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15.06.02 / Ostpreußenlied: "... Tag ist aufgegangen ... Licht hat angefangen ..."

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. Juni 2002


Ostpreußenlied: "... Tag ist aufgegangen ... Licht hat angefangen ..."

Der bereits zu Erich Hannighofers Lebzeiten im Auftrage des Landeskulturwartes Gau Ostpreußen von Hermann Luding in Zusammenarbeit mit Rudolf Thurau herausgegebene Sammelband "Land der dunklen Wälder ..." (links und unten) schafft endgültige Klarheit bezüglich des Textes der Landeshymne Ostpreußens

von Ruth Geede

Eigentlich hatte ich gedacht, daß zum Thema "Ostpreußenlied" (Folge 49/2001) aufgrund der verschiedenen Versionen viele Zuschriften kämen. Es waren aber nur zwei, was mich sehr erstaunte. Aber diese veranlassen mich doch, das Thema noch einmal aufzugreifen, zumal ein Schreiber behauptet, der von mir angegebene Text sei falsch und ich sollte meine Version korrigieren und damit den alten Fehler ausmerzen!

Was ich aber nicht mache, weil ich es nicht machen kann.

Es geht nicht darum, daß unser Landsmann behauptet, meine Auslegung der Zeilen "Tag ist aufgegangen über Haff und Moor, Licht hat angefangen, steigt im Ost empor" sei sachlich unlogisch, folgerichtig stimmten die von ihm favorisierten Schlußzeilen "Tag hat angefangen über Haff und Moor, Licht ist aufgegangen, steigt im Ost empor." Man kann beide Versionen glaubwürdig definieren, und jede Seite könnte von sich behaupten, ihre sei die logische. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um die Frage, wie die Urfassung des Hannighoferschen Textes lautet, und nur darum, wenn wir dem Dichter und seinem Lied gerecht werden wollen. Denn der Verfasser hat sich dabei etwas gedacht, nicht wir!

Unser Landsmann, der beharrlich bei seiner Version bleibt, hat bisher vergeblich einen Beleg für die Urfassung gesucht. Ich kann ihm diesen heute geben.

Wie ich schon in meinen Ausführungen erwähnte, war ich mit Erich Hannighofer wie mit Herbert Brust in der kulturellen Arbeit eng verbunden. Hannighofer gehörte wie ich dem Deutschen Schriftstellerverband an - ich übrigens als Jüngste, denn ich war noch nicht einmal 18 Jahre alt, als ich im Januar 1934 als Mitglied aufgenommen wurde. Der 1908 geborene Erich Hannighofer gehörte damals gleichfalls zu den Jüngeren. Der Verband ging bald nach seiner Auflösung in die Sektion Ostpreußen der Reichskulturkammer über.

Die Königsberger Gruppe, die zuerst Martin Borrmann, später Rudolf Thurau und Albert Conradt leiteten, traf sich regelmäßig im Blutgericht. Es fand sich dort alles ein, was in Ostpreußen schrieb: Margarete und Fritz Kudnig, Walter Scheffler, Gertrud Papendick, Hansgeorg Buchholtz, Erminia von Olfers-Batocki, Ottfried Graf Finckenstein, Maria-Luise Kaschnitz in ihrer Königsberger Zeit, Wanda Friese, Hans-Joachim Haecker, Adda von Königsegg - um nur einige Namen in die Erinnerung zurückzurufen. Paul Brock weilte immer in unserm Kreis, wenn er in Ostpreußen war, selbst Agnes Miegel nahm öfters an den Treffen teil, die man heute "Workshops" nennen würde. Jeder Teilnehmer konnte aus seinen neuesten Arbeiten vorlesen, was vor allem für die noch unbekannten Autoren wichtig war.

Es wurden aber auch gemeinsame Projekte besprochen. So im Frühling 1939, als beschlossen wurde, eine Anthologie herauszubringen, die "ostpreußische Dichtung unserer Zeit" enthielt, sozusagen ein Spie-

gelbild des literarischen Schaffens unserer Gruppe. Herausgeber war Hermann Luding, die Zusammenstellung wurde Rudolf Thurau übertragen. Die für diese Anthologie ausgesuchten Beiträge wurden von den Autoren beigesteuert, oder es wurde ihre Genehmigung eingeholt. Keine Veröffentlichung erfolgte ohne das Plazet des Urhebers.

