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11.05.02 / Ursachenforschung: Wie kann es zu Bluttaten wie jetzt in Erfurt kommen?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Mai 2002


Ursachenforschung: Wie kann es zu Bluttaten wie jetzt in Erfurt kommen?
Die Saat der Gewalt (Teil II) Am Anfang stand der Abbau tradierter Werte und Tugenden
von Christa Meves

Am Schluß des ersten Teiles ihres Beitrags hatte die Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Christa Meves zwei wesentliche Hintergründe der zunehmenden Gewaltbereitschaft dargestellt: erstens die These von der uneingeschränkten Autonomie des Kindes und zweitens das "Laufenlassen" schon im Kleinkindalter.

Eine zusätzliche Steigerung der Gewaltbereitschaft wurde drittens in den letzten beiden Jahrzehnten durch zwei weitere Folgen dieses Trends zustandegebracht: Zunächst durch die Auflösung der Ehe als einer Institution auf Lebenszeit; Ehescheidung der Eltern beeinträchtigt die seelische Gesundheit der Kinder nachhaltig. 160.000 Kinder werden in unserer Republik pro Jahr zu Scheidungswaisen, und besonders die Jungen nehmen keineswegs selbstverständlich die jeweils neuen Lover der Mutter oder eine neue fremde "Mutter" anstelle der leiblichen an Seiten des Vaters an, ohne nicht mit unbändiger Wut zu antworten, die nicht selten - besonders in "Kreidekreis-Situationen" - als gewalttätiger Rundumschlag der von den Eltern enttäuschten, seelisch verletzten Scheidungswaisen zum Ausbruch kommt.

Und viertens ist es bei der vielfältig verursachten aggressiven Stimmungslage vieler Kinder und Jugendlichen heute verheerend, wenn ihnen durch Filmvorma-cher eine Kindheit lang Sex and Crime als Ersatzbefriedigung für echte Geborgenheit geradezu angetragen werden. Eine Langzeitstudie der Universität New York hat gerade aufgezeigt, daß eine Gruppe von 700 Kindern, die durch ihre Kindheit hindurch täglich mehr als drei Stunden vor dem TV zubrachten, sich nach 25 Jahren mit einem Prozentsatz von 25 als gewalttätig erwiesen. Der Nachahmungstrieb des Menschen ist bisher bei unausgelesenem Fernsehkonsum der Kinder unterschätzt worden.

Mit Beschämung muß darüber hinaus konstatiert werden, daß mit Hilfe des Marsches durch die Institutionen seit 25 Jahren sozialistisches Gedankengut voll in die Strukturen, die Lehrinhalte und das geistige Klima der Schulen Eingang gefunden hat. Als erstes haben die zur Gleichheit manipulierenden Ideologen in den Kultusministerien den Kindern die Unbekömmlichkeit der Massenschule aufgenötigt.

Daß dies Kindern nicht gut tut, weiß die Fachwelt bereits. Schließlich hatten uns das schon die Tierverhaltensforscher aufgezeigt: Selbst Herdentiere, deren Bedürfnis nach einem kritischen Abstand nicht beachtet wird, bei denen eine zu große Dichte und Enge besteht, beginnen sich gegenseitig zu zerfleischen. Wieviel mehr muß Unbekömmlichkeit dieser Art dann erst bei der Krone der Schöpfung, dem Menschen, Gewaltbereitschaft erzeugen!

Besonders von Übel aber war es, daß man die Kinder nur allzu häufig perverserweise in der Staatsschule gegen den Staat, gegen die Eltern, ja gelegentlich sogar gegen die Lehrer aufgehetzt, ihnen bewußt eine Erziehung zum Ungehorsam aufgenötigt hat und ihnen keine christliche Orientierung mehr vermittelte. Der Religionsunterricht verkam mehr oder weniger zu einer Art Bauchladen mit beliebigen Angeboten. "Wenn die Eltern um die Ecke glotzen, mußt du ihnen in die Fresse rotzen", war darum ebenso konsequenter- wie skandalöserweise in einem niedersächsischen Schulbuch zu lesen.

