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13.07.02 / Internationaler Strafgerichtshof: Der Atlantik kocht

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 13. Juli 2002


Internationaler Strafgerichtshof: Der Atlantik kocht
EU, USA und die zwei Varianten eines Albtraums
von Hans Heckel

Der europäisch-amerikanische Streit um den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) hat einen tiefen Gegensatz offenbar werden lassen, den die Mehrheit bislang verdrängt hat oder gar nicht wahrnahm. Wenn in Brüssel und Berlin oder in Wa-shington im Namen "global gültiger Werte" von einer "gemeinsamen Weltordnung" geredet wurde, meinte man diesseits und jenseits des Atlantiks etwas Grundverschiedenes.

Die Europäer zielen auf eine Art Weltregierung, die rund um den Erdball gleiches Recht für alle durchsetzt. Die USA pochen auf ihr (Faust-)Recht als einzige Weltmacht, die es wie das antike Rom unerhört findet, daß sich irgendeine Einrichtung über sie erheben soll. Darin spiegelt sich auch die amerikanische Überzeugung wider, die Moral ohnehin stets auf der eigenen Seite zu haben.

Bis spätestens kommenden Montag muß, so verlautet, eine Einigung im UN-Sicherheitsrat erzielt sein. Dort führt seit Monatsbeginn EU-Mitglied Großbritannien den Vorsitz. Nun sickerte durch: London spielt womöglich falsch. Öffentlich die EU-Position wacker verteidigend kungeln Tony Blairs Emissäre hinter dem Rücken der Partner mit den USA, um sich "in Washington lieb Kind zu machen", verbreitet die Süddeutsche Zeitung mit Berufung auf EU-Kreise.

Als hätte man es geahnt: Seit Beginn ihrer EWG-Mitgliedschaft weiß die Insel nicht recht, zu wem sie sich wirklich gesellen soll - zu den "neuen" Freunden auf dem Kontinent oder dem alten Waffenbruder in Übersee und ihren anderen Exkolonien. Auch diese Divergenz blieb bislang nur deshalb kaum sichtbar, weil es nie zu einer Zerreißprobe kam, die zum Entweder-Oder drängte.

Die harschen Töne aus Berlin an die Adresse Washingtons, die so seit Gründung der Bundesrepublik noch nie zu hören waren, lassen den Ernst der Lage erkennen. Eine Einigung, die ihren Namen verdient, erscheint praktisch ausgeschlossen. Ein mühsam geknüpfter Formelkompromiß ist allemal eine Niederlage der Europäer. Er könnte lediglich in verkappter Form die Forderung der USA erfüllen, die für ihre Bürger Immunität vor dem ICC verlangen. Damit wäre der Gerichtshof eine Farce. Offiziell gibt Washington als Grund für seine Ablehnung an, der Gerichtshof könne von gewissen Seiten politisch gegen sie mißbraucht werden. Nicht bloß gegen ihre Soldaten: Eine Reihe von Ländern etwa würden gern den früheren Außenminister Henry Kissinger vor den Kadi bringen wegen Vergehen in Vietnam und Lateinamerika (Allende-Sturz).

Welche Seite hat recht? Die USA in ihrer imperialen Überheblichkeit, sich selbst mit Recht und Mo- ral gleichzusetzen, gewiß nicht. Aber was ist von der Endvision einer Art "Weltregierung", welche die Europäer offenkundig antreibt, zu halten?

Eine solche Instanz stünde über allen Völkern und entzöge sich jeder ernstzunehmenden demokratischen Kontrolle. Es entstünde ein Regime, dem man sich nicht einmal mehr per Auswanderung entziehen könnte. Man muß kein Amerikaner sein, um davon Albträume zu bekommen. Gleichwohl ist die US-Position zutiefst verlogen. Washington erlaubt es jedem amerikanischen Provinzgericht, Recht zu sprechen über ausländische Firmen, ja quasi ganze Staaten. Nur selber kontrollieren lassen wollen sich die USA nicht, greifen zu, wo und wie sie möchten - was kleinere Länder kaum weniger als Albtraum erleben.