24.04.2024

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Suchen und finden
22.06.02 / Die ostpreußische Familie extra

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Juni 2002


Die ostpreußische Familie extra
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Anfrage

Auf seine Frage nach Bildern und Berichten über Schloß Friedrichstein hat der Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, Christian Thielemann, erfreulicherweise viele Zuschriften erhalten. Es sind zum Teil erschütternde Berichte über das Geschehen, das sich beim Russeneinfall und danach ereignet hat. Herr Thielemann dankt allen Einsendern, bittet uns aber, seinen Wunsch noch einmal vorzutragen, denn er möchte eine umfassende Dokumentation über Schloß Friedrichstein erstellen.

Wer also noch Erinnerungen an Schloß, Park und Umgebung von Friedrichstein hat - gleich, ob aus Friedenszeiten, den Kriegsjahren, der Zerstörung und der Zeit danach - sende diese bitte an den Generalmusikdirektor. Besonders ist Ch. Thielemann an Aufnahmen von Friedrichstein vor und nach der Zerstörung interessiert, vor allem an Fotos, die das Leben der Menschen auf und um Fried-richstein aufzeigen, im Alltag wie an Festtagen und bei besonderen Anlässen. Sehr wichtig sind Aufnahmen der Vertreibung wie von Trecks, die damals Friedrichstein passierten. Wir unterstützen Herrn Thielemann gerne in seinem Engagement für den dokumentarischen Erhalt unserer Heimat. Zuschriften an den Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, Christian Thielemann, Richard-Wagner-Straße 10 in 10585 Berlin.

 

Lewe Landslied

und Freunde unserer

Ostpreußischen Familie,

zum großen Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Leipzig habe ich die Freude, in einer Extra-Familie zu berichten, was sich Positives in den letzten Wochen ereignet hat. Jeder Wunsch und jede Frage enthalten auch Hoffnung. Daß nicht jede Suche Erfolg hat, nicht haben kann, ist verständlich, vor allem, wenn es sich um Vermißte handelt, deren letztes Lebenszeichen fast sechs Jahrzehnte zurückliegt. Daß trotzdem immer noch "Wunder" geschehen - und wie sie geschehen -, ist manchmal unfaßbar.

Mit dem Begriff "Wunder" gehe ich trotzdem etwas vorsichtig um. Wir Ostpreußen mögen nun einmal nicht große Worte, und so bleibe ich da lieber bei der abgemilderten Form und spreche von "Wunderchen". Wie unsere Leserinnen und Leser das sehen, möchte ich an einem Beispiel aufzeigen.

Da schrieb uns Ute Eichler aus Hamburg: "Vor wenigen Wochen zitierte Ruth Geede die Äußerung einer Stammleserin, die Das Ostpreußenblatt als ,Wunderzeitung' bezeichnete. Als ich das las, griente ich ein wenig hinein. Wenn Wunder, dann sind es die Leser der ostpreußischen Familie, die sie vollbringen. Seit kurzem spreche ich aber auch von der "Wunderzeitung!" Wie es dazu kam, erklärt uns Frau Eichler in einem langen Brief, der allein fast die Hälfte dieser Extra-Seite ausmachen würde. Ich versuche also, dieses "Wunderchen" so kurz und prägnant wie möglich zu erklären.

Ende März veröffentlichte ich die Suche von Ingrid Scarbath nach Verwandten aus Lötzen. Sie listete in einer langen Aufstellung viele Namen auf, darunter auch den ihres Urgroßvaters Ferdinand Utzharth. Der Name ließ Frau Eichler keine Ruhe, denn ihr Mann hatte einen Urgroßvater mit ähnlichem Namen: Ferdinand Utzath, ebenfalls aus Lötzen, ebenfalls 1902 geboren. Es gab noch eine andere Unstimmigkeit: Dieter Eichlers Großmutter hieß Anna, die von Ingrid Scarbath aber Elise. Die Lösung war einfach: An der ungenauen Schreibweise hatten die alten Urkunden Schuld, und der Schuhmachermeister Ferdinand Utzath hatte zwei Töchter. Frau Eichler hatte dieses Puzzle allein zusammengesetzt und konnte ihrem Mann, als der von einer Heimatreise aus Osterode zurück- kam, als Überraschung eine Cousine zweiten Grades präsentieren: Ingrid Scarbath. Große Freude auf beiden Seiten, denn wie Ute Eichler schreibt: "In Ingrid haben wir einen Menschen gefunden, der im Nachspüren der Wurzeln der Familie, im Suchen nach - und Finden von - Verwandten, seine große Liebe zu Ostpreußen entdeckt hat. Das teilen wir mit ihr." Nicht nur das: Im Besitz der Familie Eichler befinden sich noch Leinenhandtücher aus der Aussteuer der Anna Utzath mit Monogramm. Ein Tuch bekam jetzt Frau Scarbath als späte Gabe ihrer Großtante, von der sie nie etwas gewußt hatte! Bleibt nur noch eine Frage an die Ostpreußische Familie: Hatte der Ferdinand Utzath vielleicht noch mehr Kinder? "Wenn ja, dann sollten wir in Leipzig zum Familientreffen blasen!" meint Ute Eichler.