Es darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß die Zunahme der Vergewaltigungen nicht nur von Frauen, sondern schrecklicherweise sogar von Kindern, daß das pädophile Kinderschändertum ebenfalls auf dem Boden dieses falschen Men-schenbildes entstand; denn da von den Ideologen die Biologie des Menschen (und das heißt christlich ausgedrückt: die von Gott vorgegebene Grundbasis) grundsätzlich geleugnet wurde, mußte auch geleugnet werden, daß es einen angeborenen Ge-schlechtstrieb gibt, der bis zur Geschlechtsreife latent ist. Kluge Pädagogik beläßt diesen Großtrieb des Erwachsenenalterns in der Kindheit tunlichst in der Latenz, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Ab 1969 aber stand die "Befreiung zur Sexualität", das heißt ihre Aktivierung vom Klein-kindalter ab, auf dem Plan. Damit begann - meist ungesühnt, weil als Trend gebilligt - eine Ära des sexuellen Mißbrauchs an Kindern. Diese sind mittlerweile erwachsen und haben - als Folge ihres Sexualopferschicksals als Kind - häufig schwere Sexualstörungen, oft deshalb auch sadistische Neigungen und den perversen Drang, ihn an Kindern zu befriedigen, so wie es ihnen einst als Kind geschah.

Auf diese Weise ist eine neue abscheuliche Art von Gewaltverbrechen entstanden, daß Kinder mißbraucht und gefilmt werden und daß man daraus eine Internet- und Video-Kinderporno-Industrie entwickelt hat. 40.000 Abnehmer für solche Videos gibt es nach Schätzung in Deutschland. Läßt es sich fassen, daß es Menschen gibt, die sich auf diese verabscheuenswürdige Weise Vergnügen verschaffen?

Und das setzt weitere Teufelskreise in Gang: Latente Sadisten und Kinderschänder werden so zur Nachahmung des Geschehens angeregt. Daß solche entführten Kinder dann "entsorgt" (und das heißt à la Dutroux getötet) werden, wie ein deutscher "Anbieter" sogar im Internet wissen ließ, gehört für mich zu den fürchterlichsten, unausdenkbaren Abscheulichkeiten unserer Zeit.

Was läßt sich tun? Läßt sich überhaupt noch etwas tun? Vom "Point of no Return" sind wir jedenfalls gewiß nicht mehr weit entfernt. Eins ist gewiß: Ein Durchbruch ist weder von dieser Regierung noch von den elektro-nischen Medien zu erwarten. Der Umbruch kann allenfalls von der bedrängten, immer mehr als Op-fer und Täter in Not geratenen und bedrohten Bevölkerung, vor allem von den noch gesunden, besorgt wachen Familien ausge-hen. Und das ist ohne eine religiöse Orientierung nicht möglich. Es gilt zu lernen, daß der Mensch verkommt, wenn er meint, er könne sein Leben nach der eigenen Maßgabe einrichten. Er braucht vielmehr die Erkenntnis, daß sein Leben ein Ziel hat: sich der Mitmenschlichkeit, der Liebe zu verschreiben, weil unser Gott, der Gott der Liebe, der allmächtige Schöpfer aller Dinge ist.

Deshalb hat der Mensch nur dann Aussicht, sich innerhalb seines individuellen Werdeganges zum Menschen zu entfalten, wenn er an seinem Lebensanfang opferbereite, persönliche haftende Liebe erfährt, wenn während seines Heranwachsens die ihm von Gott mitgegebenen Vorgaben beachtet werden und darauf aufgebaut wird.

Das heißt: Nur mit Hilfe solcher klar orientierter Erwachsener, die sich nach dem christlichen Menschenbild ausrichten, besteht Aussicht, daß die Kinder nicht zu verwilderten Ungeheuern, sondern zu friedfertigen Menschen werden, die auch so etwas wie eine staatspolitische Bürgerverantwortung kennen.

