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22.06.02 / Behutsame Umkehr zum Rechtsstaat?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juni 2002


Behutsame Umkehr zum Rechtsstaat?
Fürstenhaus erhält Ländereien zurück
von Heiko Peters

Die Familie des Fürstenhauses Reuss erhält, wie Die Welt erst kürzlich berichtete, aufgrund der Tatsache, daß 1945 das Oberhaupt der Familie die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, umfangreiche Liegenschaften in Thüringen aus dem deutschen Staatsbesitz zurück. Die Ländereien waren im Jahre 1945 von den Kommunisten enteignet worden.

Dieser Vorgang ist zu begrüßen, weil sich so die Möglichkeit zu privatwirtschaftlichem Handeln eröffnet. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen und sowohl privates Einkommen wie auch neue Steuern zu erwirtschaften - zum Wohl der Betroffenen wie auch des Landes.

Zugleich aber führt diese Nachricht zu erheblicher Betroffenheit: Wie verträgt es sich mit dem Gleichheitsgebot (Art. 3) des Grundgesetzes, in dem es in Absatz 3 wörtlich heißt: "Niemand darf ... wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Herkunft, seiner Heimat und seiner Sprache ... benachteiligt werden", wenn die Rückgabe den ausländischen Mitbürgern gewährt wird, den deutschen aber nicht?

Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hatte in mehreren Urteilen entschieden, daß dem Gebot zur Wiedervereinigung, das in der Präambel des Grundgesetzes verankert war, der Vorrang vor anderen Artikeln zukomme. Inzwischen wissen wir aber, daß es die von der Regierung Kohl behaupteten Bedingungen der Sowjets oder der DDR für die deutsche Wiedervereinigung nicht gegeben hat, wir wissen auch, daß es nicht einmal eine "Einschätzung" (Urteil von 1996) in diese Richtung gab. Die Regierung Kohl handelte in dieser Angelegenheit grob pflichtwidrig - aus Gründen des Machterhalts, um vor der Wahl 1990 keine Steuern aufgrund der Kosten der Wiedervereinigung erhöhen zu müssen. Dies war moralisch verwerflich und volkswirtschaftlich töricht, wie sich in den folgenden Jahren immer deutlicher zeigte.

Aber: Nicht nur der Artikel 3 Grundgesetz wurde mißachtet. Ebenso der Artikel 14 (Schutz des Eigentums), der Artikel 19 Abs. 2 (der Wesensgehalt der Grundrechte muß erhalten bleiben), der Artikel 25 (Völkerrecht geht deutschem Recht vor), und die Haager Landkriegsordnung, also das Völkerrecht, verbietet in Artikel 46 Abs. 3 die Konfiskation privater Immobilien.

Das Wichtigste aber ist: Artikel 1 Grundgesetz sagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Punkt!

Ist es keine Verletzung der Menschenwürde, ihm die Heimat zu rauben, ihn mit zynischen Verordnungen vom Rechtsschutz auszuschließen, ihn in unsagbare Prozesse hineinzujagen, damit wirtschaftlich auszubluten, nur um am Ende höhnisch festzustellen: Leider gilt das Recht nicht für dich, das war der Preis der Wiedervereinigung?

Gibt es eigentlich in diesem Land keine mutigen Politiker mehr, die sich vor den deutschen Bundestag stellen und sagen: Hier ist schändlich gelogen worden, wir müssen das dringend korrigieren? Gibt es keine mutigen Juristen und Richter mehr, die sagen: Die Wahrheit muß die Grundlage der Gerechtigkeit sein, nicht die Lüge? Gibt es keine mutigen Journalisten mehr, die, wie vor 100 Jahren in Frankreich der berühmte Zola, den Artikel schreiben: J'accuse! (Ich klage an!)?

Der Fall Reuss kann der Ausgangspunkt werden, zur Glaubwürdigkeit des demokratischen Rechtsstaates zurückzufinden. Es ist höchste Zeit.