Sicher werden sich an diesem Wochenende in Leipzig viele Landsleute treffen, die durch Das Ostpreußenblatt zueinander gefunden haben. So wie Vera Leinert aus Lübeck schreibt: "Es ist wunderschön, daß sich durch Das Ostpreußenblatt so viele Menschen wiederfinden können!" Sie hat es selber erfahren, denn sie suchte zwei Freundinnen aus ihren Kindertagen in Rosenberg, Christa Hopp und Gerda Gerwin. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung hatte ich schon ihren Dankesbrief in Händen. Von der Ortsvertreterin von Heiligenbeil-Rosenberg, Klara Peschel, erhielt sie die Adressen von Gerda und eines Verwandten von Christa, der Frau Leinert die Anschrift der Gesuchten gab. Nun haben sich diese drei Freundinnen nach 57 Jahren wiedergefunden, und die Freude darüber ist groß.

Kaum war ihr Suchwunsch erschienen, hatte Gisela Halfar auch schon Post in den Händen. Als Gisela Dunajewski war sie in Königsberg-Seligenfeld aufgewachsen, aber über ihre Kindheit konnte sie mit niemanden mehr sprechen. Nun suchte sie nach ihrer Spielkameradin Ingchen Pallasch - die meldete sich zwar nicht, aber Frau Christel Nöring, die Gisela als Kind gekannt hat. Und dann kam noch ein Anruf von Lieselotte Glandien, die in ihrer Straße gewohnt hat. Da alle Seligenfelderinnen älter sind als Frau Halfar, konnten sie ihr viel erzählen und ihre Kindheit etwas erhellen. "Ich habe wunderbare Freudenmomente erleben dürfen!" schreibt Gisela Halfar, die übrigens auf eigenartige Weise zur Leserin unserer Zeitung geworden ist: Auf einem Malta-Urlaub vermittelte ihr ein Mitreisender, der die schöne Ostpreu- ßenuhr trug, das Abonnement - na ja, und das führte nun zu einem ersten Erfolg. Denn vielleicht meldet sich ja jetzt noch Inge Pallasch?

Am schwierigsten ist immer die Suche nach vermißten Wehrmachtsangehörigen aus den letzten Kriegstagen. Alle Bemühungen Herrn Glogaus, etwas über das Schicksal seines Bruders Günther, der als Angehöriger der 6. Komp. Grenadierreg. 301 bei Witebsk seit dem 24. Juni 1944 vermißt wird, zu erfahren, sind fehlgeschlagen. Frau Böttcher von der WAST konnte ihm die Erkennungsmarke (5305, 1. Komp. Ers.Btl. 301) angeben. Nun hofft Herr Glogau, endlich die letzte Gewißheit zu bekommen, denn das DRK ist jetzt im Besitz von Namenslisten ehemaliger deutscher Soldaten, die Moskau freigegeben hat.

So erleichtert manche Suchenden sind, wenn sie endlich Gewißheit über den Verbleib ihrer vermißten Angehörigen, Freunde oder Kameraden erhalten, so birgt doch die Lösung oft Trauer und Tragik. Leider ist es so, daß vor allem in der ehemaligen DDR viele Suchanzeigen verzögert, verschleppt oder so nachlässig behandelt wurden, daß es keine Erfolge geben konnte. Unsere lange "Familiengeschichte" enthält manches traurige Kapitel mit dem Schlußwort "zu spät" - und davon müssen wir auch heute berichten.

Es handelt sich um die Suche nach dem Bruder ihrer Großmutter, die trotz intensiver Bemühungen erfolglos blieb und deshalb Marion Enkelmann veranlaßt hatte, an uns zu schreiben. Zwar war Großmutter Minna bereits 1983 verstorben, aber die Enkelin fühlte sich verpflichtet, in ihrem Sinne weiterzuforschen. Eine Veröffentlichung in unserer Spalte erbrachte keinen konkreten Hinweis, doch Frau Enkelmann erhielt von einer älteren Ostpreußin einen lieben Brief, aus dem sich eine wunderbare Verbindung ergab. "Ich bin erst 38 Jahre alt," schreibt Frau Enkelmann, "aber die Liebe zu Ostpreußen hat mir meine Oma mitgegeben." Und diese Liebe kann sie nun mit der heute 84jährigen "Brieffreundin" teilen, denn "sie besitzt diesen schönen trockenen ostpreußischen Humor wie meine Oma". Sicher bestärkte diese Verbindung auch Frau Enkelmann, die Suche nach dem Großonkel Fritz Asmus nicht aufzugeben. Sie "löcherte" die noch verbliebene - wenig interessierte - Verwandtschaft, bis sich ergab, daß Fritz Asmus zur Zeit der Vertreibung schon verheiratet gewesen war und Kinder gehabt hatte, von denen der älteste Sohn Eugen hieß. Die ganze Familie sollte von den Russen verschleppt worden sein. Und nun geschah das Unglaubliche: Dieser Eugen Asmus lebt in Eberswalde! Sein Vater Fritz war 1981 verstorben, aber - und jetzt kommt das Tragische: Er hatte nur 60 Kilometer entfernt von seiner Schwester gewohnt! "Niemand hat das gewußt", schreibt Frau Enkelmann, "die Gedanken meiner Oma waren doch immer bei Fritz. Sie hätte sich nur in ein Auto zu setzen brauchen und ihn in einer Stunde in die Arme schließen können!" Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn es gab einen weiteren Bruder, Franz, der angeblich gefallen war. Damit hatte sich die Oma abgefunden. Nun stellte sich heraus, daß Franz Asmus todkrank die Gefangenschaft überlebt und bis zu seinem Tod 1978 in Potsdam gewohnt hatte - auch nur 100 Kilometer von seiner Schwester Minna entfernt! So haben drei Geschwister jahrzehntelang fast in Nachbarschaft gelebt, ohne es zu wissen - und durften nie zueinander finden!

Aber unsere Ostpreußische Familie beschäftigt sich ja nicht nur mit diesen großen Suchfällen - die wir immer dann übernehmen, wenn andere Nachforschungen ergebnislos verliefen -, sondern mit den unterschiedlichsten Wünschen und Fragen. Und da gibt es jede Menge Erfolge! So ...

... erhielt Christel Panskus von einem Landsmann eine Kopie der gewünschten Chronik des Kirchspiels Bilderweitschen -

... fand sich das Gedicht "Drei Kreuze stehen auf Golgatha!" ein, das von Hanna Bogdahn gesucht wurde -

... bekam ich von Günther Lotzkat das Gedicht "Frau Sorge", das Hermann Sudermann seinen Eltern gewidmet hatte, gewünscht von Frau Schwichtenberg-Böhl -

... wurde Waltraut Braklow das Lied "Es fing ein Knab ein Vögelein" zweimal zugesandt. Es ist übrigens das Lied des Georg aus Goethes "Götz von Berlichingen" -

... danke ich meinem Landsmann Peter Kalisch für das Gedicht vom "Junker Georg" (Hoch ragt in Sachsens Gauen ein altes Grafenschloß ...) von Karl Gerok, das ich für eine ältere Ostpreußin suchte -

... kam noch eine Zuschrift zu dem bereits gefundenen Lied "Ganz hinten, wo der Leuchtturm steht ..." aus Südafrika! Hermann Hennecke aus Johannesburg, gebürtiger Niedersachse, mit einer Elbingerin verheiratet, sandte es an Dorothea Stoffregen, und auch ich bekam eine Kopie des Liedes, das Herr Hennecke einer von Hans Albers besungenen Kassette entnommen hat -

... freut sich Lieselotte Angermann über ein Foto von der Krugstraße in Königsberg, in der sie aufwuchs -

... bekam Heinz Banach die gewünschte Ansichtskarte vom Bahnhof Juditten von Siegfried Teubler, der aus seinem reichen Archiv auch diesen Wunsch erfüllen konnte -

... erhielt Hilde Kraemer auf ihren Wunsch nach dem Buch von Lucie Falk "Ich blieb in Königsberg" viele Angebote, so daß sich daraus lange Gespräche mit alten Königsbergern ergaben -

Das ist also sozusagen eine Dankeschön-Liste im Schnelldurchgang, die sich noch beliebig ergänzen ließe, wenn ... ja wenn diejenigen, deren Wünsche und Fragen ein positives Echo fanden, mir dies auch mitteilen würden! Lewe Landslied, wi luure doch dropp! Ich erfahre es oft nur von den Leserinnen und Lesern, die den Betreffenden die Wünsche erfüllten und mir Kopien zusandten. "In diesem Jahr konnte ich einem Herrn aus Sachsen mit Bildern vom Müntzplatz dienen und schließlich eine Verbindung von Frau Dangelmaier zu einer weiteren Neukuhrerin herstellen, bei der sich jetzt bereits das alte Bild von Neukuhren (das der Vater von Frau Dangelmaier damals malen ließ) befindet. Frau K. Eßlinger suchte nach Hinweisen auf eine Familie Tolkiehn im samländischen Hortlauken. Nach dort gab ich ebenfalls Nachricht ..." Danke Ihnen, lieber Herr Breuer, für soviel Hilfsbereitschaft - als "in Königsberg verheirateter und ausgebombter Zugereister"!

Ja, das ist heute ein Spiegelbild unserer so lebendigen, aktiven und immer hilfsbereiten "Ostpreußischen Familie". Und für diejenigen, die uns bisher nicht kannten, doch sehr aufschlußreich.

Eure

Ruth Geede