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06.07.02 / Wehmütige Abschiedsstimmung am Niedersee

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 06. Juli 2002


Wehmütige Abschiedsstimmung am Niedersee
von Günter Schiwy

Heute morgen kann ich nicht schlafen. Ich will noch einige Fotos vom Niedersee machen. Deshalb stehe ich auf und gehe den Sandweg am Alten Friedhof zum See, der noch schlummert. Die Weite des Wassers umfängt mich.

Auf dem See - in der Nähe des Schilfgürtels - schwimmen bereits einige Wildenten und Hau-bentaucher und suchen nach Nahrung. Genüßlich sitze ich auf der Brücke und schaue dem Spiel der Wasservögel zu. Langsam geht im Osten die Sonne hinter dem Wald auf. Ihre Strahlen spiegeln sich recht deutlich am Himmel und auf der Wasseroberfläche wider. Es wird heute heiß werden!

Ich war in der paradiesischen Landschaft ganz in Gedanken versunken. Heute morgen wollte ich mit meinem Niedersee und mir alleine sein. Ich saß auf der Brücke, schaute in den langsam erwachenden Morgen und war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Blick strich starr über das Wasser. Träume ich mit offenen Augen? Nein! Ich nahm traurigen Herzens Abschied, Abschied von der wohltuenden und friedlichen Stille dieser Landschaft, die sich heute in ihrer ganzen Schönheit, Stille und Weite mir offenbarte. Es wäre zu schön, wenn die Zeit hier und heute augenblicklich stehenbleiben würde! Meine Ergriffenheit war an diesem frühen Morgen in Wallungen geraten. Mich treibt es hier hinaus in Gottes freie Natur, weil ich froh und glücklich bin, weil es mein Zuhause ist und ich hier meinen Frieden finde. Meine ganze Lebensauffassung und Denkweise entspricht der östlichen Mentalität. Hier bin ich als Kind und Jugendlicher geprägt worden. Hier in diesem Landstrich ist die Natur noch in Ordnung. Hier kann der Mensch noch Mensch sein. Ich bin dem Zauber dieser Landschaft mit den endlosen Wäldern und blauen Seen sowie dem weiten Himmel erlegen. Dieses Masuren muß man einfach in der Frühe erlebt, empfunden haben, um es ins Herz zu schließen und zu lieben. Warum bin ich hier zufrieden, ausgeglichen und glück-lich mit mir, Gott und der übrigen Welt?

Glück verspüre ich, weil mich eine gewisse Sorglosigkeit im Alltag umfängt, weil ich die Last der Zeit nicht spüre. Ich fühle mich wie in einem Rausch des Wohlergehens, der Harmonie zwischen der Natur draußen und mir. Dieses hochjauchzende Gefühl kommt in mir auf, weil ich ein Mensch dieser Landschaft bin. Sie hat mich in ihrer Freiheit und Weite geformt und geprägt. In diesem Masuren ist nun einmal der Himmel hoch und weit und die Wälder und Seen voller Geheimnisse. Wer wollte das jemals bezweifeln, der hier einmal gelebt hat und dieses Land kennt?

Auf dem Niedersee liegt noch ein leichter Schleier von Nebel. Dann kommt mein Quartiergeber Zygmunt, der mit mir heute als Abschiedsgeschenk eine Bootsfahrt machen will. Langsam gleitet das schwere Ruderboot unter seinen kräftigen Ruderschlägen auf den See hinaus. Wir fahren in Richtung Süden zur Halbinsel Roßeck. Die Sonne spiegelt sich noch immer im Wasser. Ein lauter Windhauch weht über die Schilfregionen und bringt etwas Kühlung. Überall auf den Segelbooten ist bereits Leben. Einige der Segler baden im klaren Wasser. Die Möwen und Schwäne begleiten unser Boot. Wir gleiten an Ru-der-, Paddel- und Segelbooten vorbei, die unseren Kurs kreuzen. Es wird heute viel gewinkt. Das Ufer auf der westlichen Seite ist mit grünen Wiesen oder grünen Waldgürteln gesäumt. Die schwimmenden Gärten aus weißen und gelben Seerosen sind bereits offen. Im nahen Schilfgürtel steht ein Fischreiher auf einem Pfahl und beobachtet die an ihm vorbeischwimmenden Fische. Dann und wann holt er sich einen von ihnen.

Vor dem Schilf schwimmen Enten aller Art, Bleßhühner und Haubentaucher, die auf Futtersuche sind. Ein Storch überquert im Fluge den See, um auf Eichhorst Frösche in seinem roten Schnabel verschwinden zu lassen. Nach etwa einer halben Stunde fliegt er auf sein Nest in Kreuzofen zurück.

An der Landzunge Roßeck liegen einige Segelboote, deren Segler ein Lagerfeuer entzündet haben. Hier wird Kaffeewasser heiß gemacht. Wir aber rudern, nachdem ich einige Fotoaufnahmen gemacht habe, zum Liegeplatz am Alten Friedhof zurück, wo das Boot an einer Weide angekettet wird.

Heute nachmittag müssen die Koffer gepackt werden, weil wir morgen früh Abschied nehmen müssen. Abschiednehmen war nie meine Stärke.

Am Abend, nachdem die Koffer gepackt waren, ging ich noch einmal allein zum Niedersee. Es war ein lauer und linder Abend, ein Abend, wie ich ihn oft als Kind erlebt habe. Die milde und würzige Luft roch nach Gras, Wasser und Tang. Der herbe Geruch stieg in meine Nase und legte sich aufs Gemüt. Ich ging am Hochufer des Niedersees entlang und schaute weit in die Samordeier Buchten.

Immer tiefer sank die Sonne: langsam, ganz langsam! Bald berührte ihr unterer Rand den Wald. Inmitten des Wassers stand sie als Feuerball. Dann ging sie allmählich unter. Der Wald verschluckte sie. Der sanfte Wind umschmeichelte mich. Traumbilder stiegen in mir auf. Meine Phantasie ließ Erinnerungen an die Vergangenheit aufkommen. Mir wurde es schwer ums Herz. Der Atem wurde kürzer.

Der See verdunkelte sich. Langsam brach die Dämmerung herein. Ich mußte von ihm schweren Herzens Abschied nehmen. Es war Zeit, schlafen zu gehen. Ein letzter Blick und ein tiefes Durchatmen! Dann ging ich traurig ins Dorf zurück. Meine schmerzlichen Gedanken begleiteten mich.

 

Liebeserklärung an unser Hochmoor

Von Hildegard Rauschenbach

Wo Birken stehn

in zartem Grün

und gelbe Dotterblumen blühn,

wo Wollgrasknöpfe

wiegt der Wind,

im Schilf

die braunen Kolben sind,

in deiner Stille find' ich Ruh',

geliebte "Kacksche Balis" du.

Wenn Storch und Kranich

Einzug halten

tust du deine Pracht entfalten.

Wenn Frösche quaken

ihr Liebeslied,

ein Habicht seine Kreise zieht,

dann geh' ich zu dir

und such' Ruh',

geliebte "Kacksche Balis" du.

Wenn Hitze flimmert

in der Luft,

der Porst verströmt

seinen herben Duft,

gibst du aus deiner Herrlichkeit

ein Stück uns

für die Winterszeit.

Für uns du opferst

deine Ruh',

geliebte "Kacksche Balis" du.

Nun bist du fern,

geliebtes Moor,

doch Sehnsucht nach dir

ich nie verlor!

Noch oft bin ich

im Traum bei dir

und neu entsteht

dein Bild in mir.

Fänd' ich noch einmal

bei dir Ruh',

geliebte "Kacksche Balis" du.