Es sollte ein Heimatbuch im schönsten Sinne des Wortes werden, und das wurde es dann auch. Als Titel wählte man gemeinsam "Land der dunklen Wälder", die erste Strophe des Schlußchorals aus dem Oratorium "Ostpreußenland" von Herbert Brust, zu dem Hannighofer die Texte geschrieben hatte. Dieser Choral hatte sich schon längst vom übrigen Text gelöst und wurde als Lied gesungen. In dem Ostpreußenbuch wurde es sozusagen als Prolog den übrigen Texten vorangestellt - bereits als "Ostpreußenlied". In der von Hannighofer überlassenen Fassung.

Und deren vierte Strophe lau-tete:

"Tag ist aufgegangen

über Haff und Moor.

Licht hat angefangen

steigt im Ost empor."

Ich besitze dieses Buch dank der großzügigen Überlassung einer Leserin. ("Vergessen Sie nicht Ostpreußen und Ihre Martha Kopkow. November 1941" steht als Widmung darin). Es erschien übrigens, da während der Erstellung der Krieg begonnen hatte, erst 1940. Erich Hannighofer wird im Verzeichnis der Mitarbeiter so aufgeführt: "Geboren am 25. Februar 1908 in Königsberg (Pr.), lebt auch heute noch dort. Buchveröffentlichung: Erde, Novelle / Gedichte und Erzählungen in Zeitungen und Zeitschriften".

Dieses Buch bestätigt mir, daß meine persönlichen Erinnerungen an Erich Hannighofer und die frühe Dokumentation seines Liedes - trotz der inzwischen vergangenen Jahrzehnte - nicht getrübt sind.

Ich glaube, dies ist Beweis genug. Wäre die letzte Zeile vom Urtext abweichend gewesen, hätte der Dichter sie zweifellos berichtigt, denn wir mußten die uns vor Drucklegung zugesandten Korrekturseiten unserer Beiträge absegnen.

Zugegeben: Die Endstrophe kann zu Verwechslungen und den damit verbundenen glaubhaften Interpretationen führen. Aber es sind unsere Auslegungen, nicht die des Urhebers. Doch sollte man nicht vergessen, daß das Lied nur ein Teil eines Gesamttextes ist, dem es entnommen wurde. Da das Oratorium dem schweren Schicksal unserer Heimat gewidmet war, sollte der Schlußchoral Hoffnung erwek-

ken. Vielleicht hat deshalb der Dichter die beiden Schlußzeilen so gestaltet: "Licht hat angefangen - steigt im Ost empor." Es sollte für unsere Heimat eben einen neuen Anfang geben, das Licht sollte dies symbolisieren. Aber das ist auch nur eine Auslegung. Warum Hannighofer diese Schlußzeilen so formuliert hat - wir können ihn nicht mehr befragen und werden es deshalb auch nie erfahren.

Nur eines sollten wir nicht: Uns darüber streiten und die Diskussion endlos fortführen. Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich darum gebeten wurde - auch bei mir tickt die Lebensuhr, noch bin ich Zeitzeugin, und mein Erinnerungsvermögen trügt nicht. Ich habe seit den 30er Jahren das Lied nie anders gekannt und habe es auch so im Flüchtlingsgepäck mitgenommen. Margarete Kudnig übrigens auch, die ebenfalls Werke von Brust getextet hatte und über das Lied bereits 1950 im Ostpreußenblatt schrieb! Andere hatten es anders in Erinnerung, so entstanden verschiedene Versionen, die zum Teil auch gedruckt und damit verbreitet wurden.

Wer das Lied so singen will, wie es seiner persönlichen Auslegung entspricht oder wie es ihm glaubhaft vermittelt wurde, sollte es tun. Beide Versionen sind schön. Aber bei gemeinsamen Veranstaltungen sollte man sich von vorneherein auf eine Fassung einigen. Nichts ist schlimmer, als wenn es dann beim Singen der letzten Strophe ein ratloses Achselzucken

gibt, weil die einen "Tag ist aufgegangen" - die anderen "Tag hat angefangen" singen. Das mußte ich vor kurzem erleben und zwar auf einer Veranstaltung, an der nicht nur Landsleute teilnahmen. Befremdet sah mich darauf eine Bekannte - eine echte Hamburgerin, die aber unser Ostpreußenlied über alles liebt! - an und meinte: "Na hört mal, Ihr müßtet doch Euer Lied eigentlich können!"

 

Hermann Luding (Herausgeber), "Land der dunklen Wälder ... Ostpreußische Dichtung unserer Zeit", Pd. Verlagsgemeinschaft - Ostpreußen GmbH, Sturm-Verlag - Ferdinand Hirt, Königsberg 1940,

223 Seiten