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01.06.02 / Die Meinungsfreiheit droht zu ersticken

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. Juni 2002


Die Meinungsfreiheit droht zu ersticken
Hans Heckel über den Streit zwischen Möllemann und Friedman

Jürgen W. Möllemann hat Michel Friedman und Ariel Scharon angegriffen und ihnen vorgehalten, daß ihr Verhalten Wasser auf die Mühlen von Antisemiten leite. Daraus wurde in der öffentlichen Debatte der Vorwurf gebastelt, der FDP-Politiker wärme die alte Lüge auf, die Juden seien selbst schuld am Judenhaß.

Hätte Möllemann letzteres wirklich getan, dann wäre auch die Schlußfolgerung, er sei selbst ein Antisemit, zutreffend. Denn das ist ja die altbekannte Scheinrechtfertigung jeder Art von Rassismus - die Opfer seien durch ihr Verhalten selbst für ihre Stigmatisierung verantwortlich. Solche "Gründe" finden Rassisten immer, ob sie sich nun über Juden, Christen, Deutsche oder sonstwen hermachen. Insbesondere Deutsche sollten gegen die heuchlerische Logik dieser "Gründe"-Sucher immun sein. Sie haben die Scharlatanerie in extenso sowohl als Täter wie als Opfer selbst erfahren. Erst dieser Tage müssen sie voller Abscheu mit anhören, wie tschechische Politiker ihre "Gründe" für Völkermord und Vertreibung der Sudetendeutschen schamlos hinaus- posaunen.

Aber Möllemann hat weder "Gründe" für Antisemitismus gerechtfertigt, noch hat er die Juden selbst für Ressentiments gegen sie zur Verantwortung gezogen. Er hat perfide Mechanismen ausgemacht, wonach das Verhalten von Leuten, die als Repräsentanten einer bestimmten Gruppe aufgefaßt werden, von deren rassistischen Gegnern ausgenutzt werden könnte.

Sehr taktvoll war das nicht, und ob es hilfreich oder gar notwendigreich war, mag in Zweifel gezogen werden. Die beiden Getroffenen aber müssen sich fragen lassen, ob sie in Fragen des Taktes denn immer ganz sattelfest sind. Ariel Scharon setzte seinen palästinensischen Gegenpart Jassir Arafat mit Osama bin Laden gleich. Auch Michel Friedman schreckt vor keiner rhetorischen Schärfe zurück, manche nennen ihn "gnadenlos", für Möllemann ist er "gehässig und arrogant".

Die Gleichsetzung der harschen Kritik an Friedman mit einem Angriff auf die Juden, mit Antisemitismus, stammt von ihm selbst, nicht von dem gescholtenen FDP-Politiker.

Gern operiert Talkmaster und CDU-Politiker Friedman mit Begriffspaaren wie "menschenfreundlich-menschenwürdig/menschenfeindlich-antisemitisch", wenn er den Unterschied zwischen seiner Position und der seiner Widersacher umschreibt. Nicht zwischen Richtig und Falsch verläuft seine Trennlinie, sondern zwischen den Guten und den Bösen. Der Fuldaer CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann mutmaßt: "Friedman betrachtet sich wohl als sakrosankt und über dem demokratischen Diskurs stehend. Wer austeilt, sollte beim Einstecken nicht mimosenhaft sein," und schließt sich der Einschätzung von Hessens Ministerpräsident Roland Koch an, der Friedman in der beständigen "Gefahr" sieht, "mehr zusätzliche Konflikte zu schüren, als er welche eindämmt".

