19.04.2024

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25.05.02 / Eine andächtige Ruhepause

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Mai 2002


Eine andächtige Ruhepause
von Robert Jung

Bevor der Hirte von Bialla mit seiner Schafherde in die nicht gerade üppigen Weidegründe Masurens zog, war er auch eine Zeitlang als Knecht auf einem Stück-chen Feld beschäftigt, das zum Pastorat gehörte. Wie es der Zufall wollte, war um diese Zeit ein neuer Geistlicher in die Gemeinde gekommen, auf den man schon lange gewartet hatte. Es war ein stattlicher Vierziger, ein bienenfleißiger Seelsorger, der jedoch anderen gern auf die Finger sah, die ein geruhsames Leben über alles liebten.

Flugs eilte er dann auch mit wehenden Rockschößen zu seinem "Pastoralen Feld", auf dem sich der junge Knecht Aslan befand. Dieser hatte es sich unter einer breit ausladenden Linde bequem gemacht. Die Beine weit von sich gestreckt, lag er gemütlich im Gras und schmauchte seine Pfeife genüßlich, während die beiden Ackerpferde vor dem Pflug scheinbar die notwendige Ruhepause mit einhiel- ten ... "Nun, mein lieber Aslan", schnob der Geistliche mit saurem Gesicht, "du ruhst dich jetzt schon aus, und mit dir sogar die Gäule. Wäre es nicht weitaus besser, wenn du in der Zeit, in der die Pferde auf der Weide verschnaufen und sich auf der Koppel ausruhen, ein wenig Gartenarbeit tun könntest und auch die Zäune nachsehen, vielleicht auch frisch anstreichen, nun?"

"Gewiß, Herr Pfarrer", erwiderte Aslan lächelnd. "Aber dann muß auch der Herr Pfarrer frühmorgens am Sonntag während des Gottesdienstes eine große Schüssel voll Kartoffeln recht schön sauber schälen, während die Gemeinde in der Kirche drei Choräle für den Herrn singt und ihn lobpreist..." Von diesem Augenblick an brauchte Aslan weder Gartenarbeit verrichten noch Zäune neu in Ordnung und auf Hochglanz bringen ...