19.04.2024

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08.06.02 / Im Bann des Schreckens

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. Juni 2002


Im Bann des Schreckens
Erschütternde Fluchtgeschichten der besonderen Art

Am Morgen, es ist ein schöner, etwas ruhiger Sonntag, geht Else mit ihren Kindern Bienchen und Hänschen zur Kirche, alle drei schön feierlich angezogen. Auch Königsberg hat sein Sonntagskleid an. ... Wenn nur dieser Krieg bald zu Ende wäre, denkt Else. Sie drängt jetzt nach der Kirche zum Heimweg, stolz sieht sie ihren Kindern zu; sie ist glücklich mit ihnen, auch in der Zeit des Wartens und der Entbehrungen. Zwei große Imperien aber spielen ein Spiel um die Macht und benutzen Menschen wie Marionetten für dieses Absurdum. Der Tod ist wieder unterwegs, und diesmal tragen die eisernen Vögel Phosphor als Fötus in ihren fetten Leibern. Schwerfällig, mit dumpfem Gedröhn, schieben sich etwa vierhundert Bomber hoch über Königsberg. Tausende von Phosphorbomben fallen auf die angeschlagene Stadt und verwandeln sie in ein Krematorium. Das Inferno in Gestalt eines Feuersturms hat begonnen. ... Else und ihrem Hänschen und auch dem Bienchen bleibt der Flammentod erspart. Sie rennen mit bleichen Gesichtern und vor Angst weit aufgerissenen Augen durch brennende Vorstadtstraßen ziellos umher. ... Plötzlich kommen sie im Tiefflug, die Jäger, über die von den Flammen hell erleuchtete Stadt und mähen die noch Lebenden mit Maschinengewehren nieder. Else hat die Arme über ihre Kinder ausgebreitet und sie fest an sich gedrückt, als eine Maschinengewehrsalve alle drei durchsiebt. Langsam, kniend sinken sie zu Boden, und der Tod nimmt den Schrecken von ihren Gesichtern und schenkt ihnen den letzten Frieden in diesem mörderischen Krieg."

Dieser Textausschnitt aus dem Buch "Das Inferno Ostpreußen" von Artur Kalkenings wird wohl kaum jemanden unberührt lassen. Der Autor schafft es, den Leser in kurzen, knappen Sätzen zu erschüttern. Er beschreibt in sehr gestraffter Form verschiedene Schicksale. Zwar berichtet er auch ab und an von seinen eigenen Fluchterfahrungen, erzählt aber auch, wie es Onkel und Tante vom Frischen Haff erging, dem Bruder und Vater an der Front, dem Flieger Paul und anderen Freunden der Familie. Er schreibt nie jedes Schicksal auf einmal nieder, sondern wechselt in den Kapiteln immer von einer Person zur anderen, was zusätzlich eine gewisse Spannung erzeugt. So erfährt man in verschiedenen Kapiteln immer wieder etwas von den Erlebnissen der Fischersleute Franz und Ida, die sich entscheiden, das Frische Haff zu verlassen, und über das Eis in den Westen flüchten. Nur knapp entgehen sie den Todesfliegern, schaffen es bis Pillau, treffen dort auf den Autor und seine Familie, die neidisch beobachten, wie Ida und Franz auf die Wilhelm Gustloff dürfen, während sie abgewiesen werden. Aber wie jeder weiß, erleben die beiden auf der Gustloff eine Tragödie sondergleichen, die einer der beiden nicht überlebt. Fast jede Zeile dieses Buches fasziniert und schockiert zugleich, so daß man das Buch gebannt von der ersten bis zur letzten Zeile in einem Zuge verschlingt. R. B.

Artur Kalkenings, "Das Inferno Ostpreußen", Karisma Verlag, Buchholz 2002, broschiert, Großdruck, 156 Seiten, 12,73 Euro