Wenn wir das erst einmal zu unserem Ziel ernennen würden, ließe sich vieles ändern. Es würden zum Beispiel Maßnahmen für wichtig, ja für existentiell notwendig erachtet werden, die den Müttern die Möglichkeit gibt, bei ihren Kindern zu bleiben, solange sie hilflos sind.

Es wäre ein besonderer, auch rechtlich unterstützender Schutz des Staates für die Familie ange-zeigt, damit auch der Vater seine erzieherisch wichtige Aufgabe verwirklichen könnte.

Es müßte ein total neuer, veränderter Geist in die Schulen einkehren, der die Kinder zur überpersönlichen Verantwortung auch für den Staat, in dem sie leben, erzieht und ihnen christliche Orientierung vermittelt; denn immer noch hat der Humorist Wilhelm Busch mit seinem schönen apodiktischen Satz recht: "Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein".

Deshalb ist väterliche und schulische Autorität bei der Erziehung von Kindern unumgänglich und auch eine Gewähr dafür, daß sie glücklich und weniger gewaltbereit werden; denn der Mensch ist nicht von Anfang an gut oder ein leeres Blatt, wie die Ideologen behaupten, sondern ein Wildling in gefallener Schöpfung. Und es ist die Aufgabe der Erzieher, die Kinder zu kultivieren und ihnen ein überpersönliches Verantwor-tungsbewußtsein zu vermitteln.

Nur also mit der Einsicht in die Unabdingbarkeit einer realisti-schen Weltsicht könnten dann auch die elektronischen Medien unter einen verantwortlichen Geist gestellt werden, statt weiter dem Hochmut zu frönen, daß der Mensch einfach alles unbeschadet verträgt, was man ihm anbietet. Wenn wir alle mithelfen würden, wenn wir in diesem Geist rufen würden: "Wir sind das Volk!" - wie schnell würden dann auch die Parteien, die so sehr darauf bedacht sein müssen, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen, vernünftig werden! Würden wir nur unser Christentum neu als die gelebte Wahrheit, als die einzige Hoffnung auf Zukunft laut und mehrheitlich artikulieren.

Denn die Prämissen des Christentums stimmen mit den For-schungsergebnissen seriöser Wis-senschaft überein. Und Orientierung am christlichen Glauben bewährt sich im Alltag des Zusammenlebens. Vor dem Untergang in Gewalt und seelischer Schwäche kann deshalb allein eine christliche Kulturrevolution bewahren.

 

 

Es ist schon verblüffend, wie viele Politiker auf einmal "immer schon gewußt" haben, welch verheerende Wirkung die Überflutung mit Gewaltdarstellungen in den modernen elektronischen Medien hat. Warum sie dieses Wissen erst jetzt, nach der Bluttat von Erfurt, öffentlich zu erkennen geben, erklären sie uns leider nicht. Immerhin, selbst der Bundeskanzler hat sich eingebracht, zu einem Gespräch mit den Programmverantwortlichen der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehanstalten geladen. Viel herausgekommen ist dabei leider nicht. Ein "runder Tisch" soll, so Schröders Wille, sich nun um gewaltfreies Fernsehen bemühen. In der Praxis wird das wohl bedeuten, daß zunächst einmal alle Teilnehmer öffentlich beteuern, wie sehr sie Gewalt verurteilen und daß außer ihnen selbst alle anderen schuld sind; dann wird eine Expertenkommission eingesetzt, die das Thema so lange zerredet, bis öffentliche und veröffentlichte Meinung andere Sensationen aufgegriffen haben. "Runder Tisch" - in den Endtagen der DDR eine nützliche Einrichtung, aber untauglich als Allheilmittel, wann immer die Politiker nicht weiter wissen und Entscheidungen aus dem Wege gehen wollen. Die (Nicht-)Wirkung läßt sich freilich noch steigern: Wenn der Kanzler das Thema zur "Chefsache" erklärt... H.J.M.