Solche mutigen Stimmen sind selten in dieser überhitzten Kontroverse. Die meisten Parteienvertreter bemühen sich, ihren Laden wenigstens herauszuhalten, um nichts abzubekommen - jetzt, mitten im Wahlkampf. Andere indes versuchen offen ihr Süppchen zu kochen am friedman/möllemannschen Feuer. Am schrillsten treibt es Grünen-Chefin Claudia Roth, die Möllemann wegen "Volksverhetzung" anzeigte. Der Zweck dieser peinlichen Operation ist offensichtlich. Die Glaubwürdigkeit der Grünen bei ihrer alten Stammklientel, den Pazifisten und Öko-Bewegten, ist irgendwo zwischen Castor, Krieg und Nitrofen zerstoben. Jetzt sollte es an die jungdynamische "Neue Mitte" gehen - doch gerade dort hat das spaßige "Guidomobil" eingeparkt und versperrt den Weg. Da ihnen sonst nichts mehr einfiel, griffen die Grünen zur denkbar tödlichsten Keule: "Antisemit!" Daß ausgerechnet eine Partei, die in ihrer Gründerzeit von Staatswillkür und "Bullenterror" schwafelte, jetzt derart untertanen-artig zur Obrigkeit rennt, um einen "Auffälligen" zu denunzieren, macht nur sichtbar, wie grau Fischers Haufen auch innerlich geworden ist.

Neuen Stoff für die "taktisch Empörten" (Der Spiegel) lieferte Möllemann, als er darauf hinwies, daß die Erfolge Haiders oder (post mortem) Pim Fortuyns nicht braunem Ungeist, sondern einer nachvollziehbaren Unzufriedenheit der Bürger mit den Etablierten entwachsen sind. Jetzt ist der FDP-Vize auch noch ein "Rechtspopulist", der die "Haiderisierung" der FDP betreibe.

Zur Erinnerung: Fortuyns Partei bildet gerade die niederländische Regierung in Koalition mit den Christdemokraten. Haiders FPÖ regiert das demokratische Österreich mit den dortigen Chistdemokraten, Haider selbst ist seit Jahren Ministerpräsident von Kärnten, ohne daß dort ein postfaschistisches Terrorregime ausgebrochen wäre.

Aber darauf kam es Möllemann gar nicht an. Er stellte nur heraus, daß es hier vor allem um Protestwahl ging, und würdigte es als "Emanzipation der Demokraten", wenn bislang pflegeleichte Bürger den machthabenden Parteien per Wahl mitteilen, daß deren Politik wesentliche Probleme ihrer Meinung nach nicht zufriedenstellend angeht. Friedman wirft ihm nun vor, einer "menschenfeindlichen" Politik Vorschub zu leisten.

In den Niederlanden hat übrigens die dortige "Jüdische Föderation" Anzeige erstattet gegen die Frau von Wim Duisenberg. Ihr wird Aufstachelung zum Haß gegen Juden vorgeworfen, weil sie eine Palästinesner-Fahne vor ihrem Haus gehißt und dabei antisemitische Äußerungen gemacht habe. Es soll untersucht werden, ob der EZB-Präsident in den USA zur unerwünschten Person erklärt werden könne, weil er in dem Haus wohne und sich nicht von den Aktivitäten seiner Frau distanziert habe. Dazu hat die "Föderation" Kontakt mit dem Jüdischen Weltkongreß aufgenommen, wie ein Sprecher laut Frankfurter Allgemeine erklärt hat.

 

Sprung ins Feuer

Bis dato wurde Jürgen W. Möllemann (hier leicht am Auge lädiert nach einem Fallschirmsprung am 25. Mai in Brandenburg) oft als Polit-Entertainer belächelt. Mit seiner Kritik an Michel Friedman und Ariel Scharon aber hat der FDP-Vize ein Erdbeben ausgelöst. Entgegen ersten Erwartungen halten es Wahlforscher für möglich, daß die FDP wegen der scharfen Angriffe gegen Möllemann gerade unter Jüngeren noch Sympathien hinzugewinnt. Grund laut Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner: Für die unteren Altersgruppen stehe das Sonderverhältnis zu Israel "nicht mehr auf der Tagesordnung". Foto: dpa