 102 Kriegsgräberstätten mit 2.625 Teilnehmern beendete die Jugendgruppe Kant nach 38 Jahren 1990 ihre Arbeit in Dänemark, um ihre Aktivitäten nach der Öffnung der Grenzen nach Ostpreußen zu verlagern.

Bereits Ende der 60er - also noch in den Hochzeiten des Kalten Krieges - hatte sich Hans Linke letztendlich vergeblich um Kontakte zu polnischen Jugendgruppen bemüht. Der beginnende Systemwandel Ende der 80er Jahre in den Staaten des Ostblocks machte erste Kontakte möglich. 1990 bildete sich unter der Leitung von Hans Linke aus ehemaligen Mitarbeitern der Jugendlager in Dänemark und aus den ostpreußischen Heimatkreisgemeinschaften die "Arbeitsgemeinschaft für die Kriegsgräberarbeit der ostpreußischen Jugend". Sie setzt die Kriegsgräberarbeit der Gruppe Kant fort und verfolgt das Ziel der Wiederherrichtung und Pflege der Kriegsgräber der beiden Weltkriege in den heute polnischen, russischen und litauischen Teilen von Ostpreußen. Für den Volksbund hat die Arbeitsgemeinschaft seit 1991 24 Jugendlager mit fast 1.000 Teilnehmern durchgeführt. Die Gruppen sind jeweils zur Hälfte mit deutschen und polnischen, russischen oder litauischen Jugendlichen besetzt und leisten somit einen wichtigen Beitrag für das friedliche Miteinander der Völker in einem zusammenwachsenden Europa. Die Arbeit der letzten Jahre hat sichtbare Früchte getragen. So konnten bisher vom Volksbund unter anderem die Friedhöfe in Memel, Germau und Fischhausen eingeweiht werden. Ergänzend führt die Arbeitsgemeinschaft für die Teilnehmer an den Jugendlagern staatspolitische Seminare in der Jugend- und Bildungstagesstätte der Landsmannschaft Ostpreußen in Bad Pyrmont durch, die sich mit der Vergangenheit und Gegenwart Ostpreußens, dieses geschichtsträchtigen Landes zwischen Weichsel und Memel, beschäftigen. Die Vorbereitungen für das 10. Deutsch-Russische Jugendlager, das vom 19. Juli bis 4. August im Raum Gumbinnen arbeiten wird, laufen auf vollen Touren. Für seine segensreiche Arbeit wünschen wir unserem Landsmann Hans Linke weiterhin viel Kraft und eine immer glückliche Hand.

Wilhelm v. Gottberg, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen