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29.06.02 / Es ist Zeit für den Rückzug

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. Juni 2002


Es ist Zeit für den Rückzug
Warum die Bundeswehr Kabul verlassen sollte
von Gerd-H. Komossa

In Kabul hat der türkische General Hilmi Akin Zorlu am 20. Juni den Oberbefehl über die internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) von dem briti-schen Befehlshaber General John McColl im Rahmen eines militärischen Appells übernommen. Damit stehen auch unsere Truppen unter der Führung von General von Butler in Afghanistan unter türkischem Kommando.

Bei der Übergabe des Kommandos wies der afghanische Präsident Hamid Karsai darauf hin, daß die Schutztruppe zum Aufbau des Landes wie auch zum erfolgreichen Abschluß der "Großen Ratsversammlung" (Loja Dschirga) beigetragen habe, und sprach ihr seinen Dank aus.

General Zorlu befehligt in Afghanistan eine internationale Eingreiftruppe von 5000 Soldaten, die von 19 Nationen gestellt werden. Die Übernahme des Kommandos dieser Friedenstruppe durch einen türkischen General ist zu begrüßen. Die Afghanen haben zu den Türken mehr Vertrauen als zu Großbritannien allein aus dem Grunde, weil Großbritannien ein Staat des christlichen Westens ist, wohingegen die Türkei als moslemisches Land den Afghanen näher liegt. Dazu kommt, daß die Afghanen den Türken dankbar sind für die Hilfe, die ihnen in den zwanziger Jahren durch den türkischen Staatsgründer Atatürk gewährt wurde. Das türkische militärische Kontingent in Afghanistan entspricht in seiner Stärke ungefähr dem deutschen Beitrag. Man rechnet damit, daß nach Übernahme des Kommandos eine Aufstockung notwendig wird. Die USA haben hierfür der Türkei eine Finanzhilfe von mehr als 200 Millionen Dollar zugesagt.

Nachdem im März/April die Bundesregierung laut darüber nachgedacht hatte, ob Deutschland nicht das Kommando von den Briten übernehmen sollte, was am Widerstand des Finanzministers scheiterte, blieb die Türkei als einziger Kandidat für die Führungsrolle übrig, die sie nun bis Ende des Jahres übernommen hat. Danach wird man weiter sehen. In Nato-Kreisen wird damit gerechnet, daß die Türkei über den 31. Dezember hinaus in der Führungsverantwortung bleiben wird. Auch wird angenommen, daß der Einsatzraum künftig über die Region Kabul hinaus ausgedehnt werden muß, was General von Butler schon Anfang April gefordert hatte.

Die politische Lage in Afghanistan bleibt auch nach dem kürzlich beendeten Palaver der Stämme in Kabul ungewiß. Hamid Karsei ist ein Mann des Ausgleichs und dazu ein Paschtune, ein Mann des Südens, der im Gegensatz zur Nordallianz steht. Die Unterschiede zwischen Nord und Süd, zwischen allen Stämmen bleiben groß. Kabul bleibt im Land isoliert, die Stammesfürsten außerhalb der Region spielen weiter eine wichtige Rolle. Auch sollte nicht übersehen werden, daß die unmenschliche Behandlung der Frauen durch die Taliban durchaus weiterhin den Vorstellungen eines großen Teils der Clans entspricht.

Nun mußte Staatspräsident Hamid Karsai sich dem Druck der starken Clans beugen und die Wiedereinführung der Sharia, der islamischen Gesetzgebung, zusagen. Damit ist eine Entwicklung eingeleitet, die der Forderung nach einem islamischen Gottesstaat wieder den Boden bereitet.

Die seinerzeit von Außenminister Fischer angeregte Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn, in deren Folge von Bundeskanzler Schröder eine Beteiligung deutscher Truppen in Afghanistan angeboten wurde, hatte sicherlich andere Vorstellungen von einer politischen Entwicklung in Afghanistan, als sie sich heute abzeichnet.

Man wird weiterhin darüber nachdenken dürfen, ob der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Interesse unseres Landes liegt und damit vom Grundgesetz abgedeckt bleibt. Wenn sich aber nun Staat und Religion wieder fest verbinden zu dem bekannten Muster islamischer Staaten, dann ist der Zeitpunkt gekommen, jetzt unsere Truppen aus Afghanistan wieder abzuziehen.

Die Zeit ist gekommen für eine neue Beurteilung der politischen und militärischen Lage in Afghanistan. Herr Bundeskanzler, führen Sie unsere Soldaten zurück in die Heimat. Sie haben ihren Auftrag erfüllt.